Analyse: Dieser Prinz rüttelt sein Land auf - um fester an der Macht zu bleiben

Kronprinz Muhammad bin Salman wird anlässlich eines milliardenschweren Waffendeals im Weißen Haus empfangen (Bild: AP Photo/Evan Vucci)
Kronprinz Muhammad bin Salman wird anlässlich eines milliardenschweren Waffendeals im Weißen Haus empfangen (Bild: AP Photo/Evan Vucci)

Muhammad bin Salman ist der starke Mann Saudi-Arabiens. Seine Rolle ist doppeldeutig bis rätselhaft.

Eine Analyse von Jan Rübel

Als US-Präsident Donald Trump die Abkehr seines Landes vom Atomabkommen mit dem Iran verkündete, applaudierte ihm die Weltgemeinschaft nicht gerade zu. Eigentlich klatschten nur die Regierungen in Israel (welches vom Iran bedroht wird) und in Saudi-Arabien (welches so tut, als wäre es vom Iran bedroht). Allein der Beifall aus Riad spricht für Trumps Politik Bände. Die Politik des dortigen Herrscherhauses ist eine Mischung aus Größenwahn und Paranoia – beides treffend personifiziert durch Muhammad bin Salman, 32, Verteidigungsminister, Vize-Premier und Kronprinz der saudischen Monarchie, oder in Kurzform: “MbS”.

Saudi-Arabien ist ein reiches und einflussreiches Land in der Region. Und es galt als abgeschottet, ohne auf den ersten Blick sichtbare gesellschaftliche Entwicklung. Doch der Staat verändert rasant seine Strukturen, und Motor dieses Wechsels ist – MbS. Wer ist dieser Mann, und was haben sein Land und die Welt von ihm zu erwarten?

2015 übernahm bin Salman sein erstes Ministeramt, im vergangenen Jahr wurde er von seinem Vater, dem König, zum Kronprinzen und Nachfolger ernannt; bei ihm laufen alle Machtfäden zusammen.

Einer von vielen

Früher galt er als einer von vielen Prinzen im Reich. Nur setzte er sich von den meisten ein wenig ab, durch seinen Ehrgeiz und durch seine besonders ausgeprägte Korruption. Nun an der Macht, greift er durch. Alle Manöver in der Innen- und in der Außenpolitik scheinen dem Primat des Machterhalts untergeordnet zu sein, denn die Herrschaft der Saudis ist fragil.

Längst verfügt die Familie nicht mehr über die Autorität der vergangenen Jahrzehnte. Das Konzept des Wahabismus, also eines radikalislamischen Lebens mit sehr strengen Regeln und Strafen, war zwar nie zeitgemäß, erscheint aber heute umso weniger von den Bürgern gewünscht oder zumindest geduldet. Die Mehrheit der Bevölkerung ist unter 20, da stauen sich Hoffnungen und Frust über mangelnde Perspektiven. Ferner ist das Ende des Ölreichtums in Sicht, und die Politik eines Rentier-Staates, mögliche Unzufriedenheit durch Alimente zu stopfen, wird der Vergangenheit angehören. Eine andere Legitimität muss her. Bin Salman sorgt daher für Fakten.

Nach innen räumt er auf. Mögliche Rivalen werden beiseite geschoben. Zum einen gibt es unter MbS keinerlei Lockerung der Meinungsfreiheit, wenn es um Politik geht. Medien müssen ihm huldigen oder schließen. Andersdenkende landen im Gefängnis, und etlichen Prinzen wurde wegen Korruption der Prozess gemacht, also wegen Vergehen, bei denen sich der Kronprinz selbst gut auskannte. Die Anzahl der Todesurteile und Hinrichtungen ist unter seiner Herrschaft nicht zurück gegangen, wie zuletzt Menschenrechtler kritisierten.

Andererseits schiebt er innere Reformen an. Frauen dürfen nun Auto fahren, bin Salman äußert sich offen gegenüber einer Rücknahme der Kopftuchpflicht, es gibt nun im Königreich ein Kino, Konzerte, das Land kann leichter von Ausländern bereist werden. Bin Salman braucht die Frauen, um seine Macht zu festigen. Ebenso muss er die große Saud-Familie in ihren Einflüssen zurechtstutzen, denn die vielen Prinzen sind nicht nur seine Rivalen, sondern auch tatsächlich oft Urheber von Problemen; die zahlreichen Machtzentren innerhalb der Sauds dienen nicht der Stabilität des Landes. Außenpolitisch läutet er einen radikalen Kurswechsel mit seiner Annäherung an Israel ein – gemeinsame Feinde wie der Iran schweißen eben zusammen.

Die vielen Opfer seiner Politik

Nach außen fährt er den üblichen Kurs einer krassen Feindbenennung. Ohne Feinde geht es nicht, bin Salman hat die Lektionen des Populismus gelernt. Iran, Jemen und Qatar liefern bin Salman die Leinwände für seine aggressiven Projektionen und die Botschaft: Saudi-Arabien sei der wahre große Player in der Region, und böse Mächte wollten dem Land ans Leder. Bin Salman führt einen grausamen Krieg gegen vom Iran unterstütze Rebellen im Jemen, unter dem die dortige Zivilbevölkerung leidet, er lässt Krankenhäuser und Wohngebiete bombardieren; er ist ein Mann, der über Leichen geht.

So bleibt seine Politik voller Widersprüche. Was treibt ihn tatsächlich an? Ein echter Modernisierungsgeist? Eine Ethik und Moral? Geht es ausschließlich um den Machterhalt? Jedenfalls bleibt MbS nicht viel Zeit. Der König ist krank. Solange sein Vater lebt, versucht bin Salman so viele Ämter und Kompetenzen wie möglich bei sich zu bündeln. Und es bleibt die Hoffnung, dass er diese mit einem positiven Inhalt füllt und nicht nebenbei die Region in weitere Kriege stürzt.

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