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Alle gegen die AfD

Vor der Bundestagswahl machen die Parteien gegen die AfD mobil. Die lässt das unbeeindruckt. Ihre Spitzenkandidaten Weidel und Gauland werben stattdessen in Berlin mit ihrem Lieblingsthema um die Gunst der Wähler.

Immer deutlicher dämmert es den etablierten Parteien, was am kommenden Sonntag wohl bittere Realität werden wird. „In 7 Tagen können wir uns aufregen, dass rechte Hetzer im Bundestag sitzen. Oder wir können diese 7 Tage nutzen, das zu verhindern“, schreibt der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz auf Twitter. Verhindern scheint jedoch angesichts der Umfragelage ein Ding der Unmöglichkeit.

Im „Sonntagstrend“ des Emnid-Instituts für die „Bild am Sonntag“ ging der dritte Platz an die AfD, die um zwei Punkte auf 11 Prozent zulegte. Dahinter lagen die Linke (10 Prozent), FDP (9 Prozent) und die Grünen (8 Prozent). Die Union kam auf 36 (minus 1) und die SPD auf 22 Prozent (minus 2). In früheren Umfragen wurde die AfD ebenfalls stets um die 10 Prozent gelistet. Damit wäre alles andere als ein Einzug der Partei in den Bundestag eine Überraschung.

Entsprechend selbstbewusst geben sich die Spitzenkandidaten Alice Weidel und Alexander Gauland. Vor rund 80 Hauptstadtjournalisten in der Berliner Bundespresskonferenz skizziert der AfD-Bundesvize schon mal, was seine Partei in jedem Fall ändern wolle. Mit der AfD werde es im Bundestag eine neue Debattenkultur geben. „Wir werden die Alternative gegen diesen Einheitsbrei sein“, sagte Gauland. „Wir werden das Parlament als Resonanzboden wieder herstellen.“

Und Gauland liefert gemeinsam mit Weidel einen Vorgeschmack darauf, was die anderen Parteien künftig in der parlamentarischen Auseinandersetzung erwartet. Auf den letzten Metern bis zur Bundestagswahl trommeln beide noch einmal für das Lieblingsthema der AfD, die Flüchtlingspolitik.

Gauland spricht von einer „zunehmenden Islamisierung“ in Deutschland, der sich die Politik stellen müsse. Zumal, wie er betont, der orthodoxe Islam mit dem hiesigen Staatsverständnis nicht vereinbar sei. Es verbiete sich daher, den Islam „unter der Doktrin der Religionsfreiheit zu betrachten“. Auch wenn Gauland der Mehrheit der Muslime in Deutschland zugesteht, sich rechtstreu zu verhalten, hat er „bedenkliche Veränderungen in unserer Gesellschaft“ ausgemacht.

Der AfD-Politiker, der dem rechten Parteiflügel zugerechnet wird, nennt die vielen Parallelgesellschaften, die sich inzwischen gebildet hätten und hunderte Moscheen, in denen Imame predigten, ohne das die Sicherheitsbehörden Kenntnisse über die Inhalte hätten. Was daraus folgt, hat die AfD in einem Papier mit dem Titel „Der Islam als politische Herausforderung“ niedergeschrieben.

Grob gesagt strebt die Partei darin an, dem Islam und seinen Vertretern die Grundlagen für ihr religiöses Wirken zu entziehen. Aber auch im Justizbereich will die AfD Konsequenzen ziehen, weil die innere Sicherheit „ständig“ abnehme, wie Weidel sagt. „Öffentliche Räume werden zusehends zu Risikoräumen, insbesondere für Frauen.“ Sie selbst könne mit ihrer aus Sri Lanka stammenden Lebensgefährtin „nicht mehr durch muslimische Viertel gehen“.

Für Weidel liegt auf der Hand, dass Deutschland inzwischen zu einem „sicheren Hafen für ausländische Kriminelle“ geworden sei. Um das Problem in den Griff zu bekommen, will die AfD künftig nicht nur die Kompetenzen des Bundes in der Polizeiarbeit stärken. Sie will im Ausland Gefängnisse unter deutscher Leitung eröffnen. Dort sollen dann, so der von Weidel skizzierte Plan, Ausländer, die in Deutschland straffällig geworden seien, untergebracht werden. Nach Verbüßung der Haftstrafe sollten sie dann direkt von dort in ihre Heimatländer abgeschoben werden. Auf die Frage, wie die AfD andere Staaten dazu bewegen wolle, derartige Haftanstalten auf ihrem Territorium zu dulden, antwortete ihr Parteikollege Roman Reusch: „mit Geld“.

