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Der Alte

Clint Eastwood, der in den vergangenen Jahrzehnten seine Karriere noch einmal zum Blühen brachte und die Filmpreise sammelt wie andere Menschen Briefmarken, wird am 31. Mai 90 Jahre alt. Ans Aufhören denkt er offenbar noch lange nicht.

In "The Mule", seinem letzten Film in den deutschen Kinos, spielte Clint Eastwood einen Blumenzüchter, der im hohen Alter zum Drogenkurier wird. Zufällig gerät er hinein ein das gefährliche Geschäft und kann dann einfach nicht mehr aufhören. Weil er so gut ist in dem, was er da tut. Immer weiterzumachen und dabei nie nachzulassen - das beschreibt auch Eastwoods eigenes Leben perfekt.

Das Drehbuch seiner Lebensgeschichte dürfte ihm selbst gefallen. Clint Eastwood liebt die etwas spröden Stoffe, die kernige Einzelgänger plötzlich doch noch zum Glänzen bringen und in denen jeder seine zweite Chance beim Schopf packen kann. Vom Studienabbrecher, dessen Familie gezwungen war, während der Depressionszeit Arbeit suchend durch die Weiten des amerikanischen Westens zu ziehen, hat es der unbeugsame 1,90-Meter-Hüne zu einem der bestbezahlten und erfolgreichsten Hollywood-Stars geschafft. Und zwar zu einem, der zu Recht stolz sein kann auf sein Lebenswerk, der nicht allzu viele Kompromisse machen musste. Von Clint Eastwood, der am 31. Mai 90 Jahre alt wird, kann man lernen, wie man in Würde älter wird - und lange jung bleibt.

Man muss gar kein großer Filmkenner sein, um der Lebensleistung des zurückhaltenden, im Alter immer milder gewordenen Kaliforniers Respekt zu zollen. Mit den Oscar-Erfolgen "Mystic River", "Million Dollar Baby", aber auch gefeierten cineastischen Meisterwerken wie "Gran Torino" oder den beiden Kriegsfilmen "Flags of Our Fathers" und "Letters from Iwo Jima" brachte Eastwood allein in den letzten Jahren gleich mehrere bemerkenswerte Filme in die Kinos - abwechselnd als Produzent, Regisseur und Schauspieler. Und die kreative Unruhe des Hollywood-Seniors ist ungebrochen. Er möchte weiter Filme machen, zuletzt verfilmte er mit "Der Fall Richard Jewell" die Geschichten des Atlanta-Attentats von 1996 (aufgrund der Corona-Pandemie wurde der deutsche Kinostart auf unbestimmte Zeit verschoben).

Über Umwege zum Weltstar

Vielleicht liegt diese ansteckende Energie - Eastwood ist etwa berühmt und bei seinen Geldgebern beliebt dafür, dass er seine Drehprojekte manchmal sogar vor Ablauf des berechneten Produktionsplans fertigstellt - auch daran, dass er ein klassischer Spätzünder ist. Ein Mann, der offenbar vieles schaffen möchte, weil er einiges aufzuholen hatte. Nach eher bescheidenen Anfängen als TV-Star - Eastwood saß für über 200 Episoden der Westernserie "Tausend Meilen Staub" im Sattel - wurde er über einen Umweg weltberühmt. Weil dem italienischen Regisseur Sergio Leone das Geld fehlte, teure Hollywoodstars wie Henry Fonda oder James Coburn zu verpflichten, wurde er auf den zuvor wenig beachteten, allerdings sehr gut aussehenden Nebendarsteller Eastwood aufmerksam.

