Aktuelle Studie untersucht - Gesund durch Schokolade? Was die Wissenschaft wirklich beweisen kann

Die Schokoladen-Debatte: Fakten, Mythen und wissenschaftliche Grenzen<span class="copyright">Getty Images/Basak Gurbuz Derman</span>
Die Schokoladen-Debatte: Fakten, Mythen und wissenschaftliche GrenzenGetty Images/Basak Gurbuz Derman

Schokolade als heimlicher Held im Kampf gegen Diabetes? Eine neue Studie wirft Fragen auf, die Ernährungswissenschaftler Uwe Knop kritisch beleuchtet.

Was die neue Schokoladen-Studie untersucht?

In der aktuellen Studie, die in einem der besten wissenschaftlichen Fachmagazine, dem BMJ (British Medical Journal) veröffentlicht wurde, haben die Forscher die Daten aus drei Beobachtungsstudien untersucht. Konkret ging es darum herauszufinden, wie der Schokoladenverzehr der mehr als 100.000 Teilnehmer mit dem Auftreten von Diabetes Typ 2 zusammenhängt.

Diese Vorgehensweise ist der wissenschaftlich sehr schwache Studienstandard der Ernährungsforschung: Man befragt Menschen nach ihrem Essverhalten und beobachtet dann einige Jahre lang, welche Studienteilnehmer welche Krankheiten entwickeln. Daraus versucht man Korrelationen (statistische Zusammenhänge) abzuleiten, um eine Hypothese zur möglichen „Ursache-Wirkung-Beziehung“ (Kausalität) aufzustellen. Es bleibt hier bei einer Vermutung, es ist also alles immer unklar und nebulös.

Welche Ergebnisse haben die Forscher geliefert?

Erhöhter Konsum von dunkler Schokolade (nicht aber Vollmilchschokolade) war mit einem geringeren Risiko für Typ-2-Diabetes verbunden. Das bedeutet aber erstmal nichts von medizinischer Relevanz. Daher endet auch diese Studie mit dem Lieblingssatz aller Ernährungsstudien zuvor: „Weitere randomisierte kontrollierte Studien sind erforderlich, um diese Ergebnisse zu reproduzieren und die Mechanismen weiter zu erforschen.“

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In den Medien war dann aber trotzdem wieder zu lesen, dass dunkle Schokolade vor Diabetes schützt oder das Risiko für Typ-2-Diabetes senkt. Das ist aber falsch, daher wird diese Studie von vielen Wissenschaftlern grundlegend kritisiert.

Warum wird die Studie von Wissenschaftlern kritisiert?

Ganz einfach: weil die Daten wieder völlig überinterpretiert werden. So spricht der Epidemiologe Prof George Davey Smith, University of Bristol, auf „Science Media Center“ Klartext: „Diese Pubilkation ist, ehrlich gesagt, sinnlos. Es ist in der Tat überraschend, einen solchen Artikel im Jahr 2024 in einer angeblich renommierten Zeitschrift veröffentlicht zu sehen.“

Prof. Kevin McConway, emeritierter Professor für angewandte Statistik an der Open University, ergänzt: „Diese Studie lässt zwangsläufig viele Fragen unbeantwortet. Das liegt daran, dass es sich um eine Beobachtungsstudie handelt und Beobachtungsstudien keine zuverlässigen Informationen darüber liefern können, was was verursacht."

So resümiert Smith: „Die Publikation könnte hervorragendes Lehrmaterial für Grundschulklassen in Epidemiologie sein, da es viele problematische Aspekte in vielen aktuellen Forschungsarbeiten zur Bevölkerungsgesundheit aufzeigt. Es ist ein weiterer Beitrag zu `Heutige zufällige medizinische Nachrichten´.“ Genau so ist es: Die Ernährungsbeobachtungsforschung liefert jeden Tag neue Hypothesen - und diese verunsichern leider viele Menschen.

Ist Schokolade nun gesund oder ungesund, was wissen wir sicher?

Sicher wissen wir nichts. Wir wissen nur, dass es zahlreiche Beobachtungsstudien gibt, die gezeigt haben: Wahrscheinlich, vielleicht, vermutlich könnte Schokoladenkonsum eher gesund als ungesund sein. Wer auf  Korrelationen vertraut, der kann Schokolade auf jeden Fall weiterhin mit einem guten Gesundheitsgewissen genießen - denn einen Nachweis für schädliche Effekte gibt es nicht.

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Dessen ungeachtet gilt das ökotrophologische Universalcredo: „Nichts Genaues weiß man nicht.“ Es gibt keine Beweise für gesunde Ernährung - das war so, das ist so und es wird wahrscheinlich auch immer so bleiben.

Warum kann die Ernährungsforschung keine Beweise liefern?

Die Ernährungsforschung ist ein „bemitleidenswerter“ Forschungszweig, weil sie - wie in der aktuellen Schokoladenstudie - nur Korrelationen (statistische Zusammenhänge) aber keine Kausalevidenz (Beweise) liefern kann. Und das ist nur der Kern zahlreicher Limitierungen.

So ist insbesondere noch das wachsweiche Datenfundament zu nennenDie Mengen an verzehrten Lebensmitteln, also die Studiengrundlagendaten, basieren stets auf den unüberprüfbaren Eigenangaben der Probanden.  Viele weitere Einschränkungen der Ernährungsforschung können Sie hier nachlesen.