Aktivistin fordert Schutzgebiet für ehemaligen Spionage-Wal

Erinnern Sie sich noch an Hvaldimir, den russischen Spionage-Wal? Vor rund zwei Jahren wurde er an ein Leben außerhalb seiner ehemaligen Gefangenschaft gewöhnt, doch sein Leben in Wildnis verläuft nicht wie erhofft.

Hvaldimir im April 2019.  Damals trug er noch den Gurt um seinen Körper mit der Kamerahalterung. (Bild: Jorgen Ree Wiig / Sea Surveillance / Reuters)
Hvaldimir im April 2019. Damals trug er noch den Gurt um seinen Körper mit der Kamerahalterung. (Bild: Jorgen Ree Wiig / Sea Surveillance / Reuters)

Im Jahr 2019 wurde der Belugawal weltbekannt: Er tauchte plötzlich vor den Küsten Norwegens auf und suchte immer wieder die Nähe zu Menschen. Auffällig: Er trug, bis ihn Tierschützer*innen davon befreiten, einen Harnisch mit Kamerahalterung um seinen Körper. Der trug die folgende Aufschrift: "Equipment St. Petersburg". Daraus entstand schnell die Theorie, dass der Wal aus einem russischen Forschungsprogramm stammen müsste – vielleicht sogar mit militärischem Hintergrund.

Russland hat in der Vergangenheit immer wieder Meeressäuger trainiert, nicht nur Beluga-Wale, sondern auch Delfine. Laut der Webseite The Barents Observer sind mindestens drei solcher Trainingsorte, die alle in der Nähe von Marinestützpunkten liegen, bekannt. Offiziell hat sich Russland nie zu so einem solchen Programm bekannt.

Langsam wurde Hvaldimir an die Wildnis gewöhnt

Das hinderte aber die norwegische Bevölkerung nicht daran, dem Beluga vor ihrer Küste den augenzwinkernden Namen "Hvaldimir" zu verpassen. Hval, was norwegisch ist und Wal bedeutet, und "dimir", angelehnt an Wladimir Putin.

Hvaldimir galt, ohne Harnisch und in Freiheit, als gerettet – er hatte die Gefangenschaft seiner Vergangenheit hinter sich gelassen und ein Leben in Wildnis vor sich. Doch der Wal konnte nicht mehr jagen. Er magerte zusehends ab, suchte vermutlich auch deshalb verstärkt die Nähe zu Menschen, um gefüttert zu werden.

Die norwegische Fischereibehörde entschloss sich deshalb zu einem Programm: Hvaldimir sollte geschützt, gefüttert und langsam an ein Leben in der Wildnis herangeführt werden. Nach einigen Monaten konnte der Beluga wieder jagen, sich selbst versorgen und galt als freischwimmend.

Dokufilmerin lässt das Schicksal des Wals nicht mehr los

Über diese Entwicklung mit angeblichem Happy End wollte die US-amerikanische Aktivistin und Dokufilmerin Regina Crosby einen Kurzfilm drehen. Doch ihre Recherche vor Ort, die eigentlich nur wenige Tage andauern sollte, hält bis heute an. Jetzt wendete sie sich an die Öffentlichkeit.

In einem Interview mit der BBC erzählte sie: "Nichts war, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ich wollte einfach die Geschichte eines Wals nachzeichnen, der vor dem russischen Militär in die Freiheit flieht. Ich dachte, das wäre in einer Woche erledigt."

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Aber das Leben Hvaldimirs ließ sie nicht mehr los – denn in den vergangenen zwei Jahren „hat sich niemand mehr um ihn gekümmert“. Deshalb hat Crosby eine Kampagne ins Leben gerufen: OneWhale. Dahinter steht eine Handvoll Menschen aus der ganzen Welt, die den Wal beschützen wollen. Denn, so heißt es auf der Webseite, "es ist nur eine Frage der Zeit, bis Hvaldimir wieder in Schwierigkeiten gerät".

Forderung: ein Fjord für Hvaldimir

Diese Annahme ist nicht unbegründet, wie zahlreiche Aufnahmen in sozialen Medien zeigen. Immer wieder versuchen Tourist*innen, die Hvaldimir im Meer entdecken, mit ihm zu spielen. Dadurch kann sich das Tier nicht ausreichend erholen, es ist deshalb ständig erschöpft. Dazu kommt: Der Wal hat aufgrund seiner Vergangenheit kaum Berührungsängste vor Schiffen. Er er sich im vergangenen Jahr wohl einen tiefen Schnitt auf seinem Rücken zugezogen, weil er in eine Schiffsschraube geraten ist.

Die Organisation OneWhale versucht deshalb, eine Schutzzone für Hvladimir durchzusetzen. Einer der Vorschläge ist es, einen norwegischen Fjord abzuriegeln und ihn zu einem Zufluchtsort für den Wal zu machen. Deshalb führen die Aktivist*innen um Regina Crosby seit Monaten Gespräche mit der norwegischen Regierung. Doch ihr geplantes kilometerlanges und nach eigenen Worten "gigantisches Meeressäugerreservat" stößt auf höchster politischer Ebene nicht auf viel Zustimmung. Denn offiziell sei Hvaldimir ein freilebender Wal, die derzeitige Situation daher angemessen.

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Aber das sehen nicht alle so: Zwei norwegische Gemeinden im Norden des Landes zeigen seit kurzem ernsthaftes Interesse. Sie haben sogar Gelder bewilligt, um die Auswirkungen eines solchen Reservats auf die Natur zu untersuchen. „Es gibt also grünes Licht, um die Folgen unseres Projekts zu untersuchen“, sagte Crosby im Gespräch mit der BBC. Es ist ein großer Schritt für OneWhale und das selbstgesteckte Ziel: "Unsere Mission ist es, Hvaldimir mit der Unterstützung Norwegens ein normales und friedliches Leben zu ermöglichen."

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