Alex Dehgan auf der DLD Nature - „Der erste Billionär der Erde wird ein Klima-Billionär sein“

Alex Dehgan (Conservation X Labs) am Donnerstag auf einem Panel der DLD Nature<span class="copyright">Dominik Gigler für DLD / Hubert Burda Media</span>
Alex Dehgan (Conservation X Labs) am Donnerstag auf einem Panel der DLD NatureDominik Gigler für DLD / Hubert Burda Media

Alex Dehgan hat den ersten Nationalpark in Afghanistan aufgebaut, Schneeleoparden gerettet und zählt Walhaie mit Weltraum-Teleskopen. Jetzt will er mit dem Startup „Conservation X Labs“ weitere Wildtiere schützen - und ganz auf Technik setzen. Im Interview mit FOCUS online Earth am Rande der DLD Nature erklärt Deghan, wie man Menschen in „Superhelden“ verwandelt - und warum der erste Billionär ein Klimaschützer sein wird.

FOCUS online Earth: Herr Dehgan, Sie haben den ersten Nationalpark in Afghanistan aufgebaut, den Schneeleoparden vom Aussterben gerettet und innovative Technologien entwickelt, die Krankheiten bei wildlebenden Tieren diagnostizieren. Wie und wo hat diese Reise angefangen? 

Alex Dehgan: Seit ich 14 Jahre alt bin, arbeite ich im Bereich Naturschutz. Sorgen über unsere Umwelt habe ich mir aber schon mit acht oder neun Jahren gemacht, als ich von der Ausrottung der Wandertaube erfahren habe. Zu der Zeit lebte das letzte Exemplar dieser Art. Seit 50 Jahren schafft es der Naturschutz nicht, die großen Probleme zu lösen, die mit dem Bevölkerungswachstum weiter zunehmen. Immer mehr Menschen steigen in die Mittelschicht auf. Sie wünschen sich banale Dinge wie Klimaanlagen, Mode, Autos oder eine proteinreiche Ernährung. Ganz normale Erwartungen, mit denen jedoch Probleme wie das Artenaussterben wachsen, während unsere Lösungen linear bleiben.

„Conservation X Labs“ ist ein Unternehmen, das für genau diese Probleme Lösungen entwickeln will. Dabei setzen Sie besonders auf innovative Technologien. Welche Rolle spielt Ihrer Meinung nach Innovation und Technik im Kampf gegen den Klimawandel? 

Dehgan: Eine sehr wichtige Rolle sogar. Wir müssen Technologien nutzen, die exponentiell wachsen und sich an das Tempo und den Umfang der Probleme anpassen. Künstliche Intelligenz kann uns zum Beispiel helfen, Ressourcen besser zu nutzen. Sie kann die Effizienz um das 10- bis 1000-fache steigern – sei es in Bezug auf Zeit oder Geld. Es gibt viel Natur auf der Erde, die komplett vernachlässigt wird. Geben wir den Menschen vor Ort einfache, zugängliche und inklusive Werkzeuge, dann verwandeln wir sie in „Superhelden“ des Naturschutzes.

Sie fokussieren sich bei ihrer Arbeit besonders auf das Aussterben verschiedener Spezies. Gibt es da aktuell besonders vielversprechende Werkzeuge, die dem Artensterben entgegenwirken? 

Dehgan: Das beste Beispiel dafür das Projekt „Wild Me“. Dabei nutzen wir um fortschrittliche Bildverarbeitungstechnologie und Künstliche Intelligenz, um Wildtiere anhand ihrer einzigartigen Muster zu erkennen, zu verfolgen und so deren Schutz zu verbessern. Florida-Panther waren zum Beispiel auf nur 50 Individuen reduziert – viele davon mit genetischer Mutation. Mithilfe von unseren Kameras und Künstlicher Intelligenz können wir erkennen, ob sie eine Erkrankung haben. Wenn wir diese Tiere frühzeitig identifizieren, können wir verhindern, dass sie sich fortpflanzen und so die Krankheit weitergeben. Dieses Wissen ist entscheidend für den Schutz und die Bewahrung der Artenvielfalt.

Auch waren, als „Wild Me“ begann, nur 300 Walhaie bekannt. Ein Team aus nur vier Personen hat überlegt, ob man Walhaie anhand ihres Fleckenmusters identifizieren kann. Da das Muster der Tiere Sternen ähnelt, nutzten Sie den Algorithmus eines Weltraumteleskops, das eigentlich Bilder vom All aufnimmt – und es funktionierte. So konnten sie die Anzahl bekannter Walhaie weltweit von 300 auf über 20.000 erhöhen. Techniken wie diese hilft zu verstehen, wo die Tiere sich aufhalten und wie man sie dort am besten schützen kann.

