Analyse von Ulrich Reitz - Für Habeck und die Grünen kommt die VW-Krise zur Unzeit

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Mitarbeiter protestieren vor Beginn einer Betriebsversammlung in einer Halle im VW-Werk.dpa

Die VW-Krise schlägt in Berlin auf. Grüne fürchten um ihr Verbrenner-Auto – und denken sich gleich die nächsten Elektro-Subventionen aus.

Für das größte deutsche Industrieunternehmen und seinem Verhältnis zur Politik gilt: Wenn VW in Wolfsburg hustet, droht der Politik in Berlin eine Lungenentzündung.

Nicht nur, dass diese „Gewerkschaft mit angeschlossener Autoproduktion“, so der Branchenspott, bis hin in die Eigentümerverhältnisse eng mit (sozialdemokratischer) Politik verflochten ist: Wohl kein Unternehmen hat die Vorgaben der politisch gewollten Klima-Transformation betriebswirtschaftlich und kulturell so konsequent „gelebt“ wie die Autobauer aus Wolfsburg – bis hin zum klimapolitisch angesagten Currywurst-Verbot.

Die Reaktion der VW-Malocher auf diese woke Verirrung aus dem akademisch-veganen Parallel-Universum hatte der Kantinenchef anfangs noch „sensationell“ genannt – bevor die Firma den Rotsoßen-Wurstbann still und leise (und zur Freude von Gerhard Schröder) wieder kassierte.

Für die Grünen kommt die VW-Krise alles andere als gelegen

VW in der Krise zeigt für Friedrich Merz, den Oppositionsführer, nicht nur, „dass wir ein grundsätzliches Problem mit der Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft haben“.

Auf halbem Weg Richtung Kanzleramt hat der CDU-Chef als Hauptproblem die „einseitige Festlegung“ auf den Elektromotor als Hauptproblem ausgemacht. Politisch ist das für den Haupt-Christdemokraten eine nicht ungefährliche Argumentation – niemand hat die Entkarbonisierung der deutschen Automobilindustrie schließlich so konsequent betrieben wie die grün-gewirkten Eurokraten in Brüssel.

Brüssel, das ist die EU-Kommission, die noch nie einen Wähler gesehen hat. Die sinister in ihrer Zusammensetzung zwischen den Staaten zusammengeschnapste EU-Kommission hat einen Namen - den der mächtigsten Frau Europas. Die eine Parteifreundin ist von Friedrich Merz: Ursula von der Leyen.

In Deutschland sind es die Grünen. Und denen kommt die aktuelle Flaute bei VW speziell und beim Absatz der E-Autos generell alles andere als gelegen. Beinahe trotzig sagt die grüne Fraktionsvorsitzende Katharina Droege, dem E-Auto gehöre die Zukunft, „der Absatz steigt international“. Das stimmt, gilt etwa für Norwegen, das die Tesla-Flotte seiner Wikinger mit Petro-Dollars subventioniert. Es gilt aber gerade nicht für Deutschland.

Was Frau Droege auch nicht behauptet, sondern allenfalls insinuiert hat. Dumm nur, wenn dann die E-Auto-Zulassungen laut Kraftfahrtbundesamt im August hierzulande, im geografischen Verantwortungsbereich der Grünen, so zurückgegangen sind wie schon lange nicht mehr: um deftige 69 Prozent. Elektroautos sind inzwischen von einer Handels- zu einer Haldenware geworden.

Die Flaute am E-Automarkt ist für die Grünen eine schlechte Nachricht

Darum wirbt nun die grüne Ober-Parlamentarierin nun etwa nicht für die Freiheit der Verbraucher, sich das Auto zu kaufen, das ihnen am besten gefällt, sondern: Für den nächsten regulatorischen, also wirtschaftsfreiheitsberaubenden Eingriff, eine: „Ladesäulen-Verpflichtung an Tankstellen, um die Anreize zum Kauf eines E-Autos steigern“.

Wenn nun aber dieses E-Autos ein derartig phänomenales und selbsterklärendes Gewinner-Konzept ist, das sich ohnehin durchsetzen wird, weil alle so einen automobilen Schleicher prima finden, warum hat dann überhaupt grüne Politik ein Verbrenner-Verbot erfinden müssen? Und Steuervorteile beim Autokauf? Und Steuer-Ermäßigungen für Dienst-Limousinen? Und jetzt eine Ladesäulen-Verpflichtung, die eins sicher nicht zur Folge haben wird: Eine Preissenkung für Treibstoff, aus welchem Material der auch immer sein möge.

Ob das die Flaute am E-Automarkt beseitigen wird, ist mehr als ungewiss. Noch ungewisser ist, wie lange dies denn dauern wird – falls es denn überhaupt klappt.

Die Flaute am E-Automarkt, die nicht nur VW meldet, sondern auch Ford, ist vor allem für die Grünen eine schlechte Nachricht. Die grüne Transformation der Wirtschaft ist ihr Ding, für sie ist Robert Habeck der neue Ludwig Erhard. Darum werben sie schon lange mit einem „grünen Wirtschaftswunder“, das die größte Umstellung der Industrie seit der Industrialisierung zur Folge haben werde. Allerdings ist davon noch nichts zu sehen – im Gegenteil.

