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Analyse: Wie sich Emmanuel Macron als Macher von Notre-Dame inszeniert

Am vergangenen Montagabend verlässt Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron mit seiner Frau Brigitte den Ort der zu dem Zeitpunkt noch brennenden Pariser Kathedrale Notre-Dame. (Bild: AP)
Am vergangenen Montagabend verlässt Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron mit seiner Frau Brigitte den Ort der zu dem Zeitpunkt noch brennenden Pariser Kathedrale Notre-Dame. (Bild: AP)

Frankreichs Präsident nutzt die Gunst der Stunde: Dem Brand des französischen Symbols Notre-Dame stellt er sich symbolhaft entgegen. Großes Kino – mit dem er sich im Amt retten will.

Eine Analyse von Jan Rübel

Ganze fünf Minuten reichten Emmanuel Macron. Frankreichs Präsident hielt eine kurze Fernsehansprache, doch darin sparte er nicht mit großen Gesten. „Wir werden die Kathedrale noch schöner als zuvor wieder aufbauen, und ich will, dass das in fünf Jahren geschafft ist“, sagte er am Dienstagabend.

Damit versucht Macron einen mehrfachen Spagat. Zum einen inszeniert er sich als Macher und informeller König – in Notre-Dame ließ sich schließlich Napoleon Bonaparte zum Kaiser krönen. Zum anderen darf er nicht übertreiben, denn die Wut auf ihn als Verantwortlichen für diverse Sozialmiseren sitzt bei nicht wenigen Franzosen derart tief, dass sie rasch Gönnertum wittern könnten.

Der Spagat ist für Macron mehrfach zu absolvieren, weil er einen ehrgeizigen Wiederaufbau ausruft, der den Staat aber nichts kosten darf; immerhin muss der Präsident die kaum pralle Staatskasse schon erleichtern, um eben die Unzufriedenen rund um die Gelbwesten-Bewegung umzustimmen: Es soll Steuersenkungen und Hilfen für Rentner geben.

Der König strahlt recht hell

All dies verschafft Macron eine Atempause. Als Notre-Dame brannte, stand Frankreich für einen Moment geschockt still. Macron machte alles richtig, eilte zur Kathedrale, trauerte still und sagte eine Fernsehdebatte ab. Nun versucht er die Initiative an sich zu reißen, klar hat er seine miesen Umfragewerte im Blick.

Doch ein Wiederaufbau „schöner als zuvor“? Das klingt nach dem Versuch, sich selbst ein Denkmal zu bauen. Franzosen mögen durchaus eine gewisse Größe ihrer Staatsführungen, eine selbstbewusste Ausstrahlung – doch sie bilden ebenfalls das Volk der Revolution von 1793, das dieses Selbstbewusstsein auch selbst gegenüber den Regierenden zeigt.

Und Macrons Atempause dauert nur bis Samstag. An diesem Tag vor Ostersonntag hat die Gelbwesten-Bewegung zu Protesten aufgerufen. Diese uneinheitliche Gruppierung fordert weniger Steuern für alle, mehr Mitspracherechte und mehr Sozialleistungen. In der letzten Zeit ist der Elan dieser Demonstranten abgeflaut, ihre Zustimmungswerte sinken; Macron nahm mit der Initiierung von so genannten Bürgerdebatten einigen Wind aus den Segeln und konnte den Eindruck vermitteln, ihm liege wirklich etwas an mehr Mit- und Aussprache zwischen Bürgern und der Politik.

Die Gelbwesten fordern weiter heraus

Doch der Karsamstag wirkt wie ein Mobilisierungssymbol. Mit gewaltigen Protesten ist zu rechnen, sie sollen die größten überhaupt seit Beginn der Gelbwesten werden. Und längst ist bei nicht wenigen Franzosen die Abneigung gegenüber Macron derart gewachsen, dass ihnen auch der aktuelle Moment der Einheit in der Trauer um den Kathedralenbrand schnuppe ist. Staatssymbole sind nicht mehr sakrosankt, was die Beschädigung des Pariser Triumphbogens bei Protesten im vergangenen Dezember gezeigt hat.

Missgunst macht in dieser Stunde die Runde. Warum, fragen nicht wenige, soll nun so viel Geld in den Wiederaufbau einer Kirche fließen, wo es woanders fehlt? Warum sitzt den Reichen das Geld für Notre-Dame leicht in der Tasche, während sie sich Steuererhöhungen vehement widersetzen?

Daher hat Macrons gestenreiche Politik ein Geschmäckle. Er stellt sich als Leiter des Wiederaufbaus in die erste Reihe. Diese Arbeiten aber sollen von privaten Spenden realisiert werden, die gerade üppig fließen – von genannten Reichen und auch aus dem Ausland.

All diese Spagats könnten ihm gelingen. Nur sollte Macron seiner Entschlossenheit mehr Demut beigesellen. Sonst wirkt sie arrogant. Und damit gewinnt niemand eine Wahl.