Analyse von Ulrich Reitz - Faesers Selbstlob ist mutig - vor allem, wenn man sich die Asyl-Statistik anschaut

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bei einer Pressekonferenz am 11. Juli in Berlin.<span class="copyright">dpa</span>
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bei einer Pressekonferenz am 11. Juli in Berlin.dpa

Bundesinnenministerin Nancy Faeser lobt sich dafür, dass die Zahl der Migranten sinkt. Allerdings hält die Asyl-Statistik auch einige so überraschende wie unbequeme Lehren bereit. Falls man sie denn finden will.

Das Selbstlob, mit dem die Bundesinnenministerin Nancy Faeser sich bedenkt, ist schon mutig. „Wir haben für neue Klarheit in der Migrationspolitik gesorgt.“ So kommentierte die Sozialdemokratin den Rückgang der Asylbewerber um knapp 20 Prozent im Juli – verglichen mit dem Vorjahreszeitraum.

Mit der Statistik ist es immer so eine Sache. Vergleicht man etwa die Zahl der offenen, also unerledigten Asylverfahren, dann sieht es gleich anders aus. Mehr als 228.000 Urteile stehen noch aus .

Zum Juli vergangenen Jahres waren es 182.000 – hier sind also die Zahlen um mehr als 20 Prozent schlechter. Was die Bundesinnenministerin unkommentiert lässt.

Asylbewerberzahl stieg im Juli im Vergleich zum Juni um zehn Prozent

Und auch im Monatsvergleich fällt die Bilanz eher mau aus. Laut den Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) stieg die Asylbewerberzahl im Juli im Vergleich zum Juni um zehn Prozent.

Auch nicht gerade eine Erfolgsmeldung, aber: die Normalität. In der zweiten Jahreshälfte kommen gemeinhin mehr Migranten nach Europa als in der ersten.

Aktuell pendelt sich die Zahl der Migranten ungefähr in der Mitte zwischen den Jahren 2022 und 2023 ein. Hochgerechnet werden es dann am Jahresende knapp unter 300.000 Menschen sein – lässt man den Familiennachzug weg.

Dabei handelt es sich nochmals um rund 100.000 nach Deutschland kommende Migranten. Die Statistik enthält freilich noch einige andere politisch interessante Informationen, man muss sie nur finden wollen.

Ungarn nahm im April und Mai fünf Asylbewerber auf

Welches Land hat die wenigsten Asylanträge in Europa – und zwar mit Abstand? Es ist das Land, das von der Europäischen Kommission am meisten unter Feuer genommen wird, auch wegen seiner Weigerung, Migranten mit anderen Europäern zu teilen.

Ein Land, in dem ein Regierungschef die Macht hat, der vom Volk inzwischen zum fünften Mal hintereinander mit großer Mehrheit wiedergewählt worden ist: Ungarn.

Im April und im Mai nahm Ungarn ganze fünf Asylbewerber auf. Was noch viel ist. In den ersten drei Monaten verzeichnet die Statistik eine Null. So war es auch im Juni.

Bemerkenswert ist auch die Entwicklung in den skandinavischen Ländern. Sie galten der politischen Linken in Deutschland wegen ihrer großzügigen Aufnahmebereitschaft jahrelang als Vorbild. Damit ist es inzwischen vorbei. Und zwar in allen Ländern gleichermaßen. Hier sind die Zahlen:

Es ist eine politische Entscheidung

Dänemark nahm im Juni 180 Asylbewerber ins Verfahren. Tendenz im Jahresverlauf: abnehmend. Finnland nahm ganze 210 Migranten auf. Tendenz gleichfalls: stark abnehmend.  Schweden: 760. Norwegen: 360. Rechnet man es zusammen, dann nimmt Deutschland 13mal so viele Asylbewerber auf wie alle skandinavischen Ländern zusammen.

Um dem Einwand zu begegnen, dies könne man kaum vergleichen, weil Skandinavien doch viel dünner besiedelt sei, hier der Vergleich: In Deutschland leben 84 Millionen Menschen, in den vier skandinavischen Ländern sind es 28 Millionen.

Deutschland dürfte also, verglichen mit Skandinavien, nicht 13mal so viele Migranten aufnehmen, sondern: Drei mal so viele. Was zeigt:

Es ist eine politische Entscheidung. Und auch die parteipolitische Entwicklung nimmt womöglich in Skandinavien nur vorweg, was dann in Deutschland folgt: Dort hat sich das politische Spektrum nach rechts verlagert, was ausschließlich mit der ungesteuerten Migration zu erklären ist, die von der jeweiligen Bevölkerung nicht mehr mitgetragen wurde.

