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Afghanistan-Debakel: Mehrheit will Konsequenzen für Maas

Fehleinschätzungen in Sachen Afghanistan hat die Bundesregierung insgesamt eingeräumt. Ein Minister ist deswegen besonders stark unter Druck geraten. Einer Umfrage zufolge sollte das Debakel für ihn nicht ohne Folgen bleiben.

Heiko Maas nimmt am Treffen der EU-Außenminister im Kongresszentrum Brdo teil.
Heiko Maas nimmt am Treffen der EU-Außenminister im Kongresszentrum Brdo teil.

Berlin (dpa) - Das Afghanistan-Debakel sollte nach Ansicht einer Mehrheit der Deutschen Konsequenzen für Außenminister Heiko Maas haben.

In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov sprachen sich 24 Prozent für einen sofortigen Rücktritt des SPD-Politikers aus, weitere 32 Prozent sagten, er solle einer neuen Bundesregierung nicht mehr angehören. Nur 17 Prozent sprachen sich gegen jegliche Konsequenzen für Maas aus. 27 Prozent machten keine Angaben.

Allerdings wird die Verantwortung für das Debakel nicht bei Maas alleine gesehen. 38 Prozent sagen, alle fünf mit Afghanistan befassten Kabinettsmitglieder müssten gleichermaßen für die Fehler geradestehen. Neben Maas sind das Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), Innenminister Horst Seehofer (CSU) und Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU).

13 Prozent sehen Maas allerdings am ehesten in der Hauptverantwortung, 12 Prozent sagen das über Merkel und 9 Prozent über Kramp-Karrenbauer. Seehofer und Müller halten nur jeweils 1 Prozent für hauptverantwortlich. Von den fünf Politikern haben drei bereits angekündigt, der neuen Bundesregierung nicht mehr angehören zu wollen: Merkel, Seehofer und Müller.

Fehleinschätzung der Bundesregierung

Nach der Machtübernahme der militant-islamistischen Taliban in Afghanistan hatte nicht nur Maas, sondern die Bundesregierung insgesamt eine Fehleinschätzung der Lage in dem zentralasiatischen Krisenland eingeräumt. Maas, dessen Ministerium zuständig für die Bewertung der Sicherheitslage in Krisengebieten ist, geriet aber besonders stark unter Druck. Es gab vereinzelte Rücktrittsforderungen und scharfe Kritik auch vom Koalitionspartner. Der CSU-Vorsitzende Markus Söder meinte, Maas dürfe einer neuen Regierung nicht mehr angehören.

Maas hatte dem «Spiegel» vor zwei Wochen gesagt, dass er nicht über einen Rücktritt nachgedacht habe: «In den vergangenen Tagen habe ich nur an eines gedacht, nämlich aus den Fehlern, die wir alle gemacht haben, die Konsequenz zu ziehen und dafür zu sorgen, so viele Leute aus Afghanistan rauszuholen wie möglich», sagte er.

Aber selbst bei den meisten SPD-Wählern hat Maas der Umfrage zufolge keine Rückendeckung mehr. 11 Prozent von ihnen sind für einen sofortigen Rücktritt des Außenministers, 44 Prozent meinen, er sollte einer neuen Regierung nicht mehr angehören.

Jeder zweite Deutsche befürwortet auch die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum Afghanistan-Debakel nach der Wahl. 50 Prozent sprachen sich in der YouGov-Umfrage dafür aus, 24 Prozent dagegen, 26 Prozent machten keine Angaben. Ein Untersuchungsausschuss könnte nach der Konstituierung des neuen Bundestags ab Ende Oktober eingesetzt werden. Dafür sind nur 25 Prozent der Abgeordnetenstimmen notwendig. Grüne, Linke und FDP haben sich bereits dafür ausgesprochen.

Afghanistan ist ein schwieriges Feld für Politiker

Afghanistan dürfte auch künftig ein schwieriges Feld für Politiker bleiben - insbesondere was eine mögliche großzügige Aufnahme afghanischer Flüchtlinge betrifft. Hier ist die Bevölkerung einer weiteren Yougov-Befragung im Auftrag der dpa tief gespalten. 46 Prozent der Teilnehmer der repräsentativen Umfrage sprachen sich in der vergangenen Woche gegen die Aufnahme einer größeren Zahl afghanischer Flüchtlinge in Deutschland aus. Insgesamt 47 Prozent der Befragten plädierten dafür, einer größeren Zahl von Menschen aus Afghanistan in Deutschland Schutz zu gewähren.

Allerdings knüpft ein Teil der Befürworter einer großzügigen Aufnahme diese an eine Bedingung: Jeder Vierte will, dass Deutschland nur dann eine größere Zahl von afghanischen Flüchtlingen ins Land lässt, falls andere EU-Staaten dies ebenfalls tun. Lediglich 22 Prozent der Deutschen wären auch dann für eine Aufnahme vieler Menschen aus Afghanistan, wenn andere EU-Staaten dabei nicht mitziehen sollten.

Am 15. August hatten die militant-islamistischen Taliban praktisch kampflos die afghanische Hauptstadt Kabul eingenommen. In der Nacht zum 31. August verließ die letzte US-Militärmaschine das Land. Die Machtübernahme der Taliban nach 20 Jahren hat eine Fluchtbewegung ausgelöst.

Video: Maas: "Es führt kein Weg an Gesprächen mit den Taliban vorbei"