Der Beginn einer Legende: Seine Rollen in den drei Leone-Western "Für eine Handvoll Dollar", "Für ein paar Dollar mehr" und "Zwei glorreiche Halunken" machten den wortkargen Schützen zum Weltstar. Die Erfolge lösten nicht nur die Italo-Western-Welle aus, sondern verhalfen Eastwood zu einer strahlenden Rückkehr nach Hollywood. Mit der "Dirty Harry"-Reihe von Don Siegel wurde er zur Ikone, bejubelt allerdings auch von der extremen Rechten. Obwohl Eastwood selbst Präsidenten wie Richard Nixon und später Ronald Reagan unterstütze und auch dem Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney mit einem bizarren Wahlkampfauftritt zum Sieg verhelfen wollte, ließ er sich nie vereinnahmen. Den Irakkrieg der Amerikaner kritisierte er scharf, und auch für Donald Trump. den er im Wahlkampf noch unterstützt hatte, fand er zuletzt bittere Worte.

Seine Unabhängigkeit reklamiert er auch in künstlerischen Belangen: Clint Eastwood flößt Respekt ein. Er weiß, dass er einer der letzten großen noch lebenden Schauspieler Hollywoods ist, die niemals Teil der Maschinerie wurden, sondern noch die Macht besaßen, sich Freiheiten zu nehmen. Seit fünf Jahrzehnten, sein halbes Leben lang, dreht Eastwood Filme, die man zugegebenermaßen nicht alle mögen muss. Was er im Übrigen niemandem verübelt: "Schließlich werde ich auch kompromissloser, je älter ich werde." Dennoch zählen gerade seine jüngsten Filme zu den besten, die er gemacht hat.

"Ich mag Typen, die sich nicht unbedingt politisch korrekt verhalten"

Eastwood gelang ein kleines Wunder, als er in den 90-ern begann, sein eigenes Älterwerden mehr oder weniger augenzwinkernd zu thematisieren. Lange Zeit war er der einzige der eher älteren Garde, dem eine erfüllte zweite Kamerakarriere gelang. In Filmen wie "In The Line Of Fire" oder "Unforgiven" verkörperte er vom Leben gezeichnete Figuren. "Ich mag es, wenn sie Schwächen haben. Und ich mag Typen, die sich nicht unbedingt politisch korrekt verhalten." Besonders humorvoll nahm er seinen Status als alter Knacker im Science-Fiction-Film "Space Cowboys" auf die Schippe. Drei alternde Air Force Piloten sehnen sich nach ihrem letzten wichtigen Flug. Tommy Lee Jones und James Garner spielten weitere Rollen.

1971 begann er damit, Filme zu inszenieren. "Play Misty For Me" war die Vorlage für "Eine verhängnisvolle Affäre". Mit dem harten Western "Erbarmungslos" gewann er seinen ersten Regie-Oscar. Als er ihn das zweite Mal für "Million Dollar Baby" im Empfang nahm, war er mit 74 Jahren der dienstälteste Regisseur, der jemals die begehrte Trophäe erhielt. Den Rekord muss man ihm erst einmal wieder nehmen. Außerdem ist Eastwood bislang der einzige der mächtigen Hollywood-Heroen, die sowohl als Regisseur als auch als Produzent je zwei Oscars verliehen bekamen. Kein Wunder, dass sich die Darsteller darum reißen, im jeweils neuesten Eastwood-Film mitzumachen, gelten sie doch als sicheres Ticket in Richtung Blitzlichtgewitter. Für die Hauptrolle seines neuesten Films "Der Fall Richard Jewell", der wohl noch in diesem Jahr in den Kinos starten wird,

Der kantige Kalifornier selbst mag den glatten Glamour der Traumfabrik dagegen gar nicht, geht selten auf Partys. "Unheimlich viele gute Filme laufen einfach nicht, und viele schlechte laufen. So ist das mit Hollywood." Was nicht immer am Publikum liegen muss. Auch mit den Majors hat er sich schon angelegt. Und er wird es weiter tun, wenngleich in langsamerem Takt. Es habe eine Zeit gegeben, da ging ihm die Arbeit über alles. "Jeder stellt irgendwann einmal in seinem Leben die Karriere über das Privatleben. Es ist ein seltenes Geschenk, beides gleich gut zu bewältigen." Eine Lebensbilanz, die sich auch auf der Leinwand gut anhören würde.