Die Abhängigkeit von China ist längst in Wolfsburg angekommen

Seit diese Transformation unterwegs ist, kostet sie Geld, Wettbewerbsfähigkeit, Arbeitsplätze, und: die Grünen ihren Ruf. Wenn inzwischen das längst erloschen geglaubte Phänomen der „german jobangst“ zurückkehrt, dann auch wegen der Begleitumstände der grünen Energiewende.

Nun aber zur Entlastung der Grünen: Seit Jahren schon, genauer, seit 2018, hat Deutschland unter den wichtigsten Industrienationen die Rote Laterne – die am langsamsten wachsende Wirtschaft der G-7-Staaten. Das hat viel zu tun mit der spezifischen deutschen Wirtschaftsverfassung, man nannte es einmal „Rheinischen Kapitalismus“ – die enge Verflechtung von Wirtschaft und Politik in einem Ökonomie-Korporatismus, die Gewerkschaften mittendrin.

Dieser Korporatismus, Experten sprechen von Neo-Merkantilismus, produzierte die politische von der Sozialdemokratie gewollte und der Christdemokratie nicht verhinderte ökonomische und damit auch politische Abhängigkeit von Russland – und China.

Die Abhängigkeit von China ist längst in Wolfsburg angekommen – in Form einer wachsenden Konkurrenz zu den chinesischen E-„Volkswagen“, die das deutsche Originalunternehmen im Gegensatz zu Maos tüchtigen Erben bisher nicht auf den Markt bringen konnte. Derweil hat das nächste chinesische Unternehmen bekanntgegeben, seine Elektro-Modelle in Deutschland auf den Markt zu werfen.

Klima-Transformation wird für Verbraucher zur unkalkulierbaren Kostenfalle

Just dies rückt auch den nächsten Versuch der Bundesregierung, dagegen anzusubventionieren, in ein fahles Zwielicht. 600 Millionen Euro pumpt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck gerade wieder in die doch eigentlich ausgelaufene Förderung der individuellen E-Mobilität. Bevorzugt wird diesmal aber nicht das Proletarier-Auto für alle, sondern die Privilegien-Senfte für Wenige. Denn nun will der grüne Philosoph Elektro-Dienstwagen subventionieren – bis zu einem Anschaffungspreis von 95.000 Euro. Womöglich sind dann Volkswagen dabei, sicher aber keine „Volks“-Wagen.

Und, nebenbei: Wollten die Grünen nicht das so genannte, tatsächlich aber nicht existente Dienstwagenprivileg abschaffen? Wobei sie das tatsächliche E-Auto-Privileg geflissentlich bei allen Debatten darüber verschwiegen haben – gemeint ist die allenfalls halbe Steuer, die für den geldwerten Vorteil von E-Dienstautos fällig wird.

Die Klima-Transformation ist jedenfalls extrem teuer – was auch an Kosten liegt, die erst einmal niemand in der Regierung auf der Rechnung hat. Diese Transformation ist für wichtige Teile der Wirtschaft längst zu einem Schreckgespenst geworden – und für viele Verbraucher wird sie zur unkalkulierbaren Kostenfalle.

Gerade hat die Regierung bekanntgegeben, die Gasleitungs-Entgelte zu erhöhen – die Gaspreise dürften damit um 20 bis 40 Prozent steigen. Es ist eine Entscheidung von Robert Habeck, sie soll den Absatz seines transformatorischen Lieblingsspielzeugs beschleunigen – der Wärmepumpe.

Je weniger Menschen keine haben, desto teurer wird für sie das Gas, von dem sie abhängig sind – das produziert den nächsten erzieherischen Hebel, den sich Habecks Leute für ihren grünen Chef ausgedacht haben.

Zur Erinnerung: Diese Dinge passieren gerade nach zwei Landtagswahlen, die besonders für die Grünen desaströs ausgegangen sind. Und die eine klare Botschaft der Wähler aus Sachsen und Thüringen nach Berlin transportiert haben: Wir wünschen uns eine Ende der Polit-Gängelung.

Doch davon kann keine Rede sein. Im Gegenteil: So wie Sozialdemokraten nie die Ideen für die nächste sozialpolitische Maßnahme ausgehen, so sind die Grünen stets gut für die nächste Öko-Subvention, die der Bürger und die Unternehmen mit ihren Steuern bezahlen müssen, was ihr Leben permanent verteuert.

In Berlin wird viel darüber diskutiert, wie lange und warum diese Regierung noch weitermacht. Die Antwort ist womöglich doch einfach: Sie finden, angefangen beim Bundeskanzler, richtig, was sie tun. Wachsendes Misstrauen in sie erklären sie sich nicht mit ihrer Politik, sondern damit, dass die Bürger sie nicht verstehen.

Die Ideen gehen ihnen auch nicht aus. Und inzwischen, nach etlichen Wahlniederlagen und einem partiellen Abrutschen in die einstellige Bedeutungslosigkeit, gilt die alte Volksweisheit:

Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert.