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Kölner Fotografin: Menschen mit Behinderung ins rechte Licht gerückt

Nina Wallenborn schafft beeindruckende Schwarz-Weiß-Porträts.

„Ich ist ein anderer,“ schrieb der französische Dichter Arthur Rimbaud und schuf damit eines der bekanntesten poetischen und psychologischen Zitate. Es handelt sich um eine grundsätzliche Erkenntnis, die besagt, dass jeder Mensch immer mehr und anderes ist als das, was er auf den ersten Blick erscheint. Sowohl ich in den Augen der anderen als auch für sich selbst. Dieses „andere Ich“ ist Thema einer Ausstellung, die von der Fotografin Nina Wallenborn in den Gemeinnützigen Werkstätten GWK Köln präsentiert wird. Es handelt sich um ein fotografisches Projekt, das genau an diesem Ort entstanden ist, wo täglich viele Menschen mit geistiger Behinderung in verschiedenen Werkstattbereichen unterschiedlichsten Arbeiten nachgehen. Mehr als ein Dutzend Porträts Die gebürtige Hamburgerin, die seit zehn Jahren in Köln lebt, kennt die Einrichtung durch ihren Mann, der dort arbeitet. Schon zuvor hat sie Mitmach-Fotoprojekte für die GWK-Mitarbeiter realisiert. „Das andere Ich“ zeigt in schwarz-weißen Fotografien mehr als ein Dutzend Porträts von jungen Frauen und Männern, die den Betrachter ebenso direkt anschauen wie sie zuvor offen in die Kamera geblickt haben. Nicht ihre Behinderung steht im Vordergrund, sondern der Ausdruck ihres Charakters, erfahrbar über die Augen, den Blick, den Mund, die Mundwinkel. „Ich habe mich für die Schwarz-Weiß-Fotografie entschieden, um den Zusammenhang zwischen den Fotos zu stärken,“ erklärt die Fotografin, die in Deutz ein Studio unterhält. Farben sollen ebenso wenig zur Ablenkung werden wie andere Zeichen auf der Kleidung. Sie will ihre Fotos auf das Wesentliche konzentrieren, das Gesicht. Im Gesicht zeigt sich das Gefühl eines Menschen, seine Ängstlichkeit, sein Mut, seine Unsicherheit, sein Selbstbewusstsein, sein Stolz und möglicherweise sogar all das zugleich. Behutsame Annäherung Jedes einzelne Porträt ist eine behutsame Annäherung an Menschen, die in ihrem Leben mit vielen Vorurteilen und immer wieder mit unschönen Reaktionen konfrontiert werden. „Ich verstehe die Fotos auch als einen Beitrag gegen die Klischees und das Schwarz-Weiß-Denken, das den Umgang mit geistig Behinderten unverändert bestimmt,“ sagt Nina Wallenborn. Für sie war das Projekt eine große fotografische Herausforderung, weil einige der Fotografierten durch ihre Art der Behinderung nur sehr schwer ruhig bleiben und konzentriert in die Kamera schauen können. Bei einigen musste sie genau die eine, richtige Sekunde abpassen, um auf den Auslöser der Kamera zu drücken. „Ich konnte nichts erklären, ich musste viel improvisieren,“ erläutert sie. „Was auf der Ebene der Kommunikation passierte“ beschreibt sie als „eine äußerst interessante Erfahrung“. Dazu gehört auch, dass grundsätzlich alles langsamer geht. So freut sich die Fotografin, dass es ihr gelang, den Mann mit den spastischen Lähmungen für einen kurzen Augenblick zu einem ruhigen Stehen zu bringen. Dass sie den eingefleischten FC-Fan, der sonst den ganzen Tag mit FC-Schal und FC-Mütze herumläuft, dazu bringen konnte, sich ganz ohne diese Accessoires zu zeigen. Oder dass sie die junge Frau, die ihr Gesicht gewöhnlich hinter ihren Haaren verbirgt, davon überzeugen konnte, mit einem offenen Gesicht ihre ganze Kraft sichtbar werden zu lassen. „Sie haben es genossen, beim Fotografieren für einen Moment im Mittelpunkt zu stehen. Das haben sie nicht so oft in ihrem Alltag,“ sagt Wallenborn. „Ich fotografiere häufig Menschen ohne Behinderung, ihre Eitelkeit ist in aller Regel groß. Die Menschen aus der GWK sind ohne Eitelkeit, sie geben sich echt.“ Zwei Grundtypen fallen unter den Porträts auf. Die einen zeigen ein wunderbares Lächeln, die anderen wollen sich bewusst ernst präsentieren. Sehr schnell erkennt man, dass „das andere Ich“ nicht irgendwo in einer geheimen Tiefe des Menschen angesiedelt ist, sondern durchaus an der Oberfläche sichtbar wird. Man muss nur bereit sein, aufmerksam zu schauen, einfühlsam, ohne Vorurteile und allzu schnelle Definitionen. „Wichtig ist, dass man immer noch einen zweiten Blick tut“, so Wallenborn. Ihre Fotos zeigen eine Art, den anderen Menschen zu betrachten, die von Zurückhaltung und Anerkennung bestimmt ist. Und das, obwohl sie dem anderen ganz nah kommt. Die Gelassenheit, Freude, Leichtigkeit, Offenheit und Demut auf den Gesichtern der Porträtierten aus der GWK ist entwaffnend. Sie machen sichtbar, was uns allen gut zu Gesicht steht. Weil es das ist, was Menschen liebenswert macht. GWK Köln-Rodenkirchen, Sürther Straße 310, geöffnet Mo-Do 9-16 Uhr, Fr 9-13 Uhr, bis 31.März...Lesen Sie den ganzen Artikel bei ksta