In anderen Ländern unfreiwillig zum Organspender werden? Das müssen Sie beachten

In Deutschland tobt die Debatte rund um die Widerspruchsregelung für die Organspende. Noch bevor die offizielle Entscheidung dazu fällt, sollten Sie sich mit dem Thema auseinandersetzen. Denn: Diese Regelung gilt zwar noch nicht hierzulande, wohl aber in anderen EU-Ländern, in denen deutsche Touristen auch unfreiwillig zu Organspendern werden können.

Vor einer Organspende muss ein irreversibler Hirnfunktionsausfall diagnostiziert werden. (Bild: Deutsche Stiftung Organtransplantation)
Vor einer Organspende muss ein irreversibler Hirnfunktionsausfall diagnostiziert werden. (Bild: Deutsche Stiftung Organtransplantation)

“Die Widerspruchslösung ist keine Organabgabepflicht”, sagt Gesundheitsminister Jens Spahn. Sie sei aber eine Verpflichtung, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Ganz egal, ob man nun für die Widerspruchslösung ist oder beim alten Konzept der Entscheidungsregelung bleiben möchte – ob man Jens Spahn nun gut findet oder nicht: Dass über die Organspende gesprochen, diskutiert und gestritten wird, ist wichtig.

Widerspruchslösung: Haben Sie Angst, Organe zu spenden?

Weil sich die wenigsten mit dem eigenen Tod auseinandersetzen möchten, ist es ein undankbares Thema – klar. Denn wer mag sich schon im Alltag mit der eigenen Vergänglichkeit befassen? Nicht sehr viele: Der Bundesverband Deutscher Bestatter geht davon aus, dass lediglich bei fünf bis sechs Prozent der Beisetzungen Vorsorgen abgeschlossen wurden – also die Beerdigungen noch zu Lebzeiten geregelt und finanziert wurden.

Können bei Bestattungen die Angehörigen entscheiden und im Sinne des Verstorbenen handeln, ist das bei der Organspende schon jetzt nicht immer möglich. Denn von den Regelungen in anderen EU-Ländern können auch deutsche Touristen betroffen sein.

Welche Regelungen in welchen EU-Ländern gelten und was Sie beachten müssen, haben wir für Sie im Überblick zusammengefasst:

Was muss man als deutscher Tourist in anderen EU-Ländern beachten?

Laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) gilt im Ausland grundsätzlich die Regelung des jeweiligen Landes. Verstirbt ein deutscher Staatsbürger, wird er also nach den Gesetzen des jeweiligen Landes behandelt.

Die erweiterte Zustimmungslösung

Was sie bedeutet: Es dürfen nur Organe und Gewebe entnommen werden, wenn die verstorbene Person zu Lebzeiten einer Organspende zugestimmt hat. Hat die Person zu Lebzeiten keine Entscheidung getroffen und dokumentiert, dürfen Angehörige stellvertretend entscheiden.

Organspende: Talk bei „Hart aber Fair“ über die Pflicht, sich zu entscheiden

In diesen Ländern gilt die Regelung: Dänemark, Griechenland, Großbritannien, Rumänien, Schweiz

Widerspruchslösung:

Was sie bedeutet: Hat der Verstorbene zu Lebzeiten einer Organspende nicht ausdrücklich widersprochen, können Organe zur Transplantation entnommen werden – auch wenn die Angehörigen sich dagegen aussprechen.

In diesen Ländern gilt die Regelung: Bulgarien, Frankreich, Irland, Italien, Lettland, Liechtenstein, Luxemburg, Österreich, Polen, Portugal, der Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Türkei, Ungarn, Zypern

Widerspruchslösung mit Einspruchsrecht der Angehörigen

Was sie bedeutet: Hat der Verstorbene zu Lebzeiten keine Entscheidung getroffen, dürfen in einigen Ländern mit geltendem Widerspruchsrecht die Angehörigen von ihrem Einspruchsrecht Gebrauch machen.

In diesen Ländern gilt die Regelung: Belgien, Estland, Finnland, Litauen und Norwegen

Die Deutsche Stiftung Organtransplantation erklärt den Ablauf einer Organspende. (Bild: DSO)
Die Deutsche Stiftung Organtransplantation erklärt den Ablauf einer Organspende. (Bild: DSO)

Was können Sie tun, wenn Sie in jedem Falle Organe spenden möchten?

