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Alles Gute, du dumme Sau: Klaus Kinski wäre 90 geworden

Kritikfähig sein, die Meinungen anderer respektieren und besonnen durch den Alltag schreiten - Klaus Kinski war die Antithese all dieser Tugenden. Aber fernab seiner legendären Wutausbrüche, die er stets mit garstiger Fratze herausspie, und des Scheusals, als das ihn seine Tochter Pola vor einigen Jahren entlarvte, war er nun mal ein großartiger Schauspieler. Einer, der die Bezeichnung "großartig" noch als Beleidigung auslegte - schließlich, so der "liebste Feind" von Regisseur Werner Herzog einst gewohnt aufbrausend, seien seine Leistungen nicht minder als epochal, als monumental. Am 18. Oktober wäre die Bescheidenheit in Person 90 Jahre alt geworden.

Kinski, der gutbürgerliche Gossenjunge

Sich selbst sah Kinski gerne als den missverstandenen Underdog, den Schuhputzer und Laufburschen, dem es gelang, ein Schauspiel-Monument mit seinem Namen darauf zu errichten. Gerne betonte er, aus welch ärmlichen Verhältnissen seine Genialität entsprang - eine Armut, von der seine Geschwister rein gar nichts mitbekommen haben wollen. Gutbürgerlich sei die Jugend des umhegten Klaus und seinen beiden älteren Brüdern Arne und Hans-Joachim, sowie seiner Schwester Inge gewesen, heißt es stattdessen in einem Bericht des "Spiegels". Dem geltungssüchtigen Kinski war die Wahrheit aber nicht dramatisch genug, so scheint es.

Kinski, der Kriegsgefangene

Sehr wohl der Wahrheit entspricht es, dass Kinski während des Zweiten Weltkriegs als blutjunger Fallschirmjäger in britische Kriegsgefangenschaft geriet. Im "Camp 186" im englischen Colchester war es auch, wo Kinski das erste Mal eine Bühne betrat. Einem alten Spielplan ist zu entnehmen, dass ein gewisser Klaus Nakszynski, so Kinskis bürgerlicher Name, bei der Groteske "Pech und Schwefel" mitwirkte. Sein erstes Publikum bestand damit aus Kriegsgefangenen.

Kinski, die "Ein Mann Wanderbühne"

Nach Ende des Krieges spielte (und wütete) Kinski in verschiedenen Theatern Deutschlands. Ab 1952 machte er sich auch in Österreich einen Namen als "Ein Mann Wanderbühne". Alleine auf der Bühne rezitierte er Literaten wie Friedrich Nietzsche, Kurt Tucholsky oder Arthur Rimbaud. Aber auch das Neue Testament brachte Kinski auf die Bühne - und wähnte bei einem berühmten Tobsuchtsanfall zu wissen, dass Jesus "eine Peitsche genommen", und einem Kritiker damit "in die Fresse gehauen" hätte. "Das hat er gemacht, du dumme Sau!"

Kinski, der liebste Feind

Wie das Yin und Yang des deutschen Kinos wirkte die Hassliebe zwischen Wüterich Kinski und dem stoischen Filmemacher Werner Herzog. Doch auf ihre jeweils ganz eigene Art wahnsinnig waren sie beide bei ihren zahlreichen Kollaborationen - vielleicht verstanden sich die Brüder im Geiste deshalb auch so gut. Da drohte Herzog während der Dreharbeiten von "Aguirre - Der Zorn Gottes", zuerst Kinski und dann sich selbst abzuknallen, sollte der Mime den Dreh abbrechen. Wenig später lagen sich die beiden schon wieder in den Armen. Es heißt, würde sich eine Frau an die Schmerzen der ersten Geburt lebhaft erinnern können, würde sie nie und nimmer ein zweites Kind bekommen wollen. Ähnlicher Sachverhalt traf wohl auch bei Herzog zu, der trotz aller Widrigkeiten in fünf seiner Filme mit Egomane Kinski als Hauptdarsteller schwanger ging.

Kinski, das Monster

Dass ein Choleriker wie Kinski ein durch und durch gefürchteter Vater war, für diese Erkenntnis muss man kein Psychologe sein. Doch schockte Tochter Pola 2013 in ihrem Buch "Kindermund" mit grausamen Offenbarungen, die man selbst einem so oft unter Beweis gestellten Ekel wie Kinski nicht zutrauen wollte. Er habe sie jahrelang missbraucht, erstmals, als sie gerade einmal neun Jahre alt war, heißt es in der Autobiografie. Von der Hand zu weisen ist nicht, dass Kinski selbst in seiner Biografie immer wieder Inzest-Phantasien äußerte, auch mit seiner Schwester Inge. Doch wie fast immer in seinem Leben, so der Anschein, hatte Enfant Terrible Kinski auch bei seinen Geständnissen die Narrenfreiheit für sich gepachtet.

Foto(s): Studiocanal, Studiocanal