Alle Angestellten bekommen ein Depot - Die Rente reicht nicht mehr, also plant die Regierung den großen Altersvorsorge-Wurf
Seit Jahren diskutiert Deutschland Rentenreformen, von denen keine das unter Überalterung ächzende System rettet. Jetzt plant die Bundesregierung den großen Wurf, der die Altersvorsorge solide aufstellen soll: Private Altersvorsorge für alle mit ETFs und Rentenfonds. Eine Riester-Rente 2.0, nur besser?
Als die Bundesregierung im Juli ihr Rentenpaket II beschloss, kritisierten Experten die Ampelkoalition für fehlenden Mut. Die Bundesregierung habe die Chance verpasst, eine grundlegende Reform des Rentensystems anzustoßen, sagte Steven Lischka, Geschäftsführer der Deutsche Mittelstandsversorgung. Eine nachhaltige Rentenreform erfordere vor allem mehr Förderungen der privaten Vorsorge.
Lange schiene es, als überhöre die Ampel diese Wünsche der Experten. „Eine Privatisierung der Rente lehnen wir ab“, schreibt der SPD-Vorstand in einem Papier vom Montag dieser Woche. Bereits kommende Woche könnte die Regierung laut FAZ allerdings einen Gesetzesentwurf vorlegen, der doch auf mehr private Vorsorge setzt.
Für Angestellte dürfte dieser die Altersvorsorge-Planung grundlegend verändern. Das neue System soll viele Probleme der Riester-Rente lösen und erinnert an das amerikanische Vorbild eines Altersvorsorgedepots. ETF-Sparen lohnt sich damit wohl doppelt.
Die neue Altersvorsorge: Ein Depot ergänzt die gesetzliche Rente
Die Ampel plant laut FAZ, Sparleistungen in einem Altersvorsorgedepot zu bezuschussen oder steuerlich besserzustellen. Darunter sollen auch ETF-Sparpläne, Einzelaktien und andere Fonds fallen.
Entsprechende Vorschläge hatte eine Expertengruppe vor einem Jahr erarbeitet. „Verlustrisiken können zum Beispiel dadurch reduziert werden, dass frühzeitig mit der Altersvorsorge begonnen wird und lange Anlagezeiträume erreicht werden“, schrieben die Experten. Die Ministerien arbeiten seitdem daran, die Vorschläge in Gesetze zu verwandeln.
Ähnliche Altersvorsorgepläne bieten etwa die USA ihren Bürgern: Sie können einen Teil ihres Lohns direkt in Finanzmarktprodukte anlegen. Versteuern müssen sie diese erst, wenn sie das Geld entnehmen. Dadurch bleibt ihnen mehr Gewinn, als wenn sie den Lohn erst versteuern und das Geld dann anlegen.
Wichtig: Die Ampel plant ähnliche Maßnahmen als Zusatz zur gesetzlichen Rente, nicht als Ersatz.
Die gesetzliche Rente krankt aber unter der alternden Bevölkerung. Das bis 2040 auf 48 Prozent garantierte Rentenniveau könnte nach Ablauf der Garantie deutlich absinken. Eine private Zusatzabsicherung bleibt daher für jeden Angestellten ein wichtiges Mittel gegen Altersarmut.
ETFs helfen gegen Riester-Regulierungswut und Mini-Renditen
Bereits im Jahr 2000 hatte die damalige Rot-Grüne Bundesregierung mit der Einführung der Riester-Rente Anreize für mehr private Altersvorsorge setzen wollen. Die Ergebnisse enttäuschten die meisten Sparer jedoch. Trotz langer Sparphasen bekamen sie im Ruhestand wenig zurück.
Das System litt unter zu vielen Auflagen. „Wir setzen auf Aktien“ entwickelte sich schnell zu „Und was, wenn die Banken mit dem Geld zocken?“ Der Kompromissversuch unvereinbarer Absichten scheiterte zwangsläufig: Weil der Staat von Riester-Anbietern verlangte, Anlegern im Alter mindestens das eingezahlte Geld bereitzustellen, setzten die Anbieter auf sichere, aber wenig rentable Anlagen. Das hätten Anleger auch selbst gekonnt. Ohne Gebühren.
Seitdem hat sich durch den Aufstieg der ETFs vieles an Finanzmärkten geändert: Niedrige Gebühren, einfaches Anlegen, garantiert keine Zockerei. Zwar bleiben Verluste möglich. Über lange Zeiträume fuhren Anleger in der Vergangenheit aber immer satte Gewinne ein. Heute klappt der vor einem Vierteljahrhundert noch unmögliche Kompromiss. Zeit für einen neuen Anlauf, meinen Politik und Experten daher.
Zehn Euro monatlicher Sparbetrag bringen schnell Hunderte Euro Zusatzrente
Bringt das neue System mehr Menschen in Aktien-Sparformen, sichert es sie wohl tatsächlich solide fürs Alter ab. Ein Beispiel:
Wer 20 Euro monatlich in einem ETF spart und sechs Prozent Rendite erzielt, spart über ein Arbeitsleben von 45 Jahren mehr als 40.000 Euro. Hebt er davon im Rentenalter nur die Rendite ab, hat er rund 200 Euro pro Monat extra.
Wer 40 Euro spart, hat 400 Euro extra. Wer 100 Euro spart sogar 1000 Euro.
Brutto wohlgemerkt. Derzeit verlangt die Bundesregierung 25 Prozent Steuern auf Aktiengewinne über einem Freibetrag. 2000 Euro brutto entsprechen also 1500 Euro netto. Trotzdem sichert lebenslanges ETF-Sparen schon nach dieser Rechnung vor sinkenden gesetzlichen Renten. Verbessert die Regierung die Rendite durch Zuschüsse und Steuererleichterungen, lohnen sich ETFs noch mehr.
Viele ETFs stiegen in der Vergangenheit stärker als sechs Prozent. Renditen von acht bis zehn Prozent blieben keine Seltenheit. Im Gegenzug verlangen ETFs meist nur Gebühren von deutlich unter einem Prozent.
Mehr Flexibilität bei der Auszahlung – und mehr Risiko
Die Riester-Rente garantiert Auszahlungen bis ans Lebensende. Künftig dürfte die Bundesregierung auf mehr Flexibilität setzen: Die Experten fordern eine Option auf höhere Teilauszahlungen und Verrentungspläne, die nur „einen hohen Anteil der erwarteten Rentenzeit“ abdecken, aber nicht die gesamte.
Schlimmstenfalls leben Rentner also noch Jahrzehnte, nachdem ihnen das Geld ausgeht. Die Eigenverantwortung steigt.
Berechnungen zeigen, dass eine Sparsumme von 35.000 Euro – das derzeitige Durchschnitts-Finanzvermögen von Haushalten zwischen 65 und 74 Jahren – selbst bis ins hohe Alter reicht. Wer zum Ruhestandsbeginn sein Geld aber für eine Weltreise abhebt, hat danach weniger. Diese Punkte zu regeln, ohne den Plan zu einer Riester-Rente-ähnlichen Wirkungslosigkeit zu verurteilen, dürfte eine der Knackpunkte des Entwurfs werden.
Versicherungsverbände werben daher für mehr Garantien. Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), schlägt als Kompromiss etwa eine lebenslange Leistung mit zu 80 Prozent garantierten Beiträgen vor.