Nach Ampel-Aus - Faeser-Beamtin warnt wegen Neuwahlen und erntet prompt Widerspruch aus den Kommunen

Olaf Scholz und Nancy Faeser im Zwiegespräch.<span class="copyright">Foto: Imago/Mike Schmidt</span>
Olaf Scholz und Nancy Faeser im Zwiegespräch.Foto: Imago/Mike Schmidt

Es gibt heftigen politischen Streit um den Termin für eine Vertrauensfrage des Bundeskanzlers und damit auch die wohl folgenden Neuwahlen. In diesem Streit hat jetzt auch die Bundeswahlleiterin reichlich Verwirrung gestiftet.

Was denn nun? „Kein Problem“ oder „unabwägbare Risiken“? Es geht um die vorgezogene Neuwahl nach dem Ampel-Aus . Da hat sich die maßgebliche Behörde in den vergangenen Tagen schlicht selbst widersprochen.

Aber von Anfang an: Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat in seinem denkwürdigen Auftritt am Mittwochabend angekündigt, Mitte Januar die Vertrauensfrage zu stellen. Die wird er aller Voraussicht nach verlieren, weil er keine Mehrheit mehr im Parlament hat. Der Bundestag würde aufgelöst, da es wohl auch kein konstruktives Misstrauensvotum, sprich eine Bundestagsmehrheit für einen anderen Bundeskanzler oder Bundeskanzlerin geben wird.

Unter Einhaltung aller Fristen würde das eine Wahl Anfang oder Mitte März bedeuten. Ein Großteil der Opposition sieht das überhaupt nicht ein und will, dass Scholz in den nächsten Tagen mit der entscheidenden Frage vor den Bundestag tritt. Das würde eine Wahl im Januar oder Anfang Februar bedeuten.

Wahlleiter-Behörde widerspricht sich beim Thema Neuwahlen selbst

Zu diesem „schnellen“ Szenario hat sich die erwähnte Behörde am Donnerstag geäußert. In einer DPA-Meldung von 10.54 heißt es wörtlich:

Bundeswahlleiterin Ruth Brand gibt nach der Teilwiederholung der Bundestagswahl in Berlin das vorläufige Wahlergebnis bekannt.<span class="copyright">Jörg Carstensen/dpa</span>
Bundeswahlleiterin Ruth Brand gibt nach der Teilwiederholung der Bundestagswahl in Berlin das vorläufige Wahlergebnis bekannt.Jörg Carstensen/dpa

 

Eine kurzfristige Neuwahl wäre aus Sicht der Bundeswahlleiterin kein Problem. Man sehe keine besondere Herausforderung, auch wenn das nun kurzfristig passieren würde, sagte ein Sprecher der Behörde. Er verwies darauf, dass dieselben Voraussetzungen wie auch für andere Bundestagswahlen gelten würden. Die Fristen dazu seien alle gesetzlich geregelt.

Und am selben Tag teilte die Bundeswahlleiterin auf ihrem offiziellen X-Account mit: „Wir haben selbstverständlich mit den Vorbereitungen für eine mögliche #Neuwahl begonnen, um die Herausforderungen durch die verkürzten Fristen gemeinsam mit allen Beteiligten bewältigen zu können. Wir müssen alle Vorbereitungen wie bei einer regulären Bundestagswahl treffen.“

„Unabwägbare Risiken auf allen Ebenen“ bei zu schnellen Neuwahlen

Doch nur einen Tag später hörte sich das ganz anders an. Wiederum sei hier eine Meldung der DPA zitiert, sie stammt von Freitag, 17.08 Uhr:

Die Bundeswahlleiterin appelliert an Bundeskanzler Olaf Scholz, beim Termin für eine Neuwahl nichts zu überstürzen. Aus organisatorischen Gründen sei das riskant, schreibt Wahlleiterin Ruth Brand in einem Brief an Scholz, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Das Schreiben, über das zuerst der „Spiegel“ berichtete, trägt den Titel „Herausforderungen und Risiken einer vorgezogenen Neuwahl im Januar beziehungsweise Februar 2025“.

„Insgesamt sehe ich in diesem Fall eine hohe Gefahr, dass der Grundpfeiler der Demokratie und das Vertrauen in die Integrität der Wahl verletzt werden könnte“, warnt die Wahlleiterin. Für eine ordnungsgemäße Wahl müsse der Zeitraum von 60 Tagen ab Auflösung des Bundestags voll ausgeschöpft werden. „Soweit Termine und Fristen in die Weihnachtszeit oder in den Zeitraum zwischen den Jahren fallen würden, wäre der nur sehr knappe Zeitraum von 60 Tagen maßgeblich verkürzt“, schreibt Brand. Dies könne zu „unabwägbaren Risiken auf allen Ebenen“ führen.

