Ampel-Analyse vor den Ost-Wahlen (1) - Politik-Experten prophezeien: Nach Ost-Desaster hat die Ampel nur noch eine Option

Die Ampel-Koalition und welche Folgen die Wahlen in Thüringen und Sachsen für sie haben<span class="copyright">Kay Nietfeld/dpa</span>
Die Ampel-Koalition und welche Folgen die Wahlen in Thüringen und Sachsen für sie habenKay Nietfeld/dpa

Die Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen könnten zur großen Abrechnung für die Ampelparteien werden. Fünf Politikexperten analysieren für FOCUS online die möglichen Folgen eines Wahldesasters. Die Frage heute: Welche inhaltlichen Konsequenzen sollte die Ampel ziehen, wenn sie abgestraft wird?

Es ist die Woche vor den ersten beiden von drei Wahlen im Osten Deutschlands. Am Sonntag, dem 1. September, schreiten Wählerinnen und Wähler in Thüringen und Sachsen an die Wahlurne. Für die Ampelparteien sieht es aktuellen Umfragen zufolge in beiden Bundesländern schlecht aus.

Es sieht ganz so aus, als würden die Grünen, die SPD und die FDP am Sonntag abgestraft werden. Ohnehin könnten die Landtagswahlen die Bundesregierung in eine schwere Lage bringen. FOCUS online hat Deutschlands Politik-Experten gefragt, was der Ampel bei einem Wahldesaster droht, wie lange das Bündnis noch hält und unter anderem welche Szenarien nach dem Wahlwochenende denkbar wären.

„Ampel müsste das Problem der illegalen Einwanderung viel effektiver angehen“

Christian Stecker, Politologe von der Technischen Universität Darmstadt:

Stecker sagt zunächst: „Die Ampel hat inhaltlich einige gemeinsame Projekte verwirklichen können.“ Ihr Problem, so der Politologe zu FOCUS online, sei zuvorderst der öffentliche Auftritt und ihre Kommunikation.

„SPD, Grüne und vor allem die FDP hätten längst verstehen müssen, dass sie durch öffentlichen Dauer-Clinch das Vertrauen einer durch Mehrfachkrisen verunsicherten Bevölkerung verlieren“, sagt Stecker. Zahlreiche Wahlniederlagen hätten hier keine Lerneffekte gebracht. „Das wird sich meines Erachtens auch nach Thüringen und Sachsen nicht ändern.“

Joachim Krause, Direktor Emeritus des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel und Chefredakteur von SIRIUS:

„Die Ampelparteien müssten das Problem der illegalen Einwanderung viel effektiver angehen, sie müssen eine weniger ideologisch geführte Klimapolitik führen und sie müssen wirtschafts- und sozialpolitisch umsteuern“, erklärt Krause gegenüber FOCUS online.

Der Politik-Experte erwarte jedoch nicht, dass es in den drei Bereichen zu einer wirklichen Politikanpassung kommt. Warum? „Die ideologischen Vorgaben sind zu groß“, so Krause.

Wahlen in Thüringen und Sachsen und was sie für die Ampel bedeuten

Heute beantworten die Experten die Frage: Wenn SPD, FDP und Grüne von den Thüringern und Sachsen an der Wahlurne abgestraft werden, welche inhaltlichen Konsequenzen sollte die Ampel daraus ziehen?

Wolfgang Schroeder, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Kassel:

„Die beiden zentralen inhaltlichen Themen, die bei dieser Wahl anders akzentuiert werden als in der aktuellen Politik der Bundesregierung, sind die Unterstützung der Ukraine und eine restriktivere Migrationspolitik“, ordnet Schroeder gegenüber FOCUS online ein. Bei beiden Themen sei die Regierung an Verabredungen und Gesetze gebunden. Eine weitere Kursänderung der Regierung analog zu den Wahlergebnissen im Osten hält der Experte für „hochproblematisch“ und „gegenwärtig auch für unwahrscheinlich“.

Das heißt: Die Ampel sollte demnach „keine inhaltlichen Konsequenzen ziehen“, meint Schroeder.

Davon unberührt sei es notwendig, dass die Ampel sich als gemeinsame Regierung aufstellt und auch so verhält. „Eine zentrale Veränderung, die auch mit der Unzufriedenheit im Osten zusammenhängt, ist die unzureichende Investitionsfähigkeit im Land und dafür müsste eine nächste Regierung die Schuldenbremse reformieren, um neue Investitionsinitiativen zu entwickeln.“

„Es hat sich der Eindruck des Stillstands und der Zerstrittenheit verfestigt“

Henning Vöpel, Vorstand der Stiftung Ordnungspolitik und Direktor des Centrums für Europäische Politik:

„Die Landtagswahlen sind nicht unbedingt repräsentativ für ganz Deutschland, was soziale Milieus und politische Stimmungen betrifft“, erklärt Vöpel gegenüber FOCUS online zunächst. Insofern sei es schwer und womöglich irreführend, allgemeingültige Schlussfolgerungen daraus zu ziehen.

 

„Aber“, so der Experte, „natürlich leidet die Ampel – in weiten Teilen zurecht – unter der generellen Wahrnehmung, dass ihre Politik den Anforderungen der Realität und den Herausforderungen der Zukunft nicht gerecht wird“. Im Gegenteil, es habe sich der Eindruck des Stillstands und der Zerstrittenheit verfestigt.

Die einzige Chance der Ampel bestehe laut Vöpel nun darin, ganz konkret Kurskorrekturen vorzunehmen. „Und dabei geht es nicht darum, rechtspopulistische Positionen zu übernehmen, sondern um realitätstaugliche und zukunftsfähige Politik.“

„Das setzt aber ein Maß an staatspolitischem Willen voraus, den es offenbar nicht mehr gibt“, sagt Vöpel.

Johannes Hillje, Politik- und Kommunikationsberater in Berlin:

„Die Wahlen in Ostdeutschland werden durch Zukunftssorgen geprägt“, sagt Hillje zu FOCUS online. Die Ampel müsse ihr letztes Jahr nun dafür nutzen, eine Trendumkehr bei der wirtschaftlichen Entwicklung zu erreichen.