Analyse des Taktikexperten - Dortmunds Stotterstart: Ist der BVB unter Sahin sogar schlechter?

BVB-Trainer Nuri Sahin<span class="copyright">IMAGO/Noah Wedel</span>
BVB-Trainer Nuri SahinIMAGO/Noah Wedel

Unter der Führung von Nuri Sahin sollte bei Borussia Dortmund alles besser werden. Allerdings erlitten die Schwarzgelben nach einem verheißungsvollen Start zuletzt deutliche Dämpfer – auch aufgrund von Rückfällen in alte Zeiten.

Nach einer halben Stunde Spielzeit am vergangenen Freitag wurden auf den einschlägigen Social-Media-Plattformen bereits Stimmen nach einer Beurlaubung von Nuri Sahin laut. Nur fünf Tage nach dem schmachvollen 1:5 gegen den VfB Stuttgart lag der BVB zu Hause gegen Bochum mit 0:2 zurück.

Es folgte ein Comeback angeführt von Karim Adeyemi und Serhou Guirassy, aber trotzdem sind damit viele Zweifel an der aktuellen sportlichen Leitung der Dortmunder nicht vom Tisch.

Infolge der etwas ambivalenten Vorsaison, in welcher Dortmund über die meiste Zeit hinweg unterdurchschnittlich spielte, jedoch zum Ende hin das Champions-League-Finale erreichte, sollte durch den Trainerwechsel von Edin Terzic zu Sahin ein Umbruch stattfinden.

Der Unterschied zwischen Terzic und Sahin

Terzic machte sich mit seiner teils defensiven Herangehensweise in Partien gegen Leverkusen oder Stuttgart keine Freunde, denn in der westfälischen Fußballmetropole erwartet man ein dominantes Auftreten des hochbezahlten Teams.

Sahin hat es zunächst auch verstanden, wieder auf sehr Ballbesitz-lastigen Fußball mit langen Passsequenzen zu setzen. Dadurch kann der BVB im besten Fall den Gegner weitestgehend dominieren und wenig Angriffe zulassen. Allerdings klappt das bislang nur, wenn wenig bis gar keine Fehler im Spielaufbau begangen werden und zugleich das Gegenpressing in den vorderen Spielfeldzonen greift.

Dortmund braucht Tempo in Richtung Strafraum

Kann der BVB seinen Ballbesitz nicht ordentlich absichern, sind die Schwarzgelben weiterhin anfällig wie eh und je. Denn in der Rückwärtsbewegung verhält sich die Viererkette auffallend passiv. Lieber geht man noch ein paar Schritte weiter zurück, als einen Zweikampf zu forcieren. Das Augenmerk wird darauf gelegt, Passwege und generelle Räume zuzustellen.

Pascal Groß (l.) und Emre Can im Spiel gegen Bochum<span class="copyright">IMAGO/Maximilian Koch</span>
Pascal Groß (l.) und Emre Can im Spiel gegen BochumIMAGO/Maximilian Koch

Allerdings ist das alles andere als einfach, wenn der Gegner mit Tempo übers offene Feld vorstößt. Eigentlich sollte mit der Verpflichtung von Waldemar Anton – und auch angesichts eines fitten Niklas Süle – in der zentralen Verteidigung alles besser werden. Die Restverteidigung bleibt jedoch ein Problem.

Der Kapitän als BVB-Schwachpunkt

Zugleich muss Sahin weiter an der Ausgestaltung des Offensivspiels basteln. Neuzugang Pascal Groß ist ein wichtiger Übergangsspieler zwischen Defensive und Angriff. Jedoch funktioniert der 33-Jährige vor allem dann, wenn er ein Stück weit vorrückt und hinter der ersten Linie des Gegners angespielt wird.

Dadurch verweilt jedoch nur Emre Can im defensiven Mittelfeld, wobei der Dortmunder Kapitän dort wenig Präsenz ausstrahlt und auch in der Rückwärtsbewegung nicht so griffig scheint. Zugleich bleibt die Rolle von Julian Brandt ein Diskussionsthema. In der aktuellen Dortmunder Grundformation fungiert Brandt de facto als Zehner oder auch Schattenstürmer, weil kein anderer im BVB-Kader diese Position ansonsten besetzen kann.

In dieser Grundformation spielte Dortmund am Freitag gegen den VfL Bochum.
In dieser Grundformation spielte Dortmund am Freitag gegen den VfL Bochum.

Jedoch hat Brandt in seiner Karriere immer dann am besten funktioniert, wenn er ähnlich wie Groß aus den tieferen Halbräumen die Offensive ankurbeln konnte. Dortmund braucht eben dieses Ankurbeln der beiden Mittelfeldakteure, denn Sahins Mannschaft wird vornehmlich gefährlich, wenn es schnelle Übergänge in Richtung gegnerischer Strafraum gibt.

Kommt das Ballbesitzspiel derweil zum Erlahmen, ist der letzte Ausweg meist eine Flanke von der Außenbahn. Guirassy hat gewiss Qualitäten in der Luft, wie er auch gegen Bochum wieder unter Beweis stellte. Aber ein durchweg probates Mittel sind derlei Flanken nicht.

Generell hat sich die Spielkultur unter Leitung von Cheftrainer Sahin verbessert. Aber der BVB ist noch weit davon entfernt, sich wieder auf Augenhöhe mit Bayern München oder auch Bayer Leverkusen zu befinden. Dafür fehlt es klar an defensiver Stabilität. Die Gefahr, dass Dortmund während einer Partie mehr oder weniger kollabiert, so wie gegen Stuttgart, ist immer vorhanden.