Probleme könne es schon bei der Beschaffung von Papier und der Beauftragung von Druckdienstleistern geben. Außerdem seien wegen zunehmender hybrider Bedrohungen besondere Sicherheitsmaßnahmen zu treffen. Brand befürchtet zudem, dass Wahlvorschläge in der Eile fehlerhaft eingereicht und dann nicht zugelassen werden. Nicht etablierte Parteien, die Unterstützungsunterschriften sammeln müssten, stünden unter zusätzlichem Zeitdruck. Eine Überlastung der Wahlämter könnte dazu führen, dass Briefwahlunterlagen besonders ins Ausland nicht rechtzeitig versendet werden. Wahlunterlagen könnten fehlen und Wahlvorstände unzureichend geschult sein.

Hickhack bei Neuwahltermin – Faeser-Beamtin provoziert üblen Verdacht

Nun ist die Aufregung groß, auf „X“, vormals Twitter, gibt es heftige Kritik an der Wahlleiterin. Nicht nur der offensichtliche Widerspruch beziehungsweise der plötzliche Stimmungswandel innerhalb derselben Behörde ist auffällig. Geradezu absurd für ein hochentwickeltes Land wie Deutschland wirkt die Anmerkung, die Beschaffung von Papier sei schwierig und die Beauftragung von Druckaufträgen sei möglicherweise ein Problem.

Nun mag die Wahlleiterin mit ihren Einwänden in dem Schreiben, welches auch FOCUS online vorliegt, sogar recht haben, Engpässe bei Material und Personal in der Wirtschaft sind leider nichts Ungewöhnliches. Das Problem ist, dass sie sich mit ihrem Hin und Her angreifbar gemacht hat. Und deshalb ist es auch nur nachvollziehbar, wenn ihr dafür politische Motive unterstellt werden. Schließlich gehört ihre Behörde zum Haus von Innenministerin Nancy Faeser (SPD).

Und eine spätere Wahl kommt, so zumindest der momentane Eindruck, vor allem den verbleibenden Regierungsparteien SPD und den Grünen zupass. Der Kanzler kann noch ein wenig Staatsmann sein, etwas Ruhe in seine Truppen bekommen. Und die Grünen haben noch nicht einmal ihren Spitzen- oder Kanzlerkandidaten offiziell benannt. Wirtschaftsminister Robert Habeck will es werden, er muss sich aber noch von einem Parteitag nächstes Wochenende bestätigen lassen. Auch wird erst dann eine neue Parteispitze eingesetzt. Sprich: Etwas mehr Zeit wäre auch für die Grünen gut.

Kommunen sind verhalten optimistisch

Die Bundeswahlleiterin warnt in ihrem Schreiben an Scholz auch davor, dass die Kommunen „über ihre Kapazitätsgrenzen hinaus in gesteigertem Maße belastet werden“. Doch aus den Gemeinden erntet Brand durchaus Widerspruch, hier wird eine frühe Wahl offenbar etwas lockerer gesehen als in Berlin. So etwa in Münster, wie der WDR berichtet. Maik Johannes Waldeyer, Leiter des Wahlamtes, sei entspannt. Er und sein Team verfolgten in diesen Tagen die Nachrichten sehr genau - um jederzeit schnell reagieren zu können. Eine Wahl im Januar, das wäre schon kurzfristig, sagt Waldeyer dem Sender. Er verwies auf die etwa 3.500 Wahlhelfer, die in Münster gebraucht würden. Der Wahltermin komme jetzt überraschend, deshalb sei es schwierig zu kalkulieren, wie viele Helfer sich melden. Aber man sei zuversichtlich.

Auch in der kleineren Stadt Hückeswagen gibt man sich insgesamt optimistisch was eine baldige Wahl angeht, berichtet der WDR. Allerdings gibt es durchaus auch Sorgenfalten mit Blick auf die benötigten 100 ehrenamtlichen Wahlhelfer. Denn die Helfer seien vor allem städtische Mitarbeitende und Lokalpolitiker und bei denen sei nicht klar, ob sie sich kurzfristig für den Wahltag bereithalten können.