Es ist vor einem Auslandsaufenthalt ratsam, einen Organspendeausweis in der entsprechenden Landessprache auszufüllen und zu den Personalpapieren zu legen. So wird der Wunsch für die Organ- und Gewebespende auch im Ausland respektiert und den Angehörigen wird die oftmals schwierige Entscheidung abgenommen. Die BZgA bietet den Organspendeausweis hier in 28 Sprachen an. Sobald die Daten zur persönlichen Entscheidung in die vorgegebenen Felder eingetragen sind und eine Unterschrift erfolgt ist, ist der Organspendeausweis gültig.

Hintergrund: Regeln rund um den Organspendeausweis

Was können Sie tun, wenn Sie auf keinen Fall Organe spenden möchten?

Vielen Deutschen ist nicht bewusst, dass sie mit dem Organspendeausweis einer Organ- und Gewebespende auch ausdrücklich widersprechen können. Sie sollten das Kärtchen also auch bei sich tragen, wenn Sie sich nicht als Spender zur Verfügung stellen möchten. „Es ist bei einem Auslandsaufenthalt ratsam, neben einem Organspendeausweis in deutscher Sprache auch einen Ausweis in der Landessprache mitzuführen“, erklärt Dr. med. Heidrun Thaiss, Leiterin der BZgA. So wird die persönliche Entscheidung für oder gegen die Organ- und Gewebespende auch im Ausland verstanden.

In Österreich können Sie sich in das “Widerspruchsregister gegen Organspende” eintragen. Im Todesfall wird eine Eintragung durch das Bundesinstitut für Gesundheitswesen überprüft.

Welche Regelung gilt in Deutschland?

In Deutschland gilt die sogenannte Entscheidungslösung. Alle Bürger sollen durch regelmäßige Information in die Lage versetzt werden, eine unabhängige Entscheidung für oder gegen die Organ- und Gewebespende zu treffen. Organe oder Gewebe dürfen nur entnommen werden, wenn die verstorbene Person dem zu Lebzeiten zugestimmt hat – etwa auf einem Organspendeausweis oder in einer Patientenverfügung. Liegt keine Entscheidung vor, müssen die Angehörigen diese stellvertretend treffen.

Rund 10.000 Menschen warten hierzulande auf eine Organtransplantation. (Bild: Getty Images)
Rund 10.000 Menschen warten hierzulande auf eine Organtransplantation. (Bild: Getty Images)

Was soll sich an der bisherigen Regelung zur Organspende hierzulande ändern?

1. Die doppelte Widerspruchslösung

Im April 2019 haben der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach und weitere Parlamentarier einen Gesetzentwurf zur sogenannten Doppelten Widerspruchslösung vorgestellt. Demnach würde jeder Deutsche, der zu Lebzeiten einer eventuellen Organspende nicht widersprochen hat, für eine Spende infrage kommen. Nach dem Tod könnten aber zudem Angehörige eine Organentnahme ablehnen, wenn ihnen bekannt ist, dass der Verstorbene Bedenken gegen eine Organspende hatte.

2. Online-Register und Befragungen

Eine fraktionsübergreifende Gruppe um Grünen-Chefin Annalena Baerbock mit Abgeordneten von Union, SPD, FDP, Linken und Grünen schlägt hingegen Befragungen und Online-Register vor. Demnach sollen alle Bürger regelmäßig und verbindlich nach ihrer Haltung zum Thema Organspende gefragt werden, etwa wenn sie einen neuen Ausweis bei den Behörden abholen. Ihre Entscheidung sollen sie dann dort oder im Nachgang in einem bundesweiten Online-Register eintragen oder auch wieder ändern können. Mit Informationsmaterial, das dabei ausgeteilt wird, soll die Auseinandersetzung mit dem Thema Organspende gefördert werden.

Warum soll es überhaupt eine neue Regelung geben?

In Deutschland herrscht ein akuter Mangel an Spenderorganen. Rund 10.000 Menschen warten hierzulande auf eine Organtransplantation. Doch pro Jahr gibt es weniger als 1000 Spender. Alle acht Stunden stirbt ein Mensch auf der Warteliste, weil kein passendes Spenderorgan gefunden wird.