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Analyse: Gaddafis Geldschatten birgt noch manche Überraschung

Eine zeitlang war Gaddafi ein gern gesehener Gast in Europa – insbesondere in Frankreich unter Sarkozy (Bild: AFP Photo/Eric Feferberg)
Eine zeitlang war Gaddafi ein gern gesehener Gast in Europa – insbesondere in Frankreich unter Sarkozy (Bild: AFP Photo/Eric Feferberg)

Der libysche Diktator war reich. Und er setzte sein Geld ein. Es floss zu Freunden, die heute davon nichts wissen wollen.

Eine Analyse von Jan Rübel

Plötzlich wollte keiner mehr etwas von ihm wissen. Im Herbst 2011 war Muammar al-Gaddafi auf der Flucht und seine seit 1969 andauernde Gewaltherrschaft neigte sich ihrem gewaltvollen Ende zu; Gaddafi wurde in den Wirren der Machtkämpfe um Libyen erschossen.

In Europa war es still geworden. Über Jahrzehnte hatte man den Diktator willkommen geheißen, ihn sein luxuriöses Beduinenzelt aufstellen lassen. Gaddafi, der bestenfalls als schrulliger und extravaganter Irrer beschrieben wurde, aber vor allem ein brutaler Machtmensch war, spielte die Rolle des internationalen enfant terrible aus mehreren Gründen, ein bestimmender aber war: Gaddafi hatte viel Geld.

In diesen Tagen musste sich der ehemalige französische Präsident Nicolas Sarkozy in Polizeigewahrsam begeben, die Beamten hatten eine Menge Fragen zu Berichten, nach denen etliche Millionen Euro an heimlichen Spenden aus Gaddafis Schatullen geflossen sein sollen, um dem konservativen Politiker im Wahlkampf 2006/2007 beizustehen. Sarkozy tut die Vorwürfe als absurd ab – bisher. Interessant aber ist schon, wie willfährig er als gewählter Präsident zunächst gegenüber dem Despoten aus Nordafrika agierte und dann, mit Beginn des Arabischen Frühlings 2011, zu den schärfsten Propheten eines gewaltsamen Regimewechsels in Tripolis wurde; als wollte er einen unliebsamen Ex-Kumpel loswerden.

Wie die polizeilichen Ermittlungen gegen Sarkozy ausgehen werden, ist offen. Bekannt ist indes, dass sich Gaddafi schon immer mit Geld politischen Einfluss kaufte.

Mit den Schatullen eines Rentierstaats

Libyen ist gesegnet mit großen Erdölquellen. Dies bescherte dem Staat Reichtum. Als sich Gaddafi 1969 an die Macht putschte, benutzte er die Öleinnahmen, um die wichtigen Stämme in sein Verwaltungssystem über großzügige Zahlungen einzubinden. Auch seinen Größenwahn, nicht nur über den Wüstenstaat zu herrschen, sondern – natürlich unter seiner Führerschaft – eine Einheit arabischer Staaten oder afrikanischer Staaten herbeizuführen, konnte er solange befriedigen, wie sich andere Länder von seinem Geld beeindrucken ließen. Sowas findet naturgemäß immer sein Ende, und daher verliefen diese Bemühungen im Saharasand.

Auch gegenüber Europa setzte Gaddafi seinen Reichtum ein. Da waren Terrorgruppen, die er finanzierte, denn er sah in ihnen verlängerte Arme seiner Ideen. Die Rote-Arme-Fraktion (RAF) in Deutschland, die IRA in Nordirland und zwei Palästinensermilizen nahmen von ihm Geld. Gaddafis politisches Programm war eine wilde Mischung aus nicht ernst gemeinten sozialistischen Platitüden, Nationalismus und reaktionärem Kram – extrem wandelbar. Da verwundert es nicht, dass anfangs Linke sich von ihm angetan zeigten und später vor allem Rechte. Gaddafis “Grünes Buch” mit seiner darin ausgebreiteten vermeintlichen Ideologie wurde in Deutschland von einem Verlag herausgebracht, dessen Eigentümer bei den Republikanern war. Und besonders eng zeigte sich Gaddafi mit dem österreichischen FPÖ-Politiker Jörg Haider. Auf Rechte schienen diese Alleinherrschaft und das tief Undemokratische an Gaddafi eine gewisse Anziehungskraft auszuüben – ähnlich wie heute bei Putin.

Buddys unter sich

Da überrascht es kaum, dass zwei Buddys mit einem besonderen Faible für männliches Machtgehabe für Gaddafi in den Nullerjahren nach einer Phase internationaler Isolation (er hatte sich zu viel Terror erlaubt) das Eis brachen und ihn in Libyen besuchten: Zuerst 2004 Großbritanniens Premierminister Tony Blair und wenig später Kanzler und Putin-Versteher Gerhard Schröder. Damals herrschte übrigens in der EU die Auffassung, Gaddafis Terrorregime könnte einen prima Puffer darstellen, und zwar für Fliehende aus Afrika, die damals wie heute Europa zum Ziel hatten. Dass Gaddafi diese Mission mit brutaler Gewalt ausführte, interessierte Brüssel kaum; heute verfahren wir mit Libyen kaum anders.

Am Ende überwog in Libyen doch der Unmut über die Unfreiheit, über die Benachteiligung verschiedener Regionen – im Zuge des Arabischen Frühlings fiel Gaddafi. Das ist zwar lange her, kann aber auch heute noch für Furore sorgen, wenn herauskommt, wer sich alles vor Gaddafis Karren spannen ließ.