Analyse von Ulrich Reitz - Empört über afghanische Asyltouristen? Sie nehmen sich, was Rot-Grün ihnen zugesteht

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Nancy Faeser (SPD), Bundesministerin für Inneres und Heimat, unterhalten sich in der Plenarsitzung im Deutschen Bundestag.<span class="copyright">Bernd von Jutrczenka/dpa</span>
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Nancy Faeser (SPD), Bundesministerin für Inneres und Heimat, unterhalten sich in der Plenarsitzung im Deutschen Bundestag.Bernd von Jutrczenka/dpa

Afghanen reisen mit deutschem Flüchtlingspass nach Afghanistan zurück und kehren unbehelligt nach Deutschland zurück. Ein klassischer Fall von Asyltourismus. Aber wo genau liegt der Skandal? Eine Spurensuche.

Halt – es gibt Menschen, die tatsächlich aus einem sicheren Schutzland in das Land zurückkehren, das sie verfolgt. Zum Beispiel Alexeij Nawalny, der gefährlichste Oppositionelle, mit dem es Wladimir Putin je zu tun hatte. Darum haben die Russen dafür gesorgt, den Mann umzubringen. Was ihnen gelang, kurz bevor es der deutschen Bundesregierung glückte, Nawalny per Gefangenenaustausch aus der Hölle seines russischen Strafgefangenenlagers zu befreien.

Allerdings ist nicht jeder, der aus dem für ihn sicheren Deutschland in seine frühere Heimat zurückkehrt, ein russischer Dissident. Das ist vielmehr der Ausnahmefall – und wohl kaum jemand in Deutschland hätte es infrage gestellt, Nawalny ein weiteres Mal als Flüchtling hier aufzunehmen. So sollte es auch sein, das war die ursprüngliche Absicht beim Gefangenenaustausch, der zwischen Amerikanern, Russen und der deutschen Bundesregierung vereinbart worden war.

Das Asylrecht ist kein Gnadenrecht, sondern ein Privileg

Der Fall des Flüchtlings Nawalny ist drastisch, aber er macht klar, was der Sinn ist des deutschen Asylrechts, das politisch Verfolgte nach dem Grundgesetz genießen. Es ist kein Gnadenrecht, wäre es das, stünde im Grundgesetz, Deutschland „gewährt politisch Verfolgten Asylrecht“. Es ist stattdessen ein Privileg, das dem Flüchtling deshalb „gewährt“ wird. Der Unterschied ist wichtig, denn er macht den hohen Rang deutlich, den das Asylrecht unter den Gesetzen innehat.

Das erklärt nun die Empörung über jene Afghanen, die nach Deutschland kamen, um hier ihr Asylrecht einzufordern, um dann bei nächster Gelegenheit in das Land ihrer angeblichen Peiniger zurückzukehren – als Urlauber, oder um die Oma zu besuchen oder zu heiraten. Aber:

Wer in seinem Ex-Zuhause Urlaub macht, kann dort nicht verfolgt sein. Das sagt der gesunde Menschenverstand, das leitet sich ab aus dem hohen Rang des Asylrechts, das aber eben auch politische Verfolgung voraussetzt – die kaum gegeben sein kann, wenn man dorthin zurückfährt, um sich zu erholen. Von was eigentlich, von der neuen, sicheren, materiell sorgenfreien Existenz in Deutschland?

Jeder Afghanistan-Heimaturlauber tanzt dem deutschen Staat auf der Nase herum

Was an diesen Fällen, über die RTL berichtet hat , ist eigentlich der Skandal? So einfach ist diese Frage gar nicht zu beantworten. Wobei eins feststeht: Jeder Migrant aus Afghanistan, der hier – gut bezahlten, weil alimentierten – Schutz sucht, um dann nach Afghanistan in die Ferien zu fahren, tanzt dem deutschen Staat auf der Nase herum. In Afghanistan urlaubende afghanische Asylbewerber zeigen dem deutschen Staat den Stinkefinger. Wäre man Zyniker. müsste man sagen: zu Recht.

Auf der Suche nach dem Skandal landen wir beim Asylgesetz, Paragraf 73. Dort ist festgelegt, wann ein Asylbewerber sein Recht auf Asyl verliert, genauer, wann ihm „die Anerkennung als Asylberechtigter oder die Zuerkennung seiner Flüchtlingseigenschaft … zu widerrufen ist“. Das klingt nach Strenge und Unausweichlichkeit – „zu widerrufen ist“ – was bedeutet:

Das Asylrecht hat einen so hohen Rang, dass dem deutschen Staat nichts mehr anderes übrigbleibt, als dieses Recht zu widerrufen, wenn ein Flüchtling nicht nach den Regeln spielt. Und Urlaub im Folter- und Verfolgungsstaat sollte doch ein derartiges Flüchtlingsfoul sein – oder?

