Ampel-Analyse vor den Ost-Wahlen (5) - Das Ampel-Jahr 2025: „Es kann kaum noch konfliktträchtiger werden“
Die Wahlen im Osten Deutschlands könnten für die Ampel-Regierung zum Denkzettel werden. Experten glauben zwar nicht, dass es nach einem möglichen Wahl-Desaster zu Neuwahlen im Bund kommt. Aber: Was kommt im nächsten Jahr auf die Bundesbürger zu?
Im Video: Politik-Experten prophezeien: Nach Ost-Desaster hat die Ampel nur noch eine Option
Thüringen und Sachsen wählen ihre Landtage neu. Nicht nur auf Landesebene könnte es am 1. September zu einem politischen Beben kommen, auch für die Bundesregierung sind die Ostwahlen von besonderer Bedeutung. SPD, FDP und den Grünen droht das Wahl-Desaster.
Doch was kommt danach? Politik-Experten, mit denen FOCUS online gesprochen hat, sind der Meinung, dass die Ampel weitermachen wird, ganz gleich wie am Sonntag gewählt wird. Zu groß sei die Angst vor den Neuwahlen und außerdem hätte das Bündnis inhaltlich noch einiges vor.
Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen: Droht Deutschland bald der politische Stillstand?
Was kommt also im Jahr 2025 auf die Bundesbürgerinnen und Bundesbürger zu? Wird das Regieren noch schwerer und konfliktträchtiger? Droht gar Stillstand? Das sagen die Experten:
Henning Vöpel, Vorstand der Stiftung Ordnungspolitik und Direktor des Centrums für Europäische Politik:
Henning Vöpel meint: „Ja, das ist zu befürchten.“ Die Logik der Macht lasse keinen anderen Schluss zu. „Das Problem daran ist, dass dadurch das Feld für Populismus noch stärker bereitet wird“, so der Experte zu FOCUS online.
„Die parteipolitische Arithmetik lässt wahrscheinlich auch für die nächste Bundesregierung kaum eine wirkliche Reformpolitik zu.“ In den Augen des Experten ist lediglich eine neue Kombination von Politik denkbar, aber keine wirklich andere Politik. „Die müsste es aber geben, um das Land wirtschaftlich wieder von Grund auf zu stärken und gesellschaftlich auf die Zukunft auszurichten“, sagt Vöpel.
„Es kann kaum noch konfliktträchtiger werden“
Christian Stecker, Politologe von der Technischen Universität Darmstadt:
Der Politologe Christian Stecker beobachtet bereits, dass die Bundespolitik langsam auf die Straße Richtung Bundestagswahlkampf abbiegt. „Dabei müssen alle Parteien ihre Profile zeigen, was nicht zu einer gesteigerten Kompromissneigung in der Ampel beitragen wird.“
„Zugleich“, so Stecker weiter, „kann es kaum noch konfliktträchtiger werden, da die Ampel dann die Schwelle zum Koalitionsbruch übertreten würde.“
Joachim Krause, Direktor Emeritus des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel und Chefredakteur von SIRIUS:
Joachim Krause von der Universität Kiel hält fest: „Regieren ist schwieriger geworden.“ Der Grund: „In ganz zentralen Themen der Politik – also den Themen, die die Bürger interessieren – sind keine effektiven Koalitionen absehbar, die die Probleme lösen können.
Die Hauptsorge für immer mehr Menschen sei das Thema „illegale Migration“ und die damit verbundenen Probleme der inneren Sicherheit, der Bildungspolitik, der Sozialpolitik, des Wohnungsmarktes und der Integrationspolitik.
„Hier hat die Ampel weitgehend versagt, weil vor allem Grüne und SPD an ideologischen Positionen verbissen festhalten“, so Krause. Nur könne die Union von diesem Versagen nicht profitieren, „weil nach der von Kanzlerin Merkel veranlassten Einwanderungswelle von etwa einer Million Menschen aus der muslimischen Welt im Jahr 2015 diese Partei von Millionen Menschen nicht mehr für voll genommen wird, besonders nicht in den ostdeutschen Ländern“. Dort würden die Menschen dann lieber gleich AfD oder BSW wählen.
„Mit diesen beiden Parteien wiederum ist für die Union eine effektive Politik in einer Koalition nicht möglich“, sagt Krause. „Es sind populistische Parteien, in denen Maulhelden und Ideologen den Ton angeben, aber in denen keine Problemlöser sitzen.“ Der Union bleibe daher nur Koalitionen mit SPD oder Grünen und FDP.
„Es wird also mehr Kontinuität als Stillstand geben“
Wolfgang Schroeder, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Kassel:
„Die Parteien und das sie tragende Personal sind den Herausforderungen, die eine Dreierregierung unterschiedlicher Herkünfte und Strategien bedeutet, gegenwärtig nicht gewachsen“, sagt der Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder. „Das wird für zukünftige Regierungen auch nicht viel einfacher und anders werden, wenn keine signifikanten Lernprozesse stattfinden – die gegenwärtig nicht beobachtbar sind.“
Insofern sei die Rede von einer „Übergangsregierung“ (Anm. d. Red.: Grünenchef Omid Nouripour bezeichnete die Ampel als „Übergangsregierung“ in einem Interview der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“) etwas naiv, weil es in diesem Zyklus der Politik vermutlich noch mehrere solcher prekärer Regierungen geben werde, so Schroeder.
„Regieren ist komplex, findet auf mehreren Ebenen statt; wir sind entgegen der oberflächlichen Betrachtung weit entfernt von Stillstand“, betont der Experte. „Wir leben im Land der permanenten kleinen Reformen und Fortschritte; es finden allerdings nur wenige grundlegendere Veränderungen statt, die durch Regierungshandeln direkt ausgelöst werden.“
Die Rede vom „totalen Stillstand“ ist seiner Meinung nach dem Geist der Unvernunft entlehnt und steht für ein großes Unverständnis für unser politisches System und seine langsamen Verhandlungsprozeduren.
Johannes Hillje, Politik- und Kommunikationsberater in Berlin:
Politikberater Johannes Hillje beobachtet ebenfalls, dass die Ampelparteien zunehmend in den Wahlkampfmodus umschalten. „Mit anderen Parteien zu regieren und sich selbst zu profilieren, lief in der Ampel allerdings schon immer synchron“, sagt er.
Sein Ausblick auf 2025: „Es wird also mehr Kontinuität als Stillstand geben.“
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