Eine Analyse von Ulrich Reitz - Als würden wir es besser machen! Deutsche Arroganz gegenüber Trump ist verstörend

Die Schriftstellerin Juli Zeh nennt Donald Trump ein „Großmaul, das mit zum Teil wirklich strunzdummen Aussagen daherkommt“. Sie ist mit Derlei nicht allein. Was die Frage aufwirft: Wer ist strunzdumm?

Unsere Antwort auf Donald Trumps „America first“, sei „Europe United“, sagt nun Annalena Baerbock  in jedes Mikrophon, das sich ihr entgegenreckt. Die Europäer sind allerdings gerade nicht so „united“, wie es sich die Außenministerin von den Grünen wünscht, wie der amtierende Bundeskanzler es sich wünscht und wie der wohl kommende Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) es sich wünscht. Sie alle pfeifen im Wald.

Europäer sind sich nicht einig

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, sozusagen die europäische Antwort auf Donald Trump, kann aktuell noch nicht einmal zum Mercosur-Gipfel nach Montevideo fliegen, um ein fertig verhandeltes  Freihandelsabkommen mit den Südamerikanern zu finalisieren. Weil die Europäer sich nicht einig sind – nicht einmal beim Freihandel, auf den sie existenziell angewiesen sind.

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Es wäre die einzig richtige Antwort auf das nationalistische MAGA-Machtgetöse, das Donald Trump vom ersten Tag an Richtung Rest der Welt sendet. Eben – “Europe united”. Der Grund für “Europe not united” ist die Angst des französischen Präsidenten Emanuel Macron.

Der predigt zwar seit Jahren schon die „Strategische Souveränität“ der Europäer gegenüber den Amerikanern. Sobald allerdings die materiellen Interessen der französischen Bauern ins Spiel kommen, ist es mit Macrons Interesse an einer europäischen Souveränität auch schon wieder vorbei.

Mit den USA oder doch ohne?

Nächster Punkt: In Berlin denken sie jetzt, in der Noch-Regierung wie der Noch-Opposition, an Europa als Verteidigungsgemeinschaft. Bei diesem zentralen Thema europäischer Sicherheit (vor Russland) gibt es allerdings und dummerweise, zwei Denkschulen, die sich auch noch gegenseitig so gut wie ausschließen.

In Frankreich wie in Deutschland denkt man europäische Sicherheit ohne die USA, in den mittelosteuropäischen Ländern gilt das als undenkbar. Je näher Europa geografisch dem autoritär-aggressiven Russland kommt, desto größer wird der aus real erlebter Bedrohung gespeiste Wirklichkeitssinn.

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Falls Europa sicherheitspolitisch eines Tages allein klarkommen sollte, vergingen bis dahin mindestens zehn prekäre Jahre – mit eingeschränktem amerikanischem Schutz. Und dann: Welchen Ersatz sollte es für den US-Atomschirm geben?

Die USA sind jetzt unter Donald Trumps Führung ein Superstaat

Wer wie Baerbock jetzt „Europe united“ beschwört als Antwort auf Trump, der bläst die Backen gehörig auf. Und blendet den Systemunterschied aus zwischen den Vereinigten Staaten und Europa: Die USA sind jetzt – mindestens für die nächsten beiden Jahre, unter Trumps Führung ein Superstaat, während die Europäer als Staat immer noch eine „lahme Ente“ sind – und absehbar auch bleiben.

In den USA hat ein Präsident das alleinige Sagen, eine Opposition, die relevant wäre, gibt es (erst einmal) nicht. Der Gerichtshof ist Trump „likeminded“ – es gibt eine konservative Richtermehrheit. Und für die nächsten beiden Jahre, bis zu den nächsten “Midterm”-Wahlen, verfügt Trump über eine Mehrheit im Kongress. Rivalen in seiner republikanischen Partei? Fehlanzeige.

Für diese knapp 24 Monate „ist“ Amerika jetzt Donald Trump. Europa ist aber nicht Ursula von der Leyen, auch wenn die Kommissionschefin gerne diesen Eindruck erweckt, wie gerade wieder beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos.

Wer gewinnt die Wette? USA oder Europa?

Zumal Trump jetzt auch noch eine brisante Wette mit den Europäern abschließt: Unter seiner Führung quittieren die Amerikaner das Pariser Klimaschutzabkommen. Brüssel hingegen promoviert seinen „Green Deal“, die vollständige Dekarbonisierung der Industrie. Wer wird die Wette gewinnen?

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Teil zwei dieser Wette wird sehr konkret: „Drill, baby drill“, hat Trump versprochen. Unter Trump ordnen die Amerikaner alles billiger Energie unter, deshalb fördern sie die eigene Energie, wo es nur geht, auch auf Kosten der Natur. Davon ist allein Deutschland weit entfernt.

Robert Habeck hat für den Import von amerikanischem LNG gesorgt, Flüssiggas, das aus Fracking-Gas gewonnen wird. In Deutschland analog zu den USA ins Fracking systematisch einzusteigen, ist für Grüne und SPD undenkbar. Die US-Energie wird auf Dauer günstiger bleiben. Auch deshalb geht Deutschland sozusagen einbeinig ins Rennen mit den USA.

Musk und die Hitlergruß-Vorwürfe

Was sich auch nach der Bundestagswahl kaum ändern dürfte. Ganz gleich, mit wem der wahrscheinliche Bundeskanzler Merz auch koaliert – weder mit den Grünen noch mit der SPD wären Fracking und auch eine Rückkehr zur Kernenergie machbar. Falls Merz selbst das überhaupt wollte – ein Teil seiner eigenen Union ist dagegen.

