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Alternative zu Russland: Rettet uns ein riesiges Erdgasfeld vor Zypern?

Die Gasvorräte von Zypern belaufen sich auf 510 Milliarden Kubikmeter. - Copyright: Christos Kizas / EyeEm
Die Gasvorräte von Zypern belaufen sich auf 510 Milliarden Kubikmeter. - Copyright: Christos Kizas / EyeEm

Auch wenn die sommerlichen Temperaturen für Schweißausbrüche sorgen, machen sich Experten und die Bundesregierung bereits Sorgen, ob die Deutschen im Herbst und Winter eventuell frieren müssen – oder Industriezweige ob eines Gasmangels in Schwierigkeiten geraten. Doch es gibt quasi mittlere Entwarnung: Der russische Präsident Wladimir Putin hat die Liefermengen von russischem Gas zwar stark reduziert. Doch die deutschen Gasspeicher sind schon zu 75 Prozent gefüllt, und das sogar zwei Wochen früher als geplant. Am 1. Oktober sollen die Gasspeicher zu mindestens 85 Prozent und am 1. November zu mindestens 95 Prozent gefüllt sein.

Der Geschäftsführer der Initiative Energien Speichern (INES), Sebastian Bleschke, sprach entsprechend von einer „guten Perspektive“, betonte aber auch, dass damit nur das Zwischenziel erreicht wurde. Mit Blick auf die Heizsaison im Herbst und den geplanten Gasfüllstand von 95 Prozent äußerte er sich besorgt. Angesichts der stark reduzierten Gasimporte könne es gut sein, dass dieses Ziel verfehlt werde.

Bei normalen Temperaturen und den reduzierten Gaslieferungen über Nord Stream 1, könne das gespeicherte Gas schon im März oder April nächsten Jahres aufgebraucht sein, warnte Bleschke. Zudem könne es passieren, dass an besonders kalten Tagen die Gasentnahme aus dem Netz so hoch würde, dass das Gas in den Speichern nicht ausreiche, um den Bedarf zu decken.

Liegt eine Lösung vor Zypern?

Vor der Südostküste der Mittelmeerinsel Zypern liegt das Erdgasfeld Aphrodite. Dort lagern laut "Handelsblatt" schätzungsweise 130 Milliarden Kubikmeter Gas. Die Lagerstätte Calypso nordwestlich von Aphrodite soll ein geschätztes Gasvolumen von 180 Milliarden haben. In einer weiteren Gaslagerstätte namens Glaucus sollen zusätzlich 200 Milliarden Kubikmeter Erdgas lagern.

Die Bohrrechte für das Gasfeld besitzen der US-amerikanische Energiekonzern Chevron, der britisch-niederländische Ölkonzern Shell und der israelische Energiekonzern NewMed Energy. Gemeinsam wollen sie bis Ende des Jahres ein Entwicklungskonzept für das Gasfeld erarbeiten, um unter anderem zu klären, wie das Gas nach Deutschland exportiert werden kann, zitiert das "Handelsblatt" die Konzerne.

Zyperns Ministerin für Energie, Handel und Industrie, Natasa Pilides, sagte der Nachrichtenagentur Bloomberg, dass Zypern im Jahr 2027 mit dem Export von Erdgas aus dem Aphrodite-Feld beginnen könne. Als kleines Land brauche Zypern nicht viel Erdgas für den heimischen Bedarf, sodass mehr für den Export übrig bliebe. Europa, aber auch Asien seien gute potenzielle Abnehmer für das Gas.

Der Konflikt mit der Türkei gilt als Hindernis

Seit 1974 ist die Insel zweigeteilt, nachdem die Türkei die Nordinsel besetzt hat. Teile der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) gehören nach der Uno-Seerechtskonvention zwar Zypern, trotzdem ignoriert die türkische Regierung die Seerechte Zyperns und stellt Ansprüche auf das Gebiet, um an den Erlösen aus der Gasförderung zu verdienen.

Im Januar 2020 haben Griechenland, Zypern und Israel ein Grundsatzabkommen über den Bau der Mittelmeer-Gaspipeline EastMed beschlossen, die Erdgas von Israel und Zypern über Griechenland nach Europa liefern soll. Die türkische Regierung will das Projekt allerdings unterbinden und hat Einspruch gegen die 1900 Kilometer lange Pipeline eingelegt.

Projekt gilt als unwirtschaftlich, auch wegen der EU-Klimaschutzpläne

Die Kosten für das Projekt belaufen sich laut "Spiegel" auf mehr als sechs Milliarden Euro. Aus der Antwort einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung vom 10. Juni dieses Jahres geht hervor, dass die Regierung nicht davon ausgeht, dass die geplante EastMed-Pipeline kurz- und mittelfristig zur Lösung der akuten Situation beitragen werde. Sowohl wirtschaftlich als auch klimapolitisch gelte sie als umstritten.

Auch die USA zweifeln daran, ob das Projekt überhaupt wirtschaftlich ist. Im Januar haben sie ihre Unterstützung für die Pipeline zurückgezogen.

Experten bewerten den Nutzen der Pipeline ebenfalls als wirtschaftlich fraglich, insbesondere angesichts des EU-Klimaschutz-Zeitplans.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen unterzeichnete im Juni eine Absichtserklärung mit Israel und Ägypten. Israelisches Gas soll demnach über das LNG-Terminal in Ägypten nach Europa kommen. Zypern könne sich daran ein Beispiel nehmen. Die Frage allerdings, wie lange Erdgas noch genutzt werden soll, ist für Investoren entscheidend. Denn: Nach den Modellrechnungen der EU-Kommission dürften im Jahr 2030 nur 22 Prozent des Bruttoinlandsenergieverbrauchs auf Erdgas entfallen.

Charles Ellinas, CEO des zyprischen Energie-Beratungsunternehmens e-CNHC, ist skeptisch, ob die in Zypern konzessionierten Konzerne vor diesem Hintergrund Milliarden in die Gasförderung investieren werden, das sagte er dem "Handelsblatt". Der EU-Klimaschutz-Zeitplan mache Projekte wie die East-Med-Pipeline unwirtschaftlich. Das liege an der langen Bauzeit von fünf bis sieben Jahren und daran, dass die Pipeline mehr als 20 Jahre Betrieb brauche, damit sich die Investition überhaupt lohne.

Statt weiterer Gasprojekte sollte Deutschland lieber in Erneuerbare investieren

Moritz Rau von der Stiftung Wissenschaft und Politik bewertete das Pipeline-Projekt bereits im Februar 2022 als zu teuer und aufwendig, der Bau einer Pipeline würde Jahre dauern. Zudem sei der Ausbau der Infrastruktur angesichts des Zypernkonflikts und des Streits um Seegrenzen und Wirtschaftszonen zwischen der Türkei und Zypern zu brisant.

Um sich weniger abhängig von Russland zu machen, sollte die EU laut Rau stattdessen in die Energiewende investieren und mit Ländern wie Griechenland, Israel und Ägypten, aber auch mit der Türkei und Zypern kooperieren, die ihre erneuerbaren Energien bereits ausbauen. „Mithilfe von Unterwasserstromkabeln, die quer durch das östliche Mittelmeer verlaufen sollen, könnte der Stromhandel zwischen Europa und Israel mit dem EuroAsia Interconnector oder mit dem EuroAfrica Interconnector intensiviert werden“, resümierte Rau in einem Papier.

Mit Material der DPA / cb