Angebliche Einflussnahme Brüssels: Musk schlägt sich auf Seite von Fidesz-Abgeordnetem

Angebliche Einflussnahme Brüssels: Musk schlägt sich auf Seite von Fidesz-Abgeordnetem

Der jüngste Beitrag des Tech-Milliardärs Elon Musk auf X dürfte die europäischen Politiker weiter verärgern. Die haben ihm bereits vorgeworfen, seine Reichweite auf der Plattform zu nutzen, um sich in nationale Debatten einzumischen.

Am Samstag beschwerte sich der ungarische Europaabgeordnete András László, Mitglied der regierenden Fidesz-Partei, auf X darüber, dass seiner Meinung nach mit zweierlei Maß gemessen wird, wenn es darum geht, wer Gelder an europäische NGOs spenden darf und wer das Recht hat, seine Meinung zu äußern.

"Als zehn Millionen US-Dollar illegal an die ungarische Linke für ihren Wahlkampf 2022 geflossen sind, haben die Eliten in Brüssel geschwiegen. Als die US-Botschaft in Budapest begann, Gelder an linke Medien zu verteilen, schwiegen die Eliten in Brüssel. Als das ungarische Parlament ein Gesetz zum Schutz der Souveränität verabschiedete, um diese weitere Einmischung zu verhindern, verklagte die Europäische Kommission Ungarn", schrieb er.

"Jetzt, da es einen weiteren Milliardär gibt, Elon Musk, der es wagt, seine Meinung zur europäischen Politik zugunsten der einen oder anderen politischen Seite zu äußern, wollen die sogenannten liberalen Eliten die Demokratie abschaffen, wenn ihnen das Ergebnis von Wahlen nicht gefällt. Und sie sprechen offen darüber, dass sie genau das kürzlich in Rumänien getan haben".

Musk postete Lászlós Kommentare an seine 212 Millionen Follower und ergänzte schlicht: "Exactly".

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Die Äußerungen über Rumänien gehen auf ein Missverständnis zurück, das noch am selben Tag zu einem Wortgefecht zwischen Musk und dem ehemaligen EU-Kommissar für digitale Angelegenheiten, Thierry Breton, führte.

In einem Fernsehinterview mit dem französischen Sender BFMTV/RMC sprach Breton über einen möglichen Wahlsieg der rechtsextremen AfD in Deutschland bei den vorgezogenen Wahlen im Februar.

Ein Teil dieses Interviews wurde dann von dem Nachrichtenportal Visegrád 24 auf X veröffentlicht, das in der Vergangenheit ungeprüfte Informationen verbreitet hat und von den Machern der polnischen investigativen Medienplattform OKO.press beschuldigt wurde, Fake News zu veröffentlichen.

Das Video, das auf dem Konto von Visegrád 24 X veröffentlicht wurde, trug den Titel: "Ehemaliger EU-Kommissar Thierry Breton sagt, dass die EU über Mechanismen verfügt, um einen möglichen Wahlsieg der AfD zu annullieren: Wir haben es in Rumänien getan und wir werden es natürlich auch in Deutschland tun, wenn es nötig ist."

Dieser Beitrag wurde von Musk aufgegriffen, der ihn erneut postete und Bretons "erstaunliche Absurdität" anprangerte und ihn als "Tyrannen Europas" bezeichnete.

Breton konterte schnell, indem er bestritt, ein Tyrann zu sein, und darauf hinwies, dass "die EU KEINEN Mechanismus hat, um irgendeine Wahl irgendwo in der EU zu annullieren."

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"Das, was in dem Video unten gesagt wird, bezieht sich keineswegs nur auf die Anwendung des DSA und seine Moderationspflichten. Lost in translation... oder eine weitere Fake News?" sagte Breton.

Der Digital Services Act der EU (DSA) verlangt von Online-Plattformen gegen illegale Inhalte vorzugehen.

In dem Interview sagte Breton, Europa solle "einen kühlen Kopf bewahren und seine Gesetze in Europa durchsetzen, wenn die Gefahr besteht, dass sie umgangen werden und wenn sie, wenn sie nicht durchgesetzt werden, zu Störungen führen können".

