Analyse: Die AfD kuschelt sich in der rechten Ecke ein

Georg Pazderski (r.) will den rechten AfD-Flügel um Alexander Gauland (l.) herausfordern (Bild: dpa)
Georg Pazderski (r.) will den rechten AfD-Flügel um Alexander Gauland (l.) herausfordern (Bild: dpa)

Die Rechtspopulisten konsolidieren sich – das wird die Botschaft des Hannoveraner Parteitags an diesem Wochenende sein. Das nationalistische Lager wird still dominieren; nur bei den Vorstandswahlen könnte es hitzig werden.

Eine Analyse von Jan Rübel

Bei der AfD bricht eine gewisse Langeweile aus. Man hat sich etabliert und eingerichtet, schließlich muss jeder Erfolg auch verwaltet werden. Für den Parteitag an diesem Wochenende in Hannover bedeutet dies: Die eingeschlagene Richtung wird nicht geändert.

Die Achse rund um Alexander Gauland und Jörg Meuthen steht. Der rechtsnationale Kurs, den Fraktionschef Gauland seit geraumer Zeit vorgibt und dem sich Meuthen als Parteisprecher beugt, wird nun in Hannover in zahlreichen Anträgen seine Ausgestaltungen erfahren. Eine intensive Debatte aber darüber, inwiefern die AfD noch Protestpartei bleiben oder sich staatstragender geben will, wird es nicht geben. Die Konservativen haben den Kampf um die Partei längst verloren.

Noch stellen sie zahlreiche Delegierte aus vergangenen Zeiten. Dies wird aber höchstens nur ausreichen, um die krudesten Vorschläge abzuwehren: Da will ein Antrag die „Diskriminierung von Jungen“ beenden und fordert ein Beschneidungsverbot; halt das Ergebnis einer Suche, was man noch alles zur Polemisierung gegen Juden und Muslime finden kann.

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Oder der unvermeidliche Wolfgang Gedeon, der in seinen Anträgen traditionell fabuliert: „Die IHRA ist eine private zionistische Lobby-Organisation. Ihre Definitionskriterien eines (sekundären) Antisemitismus sind so weit gefasst, dass der Beleidigungsfähigkeit von Juden und auch Juden nahestehenden Personen keine Grenzen mehr gesetzt sind und Diskussionen über jüdische Themen ohne ‚Antisemitismus‘- Vorwürfe und juristische Drohungen nicht mehr geführt werden könnten. Wenn man beispielsweise ‚die dubiosen Machenschaften des amerikanisch-jüdischen Börsenspekulanten G. Soros‘ verurteilt, wäre das schon antisemitisch, weil man dessen jüdische Herkunft miterwähnt hat!“

Wolfgang Gedeon ist wegen antisemitischer Äußerungen auch in der eigenen Partei umstritten (Bild: dpa)
Wolfgang Gedeon ist wegen antisemitischer Äußerungen auch in der eigenen Partei umstritten (Bild: dpa)

Tja, lieber Herr Gedeon, dies wäre in der Tat antisemitisch, oder weshalb sollte die Religionszugehörigkeit des Herrn Soros herbeizitiert werden, wenn es doch um seine angeblichen „Machenschaften“ geht? Über Sie heißt es gemeinhin ja auch nicht „der katholische Verschwörungsspekulant Wolfgang Gedeon“ – es sei denn, Soros‘ Religion wäre Ihrer Meinung nach kausal mit Machenschaft, Börse und Spekulation verbunden.

Hitzig wird es bei den Spitzenämtern

Sollten Gedeon oder die radikalsten Islamhasser beim Parteitag mit ihrem erstaunlichen Zeug Mehrheiten finden, wäre dies eine echte Überraschung.

Kommentar: Björn Höcke hat den rechten Ausblick

Vielmehr werden die Konservativen an anderer Stelle ein letztes Gefecht bemühen. Sie haben den eher moderaten Georg Pazderski vom Berliner Landesverband vorangeschickt, der sich um einen der beiden Spitzenposten bemüht.

Dies wird der blutige Part des Parteitags.

Denn dem rechten Flügel ist Pazderski zu mittig. Und schließlich wollen einige Rechte gar die Doppelspitze abschaffen; da werden sie keinen Moderaten tolerieren. Auch Meuthen wird wieder kandidieren, mit Gnaden seines Herren Gauland, dem egal ist, wer unter ihm Vorsitzender ist. Meuthen ist schwach, er gilt seit längerem als Vorführpfau der Rechten; längst hat der eigentliche „Wirtschaftsliberale“ seinen faustischen Pakt geschlossen. Daher ist er noch übrig. Wenn er Hannover als Parteisprecher verlässt, was nicht ausgemacht ist, dann auf Abruf.

Jetzt herrscht erstmal Ruhe

Gut möglich auch, dass Gauland doch selbst fürs Sprecheramt kandidiert. Er würde so Pazderski verhindern. Dann residierte er allein an der Spitze oder mit Meuthen als Feigenblatt. Fast nebensächlich wird dabei, ob Björn Höcke in den Vorstand strebt – und wenn ja, ob mit Erfolg. Den Frontmann der Rechten drängt es nicht. In der Partei dominieren die ihm wohlgesonnenen Kader mittlerweile ohnehin.

Spitzenamt im Bundesverband oder nicht – Björn Höcke sitzt bei der AfD so oder so fest im Sattel (Bild: dpa)
Spitzenamt im Bundesverband oder nicht – Björn Höcke sitzt bei der AfD so oder so fest im Sattel (Bild: dpa)

Der Parteitag fällt in eine Zeit, in der die AfD in den Umfragen erstmals leicht sinkt. Sie lebt vom Aufregungspotenzial in der Bevölkerung, die derzeit interessierter auf eine Regierungsbildung in Berlin schaut. Vielleicht stößt die AfD erstmals an ihre Grenzen. Sollte es dennoch bald zu Neuwahlen kommen, könnte sich indes das Blatt wieder wenden und die AfD von der beschworenen Politzirkuskrise profitieren. In der Zwischenzeit aber richtet sie sich ein, in ihrer gemütlichen rechten Ecke.