Migrationsdebatte hat sich an einem Thema festgefahren

Hinzu kamen Sonderphänomene, wie etwa die sich explosionsmäßig ausbreitende Banden- und Clan-Kriminalität in Schweden, mit Malmö an der unrühmlichen Spitze.

In Dänemark, das Konservativen hierzulande inzwischen wegen seiner restriktiven, konsequenten Gesetze als Referenzgröße gilt, hatten die traditionell links stehenden Sozialdemokraten die Kraft, sich in der Migrationsfrage konsequent nach rechts zu bewegen. Dadurch konnten sie sich nicht nur selbst an der Macht halten. Sie schafften es auch, die Rechtsradikalen im Land klein zu halten.

In Deutschland hat sich die Migrationsdebatte ausgerechnet an einem Thema festgefahren, bei dem ohnehin nicht viel zu bewegen ist: bei den Abschiebungen. Der Bundeskanzler selbst hat ein großes Versprechen abgegeben, schon vor einem Jahr:

Abschiebungen „im großen Stil“ werde es geben. Davon kann nicht die Rede sein. Weil es auch gar nicht möglich ist. Und das, obwohl inzwischen weniger als ein Prozent der Migranten einen Anspruch auf Asyl wegen politischer Verfolgung nach dem Grundgesetz-Artikel 16 haben – auch das ist eine offizielle Zahl.

Syrien-Debatte wird durch Baerbocks Verhalten angeheizt

Gegenwärtig geht es um Syrien – um das Land, aus dem mit großen Abstand die meisten Migranten nach Deutschland kommen. Von ihnen wiederum sind die meisten männlich – knapp 70 Prozent. Und von denen sind die meisten jünger als 40 Jahre. Dass diese Gruppe, die aus einem sunnitisch-islamischen Land nach Deutschland kommt, gleichzeitig jene sein soll, die am schutzbedürftigsten ist, wäre eine mutige Annahme.

Migration funktioniert – als Schleppergeschäft - eher nach den Regeln der darwinischen Evolutionslehre: Survival of the fittest – der Stärkste kommt durch.

Ginge es allein um Schutzbedürftigkeit, müsste Deutschland etwa aus Afghanistan, wo die Taliban junge Mädchen brutal von jeglicher Bildung abschneiden, 90 Prozent Migranten weiblichen Geschlechts aufnehmen. Anstatt gut 30 Prozent.

Angeheizt wird die Syrien-Debatte durch das Verhalten der Bundesaußenministerin Annalena Baerbock. Sie macht, was die Grünen von ihr erwarten – und blockt Debatten um Abschiebungen nach Syrien konsequent ab. Und das auch nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster, wonach Abschiebungen auch nach Syrien möglich sein sollen.

In Sachsen leben zahlreiche Intensivtäter aus Syrien

So kann es dann passieren, dass selbst Syrer, die, wie Familienangehörige aus Stuttgart, als Intensivtäter bei der Polizei registriert sind, nicht abgeschoben werden in ihr Heimatland.

Und auf 230 vom Staat finanzierten Quadratmetern – nun ja: nicht nur dem Staat, der ihnen Schutz gewähren wollte, ungeniert auf der Nase herumtanzen. Sondern auch noch zu blutigen Messerstechern werden.

In Sachsen, wo bald gewählt wird, leben nach Angaben des dortigen Innenministers Schuster 250 Mehrfach- und Intensivtäter aus Syrien (so viel zu der Behauptung, im Osten lebten doch gar keine Ausländer). Der CDU-Mann verlangt von der Bundesregierung, über deren Abschiebung auch direkt mit der Regierung Assad zu verhandeln.

Das fordert inzwischen und angesichts des Stuttgarter Falls und im Hinblick auf das Verwaltungsgerichtsurteil von Münster auch die bayerische CSU. Es könne nicht sein, dass die Bundesregierung mit Damaskus über Entwicklungshilfe verhandle, nicht aber über die Abschiebung von Schwerkriminellen.

Man kann nicht sehen, an was gerade gearbeitet wird

Der Bundeskanzler hat gesagt, daran arbeite die Regierung. Er hat auch gesagt, diese Arbeiten seien vertraulich. Was zur Folge hat, dass man auch nicht sehen kann, an was gerade gearbeitet wird.

Sachsens Innenminister Schuster sagt, der Grundfehler der Politik von Außenministerin Baerbock sei, „dass sie nur mit denen auf der Welt reden will, die ihren moralischen Ansprüchen genügen“.