"Wir haben das in Rumänien getan, und wir werden es natürlich auch in Deutschland tun müssen, wenn es notwendig ist", sagte er.

Musk steht den EU-Vorschriften für den digitalen Raum schon lange kritisch gegenüber und wirft Brüssel Zensur vor. Doch in letzter Zeit, insbesondere seit er ein enger Vertrauter des designierten US-Präsidenten Donald Trump ist, wird Musk immer lauter in seiner Kritik an europäischen Politikern und politischen Parteien.

EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton vor einem Treffen der EU-Außen- und Verteidigungsminister. Brüssel, 14. November 2023
EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton vor einem Treffen der EU-Außen- und Verteidigungsminister. Brüssel, 14. November 2023 - Virginia Mayo/Copyright 2023 The AP. All rights reserved

Und darüber sind mehrere führende Politiker in Europa nicht erfreut.

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Der französische Präsident, der deutsche Bundeskanzler sowie der britische Premierminister und der spanische Ministerpräsident haben die Äußerungen des amerikanischen Milliardärs auf X, der von ihm 2022 gekauften Social-Media-Plattform, angeprangert.

Ohne ihn namentlich zu nennen, warf der französische Präsident Emmanuel Macron Musk vor, eine "neue reaktionäre Internationale" zu unterstützen.

"Wenn uns jemand vor zehn Jahren gesagt hätte, dass der Besitzer eines der größten sozialen Netzwerke der Welt eine neue reaktionäre Internationale unterstützen und direkt in Wahlen eingreifen würde, auch in Deutschland, wer hätte sich das vorstellen können", sagte Macron.

Der spanische Ministerpräsident schloss sich dieser Aussage an. "Die Reaktionäre Internationale, wie Präsident Macron sagte, angeführt vom reichsten Mann der Welt, greift offen unsere Institutionen an, schürt Hass und ruft offen zur Unterstützung der Erben des Nazismus in Deutschland bei den nächsten Wahlen auf", erklärte Pedro Sanchez.

In den letzten Wochen hat Musk eine Reihe von kontroversen Äußerungen gemacht.

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Der Milliardär und enge Freund von Donald Trump bezeichnete Bundeskanzler Olaf Scholz nach dem Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt als "inkompetenten Trottel".

Der Tesla-Chef griff auch den britischen Premierminister Sir Keir Starmer wegen Fahrlässigkeit an, weil dieser in den 1990er Jahren Staatsanwalt in Verfahren wegen der sexuellen Ausbeutung von mehr als 1.500 minderjährigen Mädchen durch Männer pakistanischer Herkunft war, und forderte wiederholt seinen Rücktritt.

Er beschuldigte auch Jess Philips, die britische Ministerin für Schutzmaßnahmen, eine "böse Hexe" und eine "Vergewaltigungs-Völkermörderin" zu sein.

GB News Anfang hatte Anfang des Jahres berichtet, dass Philips gegen eine weitere von der Regierung geleitete nationale Untersuchung von sexuellem Kindesmissbrauch gestimmt hatte, mit dem Argument, dass lokale Untersuchungen im Allgemeinen effektiver seien, um Veränderungen durchzusetzen.

Der Vorsitzende von Reform UK, Nigel Farage, spricht während der Südost-Konferenz der Partei auf dem Sandown Park Racecourse in Esher zu den Medien, 10. Januar 2025
Der Vorsitzende von Reform UK, Nigel Farage, spricht während der Südost-Konferenz der Partei auf dem Sandown Park Racecourse in Esher zu den Medien, 10. Januar 2025 - Jonathan Brady/AP

Und Anfang dieses Monats, nachdem er zugesagt hatte, 100 Millionen Dollar (97 Millionen Euro) an die rechtsgerichtete Partei Reform UK zu spenden, kritisierte Musk Nigel Farage mit den Worten, er habe "nicht das Zeug dazu", Parteichef zu werden.

Berlin hat die "unberechenbaren Äußerungen" des Milliardärs verurteilt, und Westminster prangerte "diejenigen an, die Lügen und Fehlinformationen verbreiten".

