Ampel-Analyse vor den Ost-Wahlen (3) - „Am ehesten wäre der Ampel-Austritt für die Grünen denkbar - paradoxerweise“

Olaf Scholz (SPD, l-r), Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) und Christian Lindner (FDP)<span class="copyright">Kay Nietfeld/dpa</span>
Olaf Scholz (SPD, l-r), Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) und Christian Lindner (FDP)Kay Nietfeld/dpa

Die Wahlergebnisse in Thüringen und Sachsen werden die Ampel-Koalition hart treffen. Doch trotz drohender Niederlagen wird die Regierung weitermachen, sagen Experten. FOCUS online hat nachgefragt, welche Szenarien nach den Ostwahlen denkbar sind.

Die Politik-Kenner sind sich einig: Die Ampel macht weiter, egal wie die Wahlergebnisse am 1. September in Thüringen und Sachsen aussehen. Sicher scheint aber schon jetzt: Die Regierung wird abgestraft.

Der Politikstil des Dreierbündnisses verfängt nicht bei den Wählerinnen und Wählern. Umfragen zeigen das deutlich.

Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen: Wie geht es für die Ampel weiter?

Doch wenn die Ampel trotz der drohenden Wahlniederlagen in den Landtagen im Osten weitermacht, wie es die Experten einhellig gegenüber FOCUS online prophezeien, stellt sich die Frage: Welche Szenarien sind nach dem 1. September möglich und welche davon sind am wahrscheinlichsten? FOCUS online hat Politik-Experten dazu befragt. Das sind ihre Antworten:

Joachim Krause, Direktor Emeritus des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel und Chefredakteur von SIRIUS:

Laut Joachim Krause von der Universität Kiel seien drei Szenarien möglich:

  1. „Die Ampelparteien halten durch bis zur nächsten Bundestagswahl;

  2. Bundeskanzler Scholz stellt – so wie Gerhard Schröder im Jahr 2005 – die Vertrauensfrage, diese wird abgelehnt und es kommt zu vorgezogenen Bundestagswahlen;

  3. eine oder zwei Parteien verlassen die Koalition und führen Gespräche mit der Union über eine Regierungsbildung unter einem Kanzler Friedrich Merz.“

Bei Szenario drei könne es sei, dass das entweder die SPD allein macht, „oder Grüne und FDP tun sich mit der Union zusammen, um bis zur Bundestagswahl 2025 eine Übergangsregierung zu bilden“, sagt Krause.

Wolfgang Schroeder, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Kassel:

Wolfgang Schroeder beobachtet, dass die FDP zwar viel dafür tut, um aus der Regierung komplettiert zu werden; „diesen Gefallen wird ihr Scholz jedoch nicht tun“.

Dafür spreche auch, dass es nur noch wenige Monate bis zum quasi offiziellen Wahlkampfbeginn seien. „Viel wichtiger ist jedoch, dass Scholz alles daransetzen wird, um die Bundesrepublik als relativ stabilen Anker in der sich drastisch veränderten internationalen Landschaft zu halten und nicht zusätzliche Irritationen entwickeln möchte“, sagt der Experte.

 

Ampel pflegt „selbstzerstörerischen Politikstil“

Johannes Hillje, Politik- und Kommunikationsberater in Berlin:

Politikberater Hillje meint, es werde oft übersehen, dass die Ampel gleichzeitig streiten und entscheiden kann. Sie habe viele Projekte auf den Weg gebracht, gerate dann aber im Nachhinein aneinander, weil man sich uneinig ist, ob die Entscheidung richtig war.

Der Modus Operandi der Ampel sei: „Triff Entscheidungen und streite danach darüber“.

„Dieser selbstzerstörerische Politikstil rührt auch daher, dass häufig die Fraktionen der Regierungsparteien den Streit anfachen“, sagt Hillje zu FOCUS online. Jede Entscheidung müsse durchs Parlament. Dort entstünden häufig neue Konflikte. Hillje geht davon aus, „dass dieser Politikstil sich nach den Wahlen im Osten fortsetzt“.

 

„Am ehesten wäre für die Grünen ein Austritt aus der Ampel denkbar“

Henning Vöpel, Vorstand der Stiftung Ordnungspolitik und Direktor des Centrums für Europäische Politik:

Egal, wie die Wahlergebnisse in Thüringen und Sachsen am Ende aussehen: „Der Druck auf die Ampel wird in jedem Fall stark zunehmen“, sagt Politik-Experte Henning Vöpel zu FOCUS online. Er geht davon aus, dass sich das Ergebnis der Landtagswahlen gegenüber den Umfragen nicht mehr entscheidend verändern wird. Heißt: „Eine Regierungsbildung dort wird extrem schwierig.“

Für Völpel ist klar, dass bestimmte Formen der Zusammenarbeit, wahrscheinlich notgedrungen mit dem „Bündnis Sarah Wagenknecht“ (BSW), bei den jeweils anderen Parteien zu massiver Kritik führen werden. „Die Regierungsbildung in den Ländern wird daher vermutlich entscheidenden Einfluss auf die Arithmetik der Bundespolitik haben“, erklärt Vöpel.

Die SPD als Kanzlerpartei werde selbst nichts unternehmen, um die Ampel zu gefährden. „Die Rhetorik von Scholz wird sich daher nicht ändern.“ Er werde zunehmend versuchen, die SPD als den Anker in der Regierung zu profilieren.

Vöpel meint: „Am ehesten wäre für die Grünen ein Austritt bzw. eine Beendigung der Ampel denkbar. Paradoxerweise, weil sie bisher eigentlich die größten Kompromisse eingegangen sind.“