Während Scholz und Baerbock und Habeck noch besonnen auf Trump reagierten, überziehen andere mit ihrer emotionalen Abneigung. Und belegen Trumps  engen Vertrauten Elon Musk mit dem Vorwurf, dieser habe den Hitlergruß gezeigt. 

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Gesundheitsminister Karl Lauterbach, SPD, sagte bei “Hart aber fair”, was er später auch noch über die Digitalplattform X verbreitete, die ironischerweise Musk gehört: „Definitiv schätze ich Elon Musk nicht als Politiker, von dem, was man bisher weiß. Aber eine solche Geste mit seiner bereits bekannten Nähe zu Rechtspopulisten in faschistischer Tradition muss jeden Demokraten besorgen.“

Abgesehen davon, dass Lauterbach hier eine unbewiesene Tatsachenbehauptung aufstellt, die möglicherweise den Straftatbestand der Verleumdung erfüllt: Sein Vorwurf ist so beleidigend für den Trump-Vertrauten Musk wie tatsächlich absurd. Es macht die Sache auch nicht besser, dass Journalisten in diese Art von „Hitler-Hysterie“ willig einstiegen.

„Was man bisher weiß“ von Elon Musk ist, dass der Tech-Milliardär seinem kleinen Sohn die Gedenkstätte des Vernichtungslagers Auschwitz zeigte. Was man auch weiß, ist, dass Musks Chef Trump bei seiner Amtseinführung in die erste Reihe Familien israelischer Geiseln der islamofaschistischen Hamas-Terrororganisation setzte.

Abgesehen davon, dass ohne Musks Starlink-System die Ukraine – und ihr jüdischer Präsident Selenskyj - wahrscheinlich in den ersten Kriegstagen schon untergegangen wäre, was man ausführlich in Isaacsons Musk-Biographie nachlesen kann.

„Mit knapp 80 Jahren ändert sich ein Mensch nicht mehr"

Mit kaum zu übersehender Herablassung erklärte der außenpolitische Sprecher der SPD, Lauterbachs Fraktionskollege Nils Schmidt, Trump bleibe sich treu, das sei wenig überraschend, denn: „Mit knapp 80 Jahren ändert sich ein Mensch nicht mehr. Er ist und bleibt ein Politiker, der nicht versöhnt, sondern polarisiert.“

Mit 80 Jahren ändert sich ein Mensch nicht mehr? Wie nennt man das in linken Kreisen – biologistischen Rassismus?

Vieles hört sich in diesen Stunden und Tagen so an, als würden wir in Deutschland (und Europa) es besser machen als dieser schreckliche Trump in den Staaten. Dabei ist eine solche deutsche Arroganz gegenüber Trump, wenn auch nicht neu, so doch einfach: verstörend.

„Deutschland muss vom hohen Ross absteigen“

Jürgen Hardt, der außenpolitische Sprecher der Union, war bei Trumps Amtseinführung dabei. Er sagt, was inzwischen viele in Deutschland denken dürften, angesichts der Zuversicht und Entschlossenheit, mit der der neue US-Präsident es angehen lässt:   „Die deutsche Regierung, aber auch die Öffentlichkeit werden von ihrem hohen Ross absteigen müssen.“

Erst einmal hat Trump unmittelbar nach seiner Amtseinführung weniger polarisiert als vielmehr sein Wort gehalten: Er unterzeichnete – einsamer Rekord – 78 Präsidentendekrete, mit denen er seine zentralen Wahlversprechen umsetzte. Und mit einem Schlag die aus seiner Sicht von „Wokism“ geprägte Amtszeit seines Vorgängers Joe Biden ins Antiquariat schickte.

Bevor sich darüber Geister aufregen, denen ohnehin die ganze – rechte – Richtung nicht passt: Keiner der deutschen Kanzlerkandidaten wird im Fall seiner Wahl seine Versprechen so halten können, wie Donald Trump sie hält. Zum Beispiel zur Migration oder zur grün-roten Identitätspolitik.

Trump räumte die auch in Deutschland hoch umstrittene Genderpolitik mit einem Schlag ab und konstatierte für alle Bundesbehörden die ausschließliche Existenz von zwei biologischen Geschlechtern. Damit ist in Deutschland nicht zu rechnen, auch nicht unter einem Bundeskanzler Merz.

Trump verändert inzwischen auch den deutschen Wahlkampf

Markus Söder, der als Vertreter der einzigen verbliebenen starken Volkspartei CSU Trump im Stil noch am nächsten kommt, findet die „Idee“ hinter dem umstrittenen und von Frauenrechtlerinnen nachvollziehbar angegriffenen Selbstbestimmungsgesetz der Ampel inzwischen nachvollziehbar. Nach dem Wunsch einer grundlegenden und von Feministinnen verlangten Revision klingt das nicht.

Söder äußerte sich zuletzt in Bezug auf die Grünen auch nicht mehr so apodiktisch wie in den vergangenen Wochen und Monaten. Beim Weißwurstfrühstück mit Friedrich Merz sagte Söder dies: „Wenn es irgendwie geht, sollen die Grünen in die Opposition.“ Und wenn es irgendwie nicht geht?

Ungarns Viktor Orban sagt, Trumps Politik werde die Dinge „auf der ganzen Welt“ ändern. Das kann man noch nicht wissen. Aber die Wirkung von Trump spürt man überall – inzwischen auch im deutschen Wahlkampf. 

Eine Frage darum zum Schluss: Was passiert, wenn jetzt immer mehr Menschen sagen, da doch allenthalben von der Notwendigkeit einer grundlegenden Wende die Rede ist: So etwas wie unter Trump hätten wir hier auch gern?