Das Gesetz erlaubt afghanischen Asyltourismus

In diesem Fall, dem Urlaubs-Foul, gilt allerdings ein: „Oder nicht“. Sechs Gründe für den Widerruf des Asylrechts nennt der Paragraf 73 – und der dortige Grund Nummer vier liest sich erst einmal, wie für afghanische Asyltouristen gemacht.  Bevor das dicke Ende kommt:

Die Anerkennung als Asylberechtigter verliert der Ausländer, wenn er „freiwillig in das Land, das er aus Furcht vor Verfolgung verlassen hat oder außerhalb dessen er sich aus Furcht vor Verfolgung befindet, zurückgekehrt ist“. Wäre der Absatz vier in Paragraf 73 an dieser Stelle zu Ende, wäre Asyltourismus tatsächlich verboten. Er ist es aber nicht, denn da folgt ein entscheidender Nachsatz: „… und sich dort niedergelassen hat“.

Da steht nicht: „oder sich niedergelassen hat“. Das bedeutet: Ein Asylbewerber verliert sein Asylrecht, wenn er in seine Heimat zurückgekehrt ist „und sich dort niedergelassen hat“. Afghanische Asyltouristen haben aber gar nicht vor, sich in Afghanistan niederzulassen, sie wollen wieder zurück – und dürfen auch zurück. Will sagen:

Afghanischer Asyltourismus (oder syrischer, türkischer, usw.) ist erlaubt. Wer ergo auf der Suche nach einem Skandal ist, landet beim deutschen Gesetzgeber, der eine Rückkehr in das Land der Peiniger zulässt unter der einzigen Bedingung, dass diese Rückkehr nicht auf Dauer stattfindet.

Entweder das Asylgesetz ändern – oder beim Visum-Trick ansetzen

Man kann es auch anders fassen: Die Zustände, die heute für nachvollziehbare Empörung sorgen, auch aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit, weil die Steuerzahler die teuren Flüge der Afghanen zahlen, hat der deutsche Gesetzgeber selbst geschaffen.

Und toleriert sie weiterhin. Denn von einer Änderung der Gesetze ist nicht die Rede. Das Asylgesetz ist das eine. Es gäbe auch eine andere, einfache Möglichkeit. Die hat der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Heiko Teggatz, in die Diskussion gebracht. Teggatz setzt unmittelbar an am Missbrauch der Visa, die überhaupt die Basis sind für den jetzt aufgedeckten afghanischen Asyltourismus.

Mit den inzwischen 200.000 von deutschen Behörden für afghanische „Schutzbedürftige“ ausgestellten, sogenannten blauen Reisepässen, beantragen Afghanen Doppelvisa. Mit denen fliegen sie von Deutschland in den Iran. Von dort aus – unbemerkt von deutschen Behörden – weiter in ihre afghanische Heimat. Von dort nach dem Urlaub wieder zurück in den Iran, für den sie ein Visum haben. Das aber nur aufgeklebt worden ist – und bei der Weiterreise nach Deutschland einfach abgerissen und weggeworfen wird. Das ist der Visum-Trick .

Auf rot-grüner Ideologie gedeihen die Visa-Skandale der Ampel

Teggatz empfiehlt, die deutschen Airliner mit einem Gesetz dazu zu verpflichten, nur noch anständig im Pass abgestempelte Visa zu akzeptieren: „Es kann doch nicht sein, dass ein Visum auf ein Blatt Papier geklebt wird. Wenn ich nach Österreich fahre, muss ich die Vignette auch an die Scheibe kleben, da sie sonst nicht gültig ist.“

Solche Dinge zu ändern, gehört allerdings nicht zum Programm der Ampelregierung. Dahinter steht eine Ideologie, die bei SPD und Grünen beheimatet ist und dort als Antwort auf Nationalismus verstanden wird: Keine Grenzen – gerade fordern Grüne die Abschaffung von Grenzkontrollen – und Niederlassungsfreiheit für jeden überall. Menschen sollen dort leben können, wo sie wollen, weitgehend unabhängig von materiellen Verhältnissen oder Sozialsystemen, in die sie nie eingezahlt haben.

Multikulturalismus ist auch die ideologische Grundierung, auf der dann andere Visa-Skandale gedeihen können – wie jener, mit denen sich gerade das Auswärtige Amt auseinandersetzen muss. Annalena Baerbock will eben Migration möglichst nicht limitieren, das ist nur ehrlich, denn genau das ist eben nicht die Idee der Grünen.

Menschen fühlen sich durch Einwanderung bedroht

Dort wird Einwanderung als Bereicherung begriffen, bei der Mehrheit der Bevölkerung überwiegt inzwischen ein Bedrohungsgefühl. Auch das erklärt die miesen grünen Umfragewerte – besonders im Osten. Dort hat man sich gegen den Staat einst die Freiheit erkämpft, darum sind die Antennen für Staatsversagen hier länger als im Westen.

Nationalismus auf der rechten, Multikulturalismus auf der linken Seite. Man wünschte sich eine klare, auch gesellschaftliche Mehrheit für alles, was dazwischen liegt.