Jetzt hat „Conservation X Labs“ sehr hohe finanzielle Mittel zur Verfügung. Wie teuer ist es denn, diese Tools zu entwickeln? 

Dehgan: Unser größter Kostenpunkt sind tatsächlich die Gehälter. KI-Fachkräfte oder molekularbiologische Experten sind sehr teuer. Außerdem gibt es ein sogenanntes „Biodiversitätsfinanzierungsdefizit“ von rund 700 Milliarden US-Dollar. Wir erhalten nur etwa zehn Prozent der Mittel, die wir tatsächlich bräuchten, um all die Umwelt-Probleme zu lösen, die es auf der Erde gibt. Aber wir wissen auch: Wenn die Technologie nicht günstig, robust und für extreme Bedingungen ausgelegt ist – sei es für ein Zolllager in Kenia oder den Wald in Madagaskar – dann haben wir keinen guten Job gemacht.

Neben Kenia und Madagaskar waren sie auch in Afghanistan und haben dort den allerersten Nationalpark des Landes gegründet. Können Sie mehr darüber erzählen? 

Dehgan: Wir haben 2019 den ersten Nationalpark Afghanistans eröffnet, der 170.000 Besucher anzog. Afghanistan hat eine unglaubliche Tierwelt, die kaum jemand kennt. Früher hatten sie mehr Katzenarten als das subsaharische Afrika. Darunter Tiger, Löwen, Schneeleoparden, persische Leoparden und Karakale. Sie haben Braunbären, Primaten, Hyänen und eine erstaunliche Artenvielfalt.

Und wie errichtet man einen Nationalpark, insbesondere in einem Land, das von humanitären Krisen betroffen ist? 

Dehgan: Eine der größten Herausforderungen waren die Landminen, da Afghanistan damals das am drittmeisten verminte Land der Welt war. Wir trugen keine Waffen mit uns und arbeiteten und schliefen in den Häusern der Menschen dort. Ohne die Einheimischen wäre das nicht möglich gewesen. Wir wussten: Wenn man in Afghanistan Sicherheit schaffen will, muss man die Umwelt schützen. Wenn man die Umgebung für die Marco-Polo-Schafe schützt, schützt man auch die Weideflächen für die Nutztiere, auf die die Menschen dort angewiesen sind.

Das Wichtigste war, dass diese Parks von Afghanen geführt und verwaltet wurden, nicht von westlichen Kräften. Und durch die enge Zusammenarbeit und den Einsatz von Überwachungstechnologien, um Daten zu sammeln und Wilderei zu bekämpfen, konnten wir zum Beispiel helfen, die Schneeleopardenpopulation zu stabilisieren und zu schützen.

So wie die lokale Zusammenarbeit mit Gemeinden wichtig ist, betonen sie auch oft, dass globale Zusammenarbeit wichtig ist, um das Artensterben zu bekämpfen. Welche Hindernisse gibt es da noch? 

Dehgan: Das größte Problem: Viele denken, dass die Natur ein „Nice to have“ ist, aber sie ist essenziell für unsere Sicherheit und unsere Wirtschaft. Früher wurde Naturschutz nur von Naturschützern betrieben. Heute sind es Ingenieure, Mediziner, Geschäftsleute, Geschichtenerzähler, auch Journalisten. All diese Menschen werden entscheidend dazu beitragen, wie wir diese Probleme tatsächlich lösen – von überall auf der Welt.

Wo sehen Sie unseren Planeten in 30 Jahren? Können wir die Wende noch schaffen, wenn wir alle zusammenarbeiten? 

Dehgan: Ich bin optimistisch. Das nächste Zeitalter von Wirtschaft, Technologie und Innovation wird die Natur und das Klima ins Zentrum stellen. Ich glaube, der erste Billionär wird wahrscheinlich ein Klimabillionär sein. Die Frage ist, ob wir schnell genug investieren, um diesen Wandel zu beschleunigen. Die Natur ist überall um uns herum. Wir sind von ihr abhängig. Wir sind Teil der Natur. Und die Natur – bzw. die Rettung dieser – eröffnet ein riesiges Feld an Innovationen.

Herr Dehgan, vielen Dank für das Gespräch.

Über die DLD Nature: Die DLD Nature Conference bringt Personen zusammen, um die Herausforderungen des Naturschutzes und des Verlustes der biologischen Vielfalt frontal anzugehen. Sie stellt die neuesten technologischen Fortschritte vor und zeigt bewährte Verfahren aus verschiedenen Branchen, um zu demonstrieren, wie Innovation und Zusammenarbeit den Weg zu einem gesünderen Planeten e bnen können. Die DLD ist eine Konferenz von Hubert Burda Media, wozu auch FOCUS online gehört.                            

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