„Alltägliches Problem“ - Nach Lkw-Horrorfahrt machen Ermittler verräterische Entdeckung im Fahrerhaus
Ein Lkw-Fahrer verursachte auf Autobahnen in NRW mehrere Unfälle, es gibt mehrere lebensgefährlich und schwerverletzte Opfer. Wie FOCUS online aus Ermittlerkreisen erfuhr, fanden sich in dem Fahrerhaus des Polen Tabletten, hochprozentiger Alkohol nebst weißem Pulver.
Als die Autobahnpolizei den Lkw-Fahrer aus Polen nach seiner Unfallserie mit rund 50 beschädigten Autos am Samstagnachmittag aus seinem demolierten Fahrerhaus herausholten, wirkte er benommen, aber schien unverletzt. Während der 30-jährige Trucker auf der A 1 zwischen Volmarstein und Hagen medizinisch versorgt wurde, durchsuchte die Polizei den Lastwagen. Wie FOCUS online aus Ermittlerkreisen erfuhr, fanden sich in dem Fahrerhaus Tabletten, hochprozentiger Alkohol nebst weißem Pulver. Letztere Substanz wird derzeit noch untersucht. Auch wurde mit dem Fahrer ein Alkohol- und Drogentest durchgeführt. Es werde noch etwas dauern, ehe ein Ergebnis vorliege, berichtete ein Polizeisprecher aus Düsseldorf.
Lkw-Fahrer in NRW verusacht Unfallserie: Viele verletzte Opfer
Wie weiter zu erfahren war, berichtete der Unfall-Trucker in einem vorläufigen Verhör, dass er mit psychischen Problemen zu kämpfen habe. Offenbar soll der Wagenlenker unter Wahnvorstellungen leiden. Die Arzneien, die man ihm verschrieben hatte, will er abgesetzt haben. Nach seinen Angaben zeigten die verordneten Medikamente bei ihm nicht die gewünschte Wirkung. Inzwischen ließ ihn die Staatsanwaltschaft in einer psychiatrischen Klinik einweisen. Immer wieder beteuerte der Beschuldigte, er habe niemanden schädigen wollen.
Die Bilanz seiner Horrorfahrt sieht anders aus. Laut dem Polizeisprecher wurden eine Person lebensgefährlich, sieben Menschen schwer und weitere elf Menschen leicht verletzt. Der Behördensprecher widersprach allerdings Berichten, dass es sich um eine Amokfahrt handeln könnte. „Dafür gibt es bisher keine Hinweise.“
Am Samstagnachmittag hatte der 30-jährige Pole von Neuss an eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Der Mann fuhr mit seinem Lkw Schlangenlinien, erst auf der A 46, dann auf der A1. Nach entsprechenden Hinweisen klemmte sich die Autobahnpolizei hinter ihn, suchte ihn zu stoppen. Doch der Brummi-Fahrer reagierte nicht. Im Gegenteil: Mit überhöhtem Tempo raste er über die Autobahn. Die Lage eskalierte. Die Polizei warnte per Verkehrsfunk die Autofahrer, von der Autobahn abzufahren, zudem wurden weitläufige Sperren auf der A1 errichtet.
Ermittler suchen nach weiteren Zeugen und Geschädigten
Immer wieder rammte der flüchtige Lkw andere Fahrzeuge, nachdem er auf die A1 gewechselt war, geriet der Crash-Pilot laut Polizei auf die Gegenfahrbahn. Nach etlichen Zusammenstößen mit anderen Autos ging es nicht mehr weiter. Der Lkw kam zum Halten. Kurz darauf erfolgte die Festnahme. Auf der Homepage des Landeskriminalamts ist ein Hinweisportal geschaltet, die Ermittler suchen so nach weiteren Zeugen und Geschädigten.
Immer wieder sorgen Lkw-Fahrer mit solchen Unfallfahrten für Schlagzeilen. Im Jahr 2022 war ein Syrer zu neun Jahren Haft verurteilt worden, weil er mit einem Laster in die Limburger Innenstadt gerast war und 18 Menschen verletzt hatte.
Mit drei Promille im Blut hatte ein Trucker mit seinem Sattelzug eine Unfall-Serie mit sechs Fahrzeugen auf einer Landstraße nahe Heilbronn verursacht. Er musste 2021 für zwei Jahre und drei Monate ins Gefängnis.
Mitte August 2024 nahm die Autobahnpolizei einen betrunkenen Brummi-Fahrer auf der B9 nahe Dormagen fest. Auf der Wache begann der 54-jährige Tatverdächtige aus Wiesbaden zu randalieren, als er einen Alkoholtest absolvieren sollte. Gleich mehrfach trat er nach den Polizisten. Die Nacht verbracht er in einer Ausnüchterungszelle.
Gewerkschaft der Polizei sieht „alltägliches Problem“
„Alkohol, Drogen oder Aufputschmittel am Steuer bei Lkws sind leider ein alltägliches Problem“, weiß Michael Mertens, NRW-Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), „das liegt aber auch häufig am Druck, dem die Trucker durch ihre Speditionen ausgesetzt sind“. Liefertermine gehen oft vor gesetzlichen Ruhezeiten. Mertens forderte zudem mehr Personal der Polizei, „um die Kontroll- und Sicherheitsmaßnahmen auszuweiten und den Firmen als auch den Fahrern klar zu machen, dass sie ein hohes Risiko eingehen, wenn sie nicht die Regeln einhalten und nüchtern hinterm Steuer sitzen“.