Auch wenn die Überlegungen realitätsfern erscheinen mögen, könnte das dahinter stehende Kalkül der Partei, in der Wählergunst noch einmal zuzulegen, aufgehen. Aber nicht nur, weil Weidel und Gauland wieder die Flüchtlingskeule schwingen. „Thematisch eint die AfD-Wähler, neben der Skepsis gegenüber der Bundeskanzlerin, die Kritik an der Flüchtlingspolitik, die Angst vor Islamisierung und der Protest gegen die Euro-Rettungspolitik“, sagte der Chef des Meinungsforschungsinstituts Insa, Hermann Binkert, dem Handelsblatt. „Keine andere Wählergruppe lehnt die Aussage der Kanzlerin, der Islam gehöre zu Deutschland, entschiedener ab.“

Umso größer sind die Sorgen der etablierten Parteien, dass die AfD soweit erstarken könnte, dass sie am Wahlsonntag auf dem dritten Platz hinter Union und SPD landet und damit die Rolle der Oppositionsführerin für sich beanspruchen kann. Parteiübergreifend scheint daher nun die Devise zu gelten: Alle gegen die AfD. Und es sind nicht nur Union, SPD, Linke, Grüne und die FDP, die sich klar gegen die AfD positionieren, sondern auch Vertreter der Wirtschaft, Gewerkschaften oder die Kirchen, wie der folgende Überblick zeigt.


Parteien gegen die AfD

Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner ist überzeugt, das Rennen um den dritten Platz im Bundestag werde sich zwischen seiner Partei und der AfD entscheiden. Es dürfe aber nicht sein, betont er am Sonntag bei FDP-Parteitag in Berlin, dass die Opposition im Bundestag von einer Partei mit „völkisch-autoritärem“ Gedankengut geführt werde. Bei einer kleinen Koalition wäre die SPD Oppositionsführerin. Und eine Große Koalition brauche die FDP als Oppositionsführerin.

Auch anderen Parteien bereitet der nach allen Umfragen absehbare Wahlerfolg der AfD zunehmend Sorgen. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz sprach im „Tagesspiegel“ von einer „Zäsur“ und „Schande für Deutschland“. „Unser Ansehen in der Welt würde dadurch schwer beschädigt.“ Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“, jeder AfD-Sympathisant sollte wissen: „Es sind Verfassungsfeinde, die da vor den Toren des Bundestages stehen.“ Es sei „schwer erträglich, wenn zum ersten Mal nach 1945 wieder Rechtsextreme am Rednerpult im Reichstagsgebäude stehen sollten“.

Linken-Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht warnte in den „Nürnberger Nachrichten“, die AfD brächte „Halbnazis oder sogar richtige Nazis“ mit. „Ich finde, man sollte unbedingt verhindern, dass solche Typen in Zukunft als erste auf die Kanzlerin antworten können.“

In der Union gibt man sich deutlich zurückhaltender. Fraktionschef Volker Kauder (CDU) schloss lediglich eine Koalition mit der AfD aus. Und CSU-Chef Horst Seehofer lehnt es im Gespräch mit dem Handelsblatt ab, „pausenlos über die AfD zu reden“. „Vielmehr müssen wir die Probleme lösen, die die Menschen bewegen“, sagte er. Totschweigen wolle er die AfD aber nicht, fügte der bayerische Ministerpräsident hinzu. „Aber die Strategie, die Partei nicht in den Mittelpunkt zu stellen, ist richtig.“


Wirtschaft und Ökonomen gegen die AfD

Für die Arbeitgeberverbände steht außer Frage, dass ein Einzug der AfD in den Bundestag dem Wirtschaftsstandort Deutschland eher schaden als nutzen dürfte. „Deutschland ist ein weltoffenes Land“, sagte BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter kürzlich der „Passauer Neuen Presse“. „Die Wirtschaft und auch die Beschäftigten sind daran interessiert und darauf angewiesen, mit vielen Partnern in der Welt zusammenzuarbeiten. Dazu passen dumpfe und nationalistische Parolen überhaupt nicht!“

Auch Ökonomen stellen sich deshalb gegen die AfD. „Fremdenfeindliche Aussagen von Parteien, die in Parlamenten vertreten sind, können ähnlich wie fremdenfeindliche Übergriffe Investoren abschrecken“, sagte der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest, dem Handelsblatt. Ähnlich äußerten sich der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, und der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher.