Auch Musks vermeintliche Einmischung in den deutschen Wahlkampf hat für Aufregung gesorgt. Am 9. Januar moderierte er ein Live-Interview auf X mit Alice Weidel, der Ko-Vorsitzenden der Partei Alternative für Deutschland (AfD), die Musk offen unterstützt. Die Partei wird als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft.

Während dieses Live-Streams forderte Musk die Deutschen auf, die AfD zu wählen. Dieses Interview veranlasste mehr als 60 deutsche und österreichische Organisationen, ihren Austritt aus X bekannt zu geben. Die deutsche Regierung beklagte eine Verzerrung des politischen Diskurses durch Musk und X.

Der französische Außenminister Jean-Noël Barrot ging in seiner Kritik noch einen Schritt weiter und forderte die Europäische Kommission auf, "mit aller Entschiedenheit" gegen Musk, X und dessen Reichweite vorzugehen.

Alice Weidel, nun Kanzlerkandidatin der AfD, bereitet sich auf ein Live-X-Interview mit Elon Musk in ihrem Büro in Berlin vor, 9. Januar 2025
Alice Weidel, nun Kanzlerkandidatin der AfD, bereitet sich auf ein Live-X-Interview mit Elon Musk in ihrem Büro in Berlin vor, 9. Januar 2025 - Kay Nietfeld/(c) dpa-POOL

Frankreichs Außenminister schloss ein Verbot von X in Europa nicht aus, ähnlich wie es in Brasilien geschehen ist. "Das ist in unseren Gesetzen vorgesehen", sagte er.

Die Europäische Kommission hat das soziale Netzwerk wegen möglicher Verstöße gegen das Gesetz über digitale Dienste untersucht.

Der deutsche Europaabgeordnete Damian Boeselager (Grüne/EFA) fragte die Kommission nach der Haltung von Elon Musk und der Rechtmäßigkeit dieser Eingriffe.

"Wenn es einen Verstoß gegen das DSA (Digital Services Act, Anmerk. d. Red.) gibt, würde ich gerne eine schnelle Reaktion sehen. Wenn also Elon Musk ganz einfach seine eigene Reichweite vergrößert und diese Vergrößerung nutzt, um eine Partei, die AfD in Deutschland, bei den deutschen Wahlen zu empfehlen, wenn das nach dem DSA illegal ist, dann würde das ein schnelles Handeln erfordern", sagte Boeselager.

Die Kommission weist darauf hin, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung im Mittelpunkt der europäischen Vorschriften steht. In diesem Fall kann die EU jedoch einen anderen Hebel ansetzen.

Ein Blick auf einen Laptop zeigt die Twitter/X Anmeldeseite mit Logo, Belgrad, 24. Juli 2023
Ein Blick auf einen Laptop zeigt die Twitter/X Anmeldeseite mit Logo, Belgrad, 24. Juli 2023 - Darko Vojinovic/Copyright 2023 The AP. All rights reserved

"Durch Algorithmen ist es möglich, eine bestimmte Art von Erzählung zu bevorzugen. Man kann eine bestimmte Art von Inhalten bevorzugen oder versuchen, eine andere Art von Inhalten zu verbieten", erklärte Thomas Regnier, Sprecher der Europäischen Kommission.

"Wir haben klar gesagt, dass ein solcher Livestream im Prinzip nicht durch die DSA verboten ist. Inwieweit ist er nun verboten, oder könnte er ausgeweitet werden? Genau das wird die Kommission untersuchen", fügte er hinzu.

Die Kommission, die deutsche Regulierungsbehörde und Vertreter der großen digitalen Plattformen, darunter auch X, werden sich am 24. Januar treffen. Die Kommission will eine Einmischung in die Bundestagswahlen Ende Februar verhindern.

Die europäischen Aufsichtsbehörden untersuchen X seit Dezember 2023. Doch Musks enge Beziehungen zu Trump haben nun erneut Fragen darüber aufgeworfen, wie die EU mit der Plattform und ihren mutmaßlichen Verstößen gegen den DSA umgehen wird.

In der Zwischenzeit können die EU-Staats- und Regierungschefs nur abwarten, wen Musk als nächstes ins Visier nimmt.