Ampel-Analyse vor den Ost-Wahlen (2) - Werden Ost-Wahlen zum Sargnagel der Ampel? Politik-Experten sind sich einig

Ampel-Haushaltsstreit: Robert Habeck und Bundeskanzler Olaf Scholz<span class="copyright">Sebastian Christoph Gollnow/dpa</span>
Ampel-Haushaltsstreit: Robert Habeck und Bundeskanzler Olaf ScholzSebastian Christoph Gollnow/dpa

Experten sehen die Ampelkoalition schon seit längerem in einem Zustand der Zerrüttung. Die bevorstehenden Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen werden zeigen, wie die Wähler darauf reagieren. Doch was kommt danach? Werden die Landtagswahlen der Sargnagel für die Ampel? FOCUS online hat Experten gefragt.

Die Ampel hat in weiten Teilen der Bevölkerung das Vertrauen verloren. So zeigt etwa eine FOCUS-online-Umfrage , dass eine überwältigende Mehrheit die Bundesregierung nach dem Anschlag in Solingen nicht mehr in der Lage sieht, erfolgreich gegen Extremismus vorzugehen.

SPD, FDP, und Grüne können von ihrer bisherigen Amtszeit nicht profitieren. Ganz im Gegenteil: Bei den kommenden Landtagswahlen in   Thüringen und Sachsen am 1. September drohen die Ampelparteien im Vergleich zur Wahl 2019 Wählerinnen und Wähler an der Urne zu verlieren - auch das zeigen aktuelle Erhebungen.

Fragt man nach den Gründen dafür, sehen Politik-Experten etwa in den ständigen, offen ausgetragenen Streitereien innerhalb der Koalition ein  Problem. Im Wahlvolk entstehe so der Eindruck: Die wollen gar nicht zusammenarbeiten, die können gar nicht zusammenarbeiten.

Unterstrichen hat diesen Eindruck zuletzt der Grünen-Chef Omid Nouripour, als er sagte, das Dreierbündnis sei „als Konstellation als Übergang für die Zeit nach Merkel notwendig“ gewesen. Es sei eine „Übergangsregierung, hätte ich jetzt fast gesagt“.

Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen – Sargnagel für die Ampel?

Doch trotz der Fragilität der „Übergangsregierung“ hält sie. Getreu dem Motto: Totgesagte leben länger. FOCUS online hat Deutschlands Politik-Experten gefragt, ob die Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen jetzt zum Sargnagel der Ampel werden oder ob Rot-Gelb-Grün bis zum Ende der Legislaturperiode regieren wird.

Johannes Hillje, Politik- und Kommunikationsberater in Berlin:

Johannes Hillje ist überzeugt: „Ein schnelles Ende der Ampel ist unrealistisch.“ Alle drei Parteien würden sonst aus einer Position der Schwäche in einen vorzeitigen Wahlkampf ziehen.

„Keine der Ampelparteien scheint momentan organisatorisch und strategisch für einen vorgezogenen Wahlkampf bereit zu sein“, so Hilljes Beobachtung.

 

„Die Gemeinsamkeiten in der Ampel sind aufgebraucht“

Wolfgang Schroeder, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Kassel:

Der Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder meint: „Die Gemeinsamkeiten in der Ampel sind aufgebraucht.“ Die Ampel habe sich vom proklamierten Modus des Fortschritts auf den Modus der Zerrüttung hin entwickelt.

„Trotzdem wird die Regierung bis zum Ende der Legislaturperiode durchhalten“, sagt Schroeder zu FOCUS online. Warum? „Das deutsche Pflichtbewusstsein und die bekannten Sekundärtugenden sprechen dafür.“

Joachim Krause, Direktor Emeritus des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel und Chefredakteur von SIRIUS:

„Ich befürchte, alle drei Parteien wollen bis Ende 2025 durchhalten“, sagt auch Joachim Krause von der Universität Kiel. Aber wenn bei den Landtagswahlen Grüne, FDP und vielleicht auch die SPD in dem einen oder anderen Land unter die Fünf-Prozent-Hürde fallen, müsse eigentlich was geschehen, so Krause weiter.

 

„Ampelkoalition erinnert schon lange an die Endphase einer Partie Jenga“

Christian Stecker, Politologe von der Technischen Universität Darmstadt:

Christian Stecker sagt: „Die Ampelkoalition erinnert schon lange an die Endphase einer Partie Jenga.“ Eigentlich „erwartet man jederzeit den Zusammenbruch und dann übersteht sie doch noch eine weitere Runde Streit und Wahlniederlage“, so der Politikwissenschaftler.

Die drohenden schlechten Wahlergebnisse für SPD, Grüne und FDP in Sachsen und Thüringen „kann man gut auf die besonderen Bedingungen dort schieben“, sagt Stecker zu FOCUS online. Insgesamt geht er „eher von einem Fortbestand der ´Übergangskoalition´aus“.

Henning Vöpel, Vorstand der Stiftung Ordnungspolitik und Direktor des Centrums für Europäische Politik:

Für Henning Vöpel ist klar, „dass alle drei Parteien bis zum 1. September nichts machen werden, was unmittelbar zum Ende der Ampel führen könnte“. Aber: „Alle drei Parteien haben durch einzelne Äußerungen bereits versucht, sich von der Politik der Ampel zu distanzieren und vom Bundestrend zu entkoppeln“, so seine Beobachtung.

„Die Distanzierung von der Ampel scheint für die Parteien der Ampel mittlerweile die opportune Haltung“, sagt Vöpel. Nach dem 1. September könne es zum offenen Ausbruch der Konflikte kommen, aber nicht notwendigerweise zum Bruch der Koalition.

„Niemandem nützt im Moment ein vorzeitiges Ende der Ampel. Meine Befürchtung ist daher, dass das verbleibende Jahr nicht für bessere gemeinsame Politik, sondern eher für parteipolitische Profilierung gegeneinander genutzt werden wird“, so der Experte.