Fuest sagte, mit einem Einzug der AfD ins bundesdeutsche Parlament würden auch die Regionen in das Blickfeld der internationalen Öffentlichkeit rücken, in denen die Partei besonders stark sei. Dies sind vor allem ostdeutsche Gegenden, etwa die sächsische Schweiz. Aber auch die baden-württembergische Stadt Pforzheim ist eine Hochburg der Rechtspopulisten. „Viele Investoren werden überlegen, ob es ihnen gelingen wird, Mitarbeiter aus anderen Regionen oder Ländern zum Umzug an den Investitionsstandort zu bewegen“, sagte Fuest.

IW-Chef Hüther nannte es falsch, die AfD für eine wirtschaftsliberale Partei zu halten. „Es gibt in einer Partei, die auf Abschottung, Fremdenfeindlichkeit und Hass setzt, keine Reservate des Liberalismus.“ Sollte die AfD die drittstärkste Fraktion stellen, wäre dies eine Belastung für den Standort Deutschland, ergänzte er. DIW-Präsident Fratzscher sprach von einem „Risiko für die Wirtschaftspolitik“. Die Gefahr sei groß, dass die künftige Bundesregierung auf von der AfD forcierte populistische Debatten eingehen werde und sich nicht auf wirtschafts- und sozialpolitische Reformen konzentriere.


Gewerkschaften gegen die AfD

Auch für DGB-Chef Reiner Hoffmann gibt es kein Vertun beim Umgang mit der AfD. „Rassismus und Worte aus den unseligsten Zeiten deutscher Geschichte destabilisieren die Gesellschaft und gefährden den Erfolg des Wirtschaftsstandorts Deutschland“, sagte Hoffmann dem „Tagesspiegel“.

In früheren Interviews warf Hoffmann der AfD zudem vor, europafeindlich und „zutiefst gewerkschaftsfeindlich“ zu sein. Sie verspreche eine Politik für den kleinen Mann. „Aber diese Partei wird niemals eine Interessenvertretung für die Arbeitnehmer in Deutschland sein können“, sagte Hoffmann im April der „Passauer Neuen Presse“. Die AfD schlage Kapital daraus, dass es trotz eines robusten Arbeitsmarkts viel Unzufriedenheit gebe und jeder Fünfte im Niedriglohnsektor mit weniger als 9,60 Euro pro Stunde arbeite.

Eine Wahlempfehlung wolle er aber nicht geben, betonte Hoffmann. „Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften sind überparteilich.“ Man werde aber „sehr wohl deutlich machen, was wir inhaltlich von den Parteien erwarten“.


Kirchen gegen AfD

Die Kirchen sind sich in der AfD-Frage einig: Mit dem christlichen Glauben ist die Partei nicht vereinbar. Der Berliner Bischof Markus Dröge nutzte den Evangelischen Kirchentag in Berlin als Forum um gegen die AfD mobil zu machen. „Ich kann mich als Christ nicht in einer Partei engagieren, die Ängste dramatisiert, Misstrauen sät und Ausgrenzung predigt“, sagte Dröge seinerzeit bei einer bereits zuvor heftig kritisierten Diskussion mit Anette Schultner vom Bundesverband Christen in der AfD.

Die Partei missbrauche Christen als Feigenblatt, sagte der Bischof. „Es steht kein christliches Menschenbild im Parteiprogramm der AfD.“ Statt Lösungen für Probleme zu finden, provoziere und agitiere die AfD und mache Menschen Angst.

Die AfD-Frau Schultner warf der evangelischen Kirche indes vor, ein Arm linker Parteien in die Gesellschaft zu sein. Statt sich um die Verbreitung des Glaubens zu kümmern, übernehme die Kirche die Rolle eines politischen Spielers und mische sich in staatliche Angelegenheiten ein. Der Kirchentag erinnere an einen Parteitag der Grünen. Es werde viel über Politik, aber wenig über das Evangelium geredet.

Die Katholischen Bischöfe vertreten indes ebenfalls die Auffassung, dass Programmatik und Vorgehen der AfD nicht mit christlichen Werten vereinbar seien. „Wir distanzieren uns klar vom populistischen Vorgehen und vielen inhaltlichen Haltungen der Partei“, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, Anfang März zum Abschluss der Frühjahrsvollversammlung der Bischöfe in Bergisch Gladbach.

Marx betonte zwar, die Bischöfe wollten keine Wahlempfehlung geben und auch die AfD nicht stigmatisieren. Aber es gebe für Christen rote Linien bei der Wahl einer Partei: Inakzeptabel seien pauschale Ausländerfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus, Verunglimpfung anderer Religionsgemeinschaften, Hass und Gleichgültigkeit gegenüber den Armen. Ein politisches Agieren, das Ängste vor Überfremdung schüre und einseitig nationale Interessen betone, sei mit der christlichen Perspektive nicht vereinbar.