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Angela Merkel verrät uns, was deutsch ist

Zu Merkels Deutschland-ABC gehört natürlich auch B wie Bratwurst (Bild: AP Photo/Jens Meyer)
Zu Merkels Deutschland-ABC gehört natürlich auch B wie Bratwurst (Bild: AP Photo/Jens Meyer)

Die Kanzlerin erklärt in „Bild“ ihr Deutschland. Das gerät ziemlich handfest.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Von Angela Merkel geht die Rede, dass sie gern Rouladen kocht oder Kartoffelsuppe einem Tuna Tataki vorzieht. Tatsächlich schaut die Kanzlerin recht genau auf ihre Ernährung und ist umgeben von Mitarbeitern, die sorgsam darauf achten, dass bei den vielen Meetings stets Rohkost-Gemüse auf dem Tisch steht, und kein Mett-Igel.

Hausmannskost ohne Bier dazu?

Was allerdings Merkel allein an Kulinarischem eingefallen ist, als sie im Auftrag der „Bild“ zum 65. Geburtstag der Zeitung in einem Alphabet alles für sie deutsche notieren sollte, ist eine Bombe nach der anderen, in Kalorien betrachtet. Q wie Quinoa findet man ebenso wenig wie F wie Feldsalat, dafür: Butterbrot, Bratwurst, Frühstücksei, Hausmannskost, Hefeteig, Kartoffel, Pilze sammeln, Pflaumenkuchen, Quarkspeise, Rouladen mit Rotkohl, Vollkornbrot und Weihnachtsgebäck. Heiliges Blechle! Merkels Deutschland ist nicht nur ziemlich essensbetont, sondern ein echtes Schwergewicht; von Getränken allerdings scheint die Kanzlerin weniger zu halten. Okay, Bier und Wein als Alkoholika und womöglich nicht ganz jugendfrei wollte sie wohl in der Schublade belassen, aber auch kein B wie Buttermilch oder F wie Fanta? Dabei sagt doch der Arzt, man müsse täglich eineinhalb Liter…

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Nun, T wie Tischsitten und F wie Federbett sind ihr wichtiger. Überhaupt verrät Merkel als Wink mit dem buchstäblichen Zaunpfahl, was ihr wichtig ist: Da steht gleich zweimal I wie „Immerwährende Verantwortung Deutschlands für den Holocaust“ und S wie „Sicherheit des Staates Israel ist Staatsräson“, dieses starke Signal ist eine Antwort auf den jüngsten Antisemitismusbericht des Bundestages samt seinen schlimmen Ergebnissen und eine Botschaft für jene, die, TV-Dokus hin oder her, meinen mit Begriffen wie „Israelkritik“ und „Antizionismus“ agieren zu können ohne rot werden zu müssen. Müssten sie nämlich, denn die Begriffe kaschieren nur Antisemitismus: Wer zum Beispiel gern „Dänemarkkritik“ übte, würde wahrscheinlich Stirnrunzeln ernten und bestenfalls Nachfragen, ob es im vergangenen Urlaub zu viele Mücken gab.

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„Israelkritik“ meint eben nicht die Kritik an Regierungspraktiken oder Umfrageergebnissen, sondern die Infragestellung eines Landes an sich. Ähnlich verhält es sich mit „Antizionismus“, denn im Zionismus vereinen sich viele verschiedene Denkrichtungen, da gibt es sehr humanistisch ausgerichtete und auch weniger feine; allesamt reflektieren den Antisemitismus im Europa des 19. Jahrhunderts. Das „Anti“ zielt auf das große Ganze ab und findet in Merkels Erwiderungs-ABC den gerechtfertigten Konter.

So sind wir halt

Andere Wörter befremden eher. Warum die Kanzlerin auf E wie Ernst des Lebens kam – dass wir Deutschen ernster durchwirkt wären als andere Kulturen ist ein Mythos und eher unserem Wunschdenken geschuldet, kleine Kants und Lessings zu sein – oder auf P wie Pünktlichkeit – ein weiterer Mythos, der zu unserem unbescheiden selbst erfundenen Etikett M wie Made in Germany gehört – , erscheint mir weniger überzeugend. Da gefällt mir lieber F wie Freiwillige Feuerwehr, V wie Vielfalt oder H wie Helau und Alaaf. Und jetzt ab in die Pilze. Was? Ist noch nicht soweit? In Ordnung, also dann doch B wie Bratwurst.

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