Nach Anschlägen auf Kommunikationsgeräte der Hisbollah - Experte hält israelische Landoperation bis tief in den Libanon für wahrscheinlich

Israelische Soldaten begeben sich zu einem Sammelpunkt nahe der Grenze zum Gazastreifen.<span class="copyright">Ilia Yefimovich/dpa</span>
Israelische Soldaten begeben sich zu einem Sammelpunkt nahe der Grenze zum Gazastreifen.Ilia Yefimovich/dpa

Nach den Explosionen von Pagern der Hisbollah im Libanon sind nunmehr auch Sprechfunkgeräte in Massen explodiert. Was das im Nahen Osten für mögliche Folgen haben kann, erläutert Politik-Experte Joachim Krause.

Wenn man die Bilder aus dem Libanon sieht und wenn man davon ausgeht, dass dahinter eine israelische Stelle steht (vermutlich ein Geheimdienst, vielleicht auch das Militär), dann kommt die Frage auf, was das Ziel einer solchen Operation sein soll. Die Spekulationen darüber schießen mittlerweile ins Kraut. Jeder Geheimdienstexperte hat dazu eine andere Meinung.

Es kann sich lediglich um einen Versuch handeln, die Hisbollah zu verunsichern, es kann aber auch der Anfang einer größeren Militäroperation sein. Immerhin beschießt die Hisbollah seit Monaten den Norden Israels mit Raketen unterschiedlicher Qualität und Reichweite. Dies hat dazu geführt, dass Zehntausende Israelis sich weiter im Süden des Landes aufhalten müssen. Die israelische Regierung hat deutlich gemacht, dass sie nicht bereit ist diesen Zustand auf Dauer hinzunehmen.

Wie könnte eine derartige Militäroperation aussehen und welche Bedeutung käme dabei diesen Anschlägen zu?

Eine Militäroperation Israels hätte vermutlich zwei Ziele:

(1) Die Hisbollah soll daran gehindert werden, ihr enormes Potenzial an Raketen und auch Drohnen so gegen Israel einzusetzen, dass die nationalen Abwehrsysteme überfordert werden; und

(2) Israel will die Verbände der Hisbollah in den Norden drängen, um die Grenzregion zu entlasten.

Was das erste Ziel betrifft, so würde vor allem die israelische Luftwaffe Raketenstellungen und Munitionslager der Hisbollah sowie Führungseinrichtung der Terrororganisation bombardieren. Dass sie das kann, hat sie 2008 gezeigt. Aber es müsste auch sichergestellt werden, dass die Kommunikation innerhalb der Hisbollah zerstört wird. Denn ohne funktionierende Kommunikation wird die Hisbollah nicht in der Lage sein, massive und koordinierte Raketenangriffe gegen Israel durchzuführen. Die Zerstörung von Pagern und Funksprechgeräten liefert dazu einen gewissen Beitrag, wird aber bestimmt nicht ausreichen.

Feste Telefonverbindungen und die Nutzung des Internets werden ebenso zur Kommunikation beitragen wie eher unkonventionelle Verfahren. Sollte Israel eine größere Militäroperation planen, dann werden wir in den kommenden Tagen Operationen erleben, die weitere Kommunikationskanäle der Hisbollah zerstört. Das kann durch Luftangriffe auf Mobilfunkstationen und andere Einrichtung des Kommunikationsnetzes erfolgen oder auch durch Cyberangriffe. Dies setzt voraus, dass israelische Stellen sehr präzise Vorstellungen davon haben, wo die empfindlichen Stellen dieses Kommunikationssystems sind und wie man diese ausschaltet.

UN-Forderung wurde nie umgesetzt

Zum zweiten Ziel ist zu sagen, dass Israel erreichen möchte, dass sich die Kämpfer der Hisbollah so weit wie möglich in den Norden zurückziehen. Dadurch würde die Bedrohung durch Raketen zurückgehen. Auf jeden Fall möchte Israel erreichen, dass sich die Hisbollah aus dem Gebiet südlich des Flusses Litani zurückzieht. Tatsächlich sollte die Zone zwischen der israelisch-libanesischen Grenze und dem Fluss Litani schon lange frei von Hisbollah-Einheiten sein. Eine Resolution des UN-Sicherheitsrates von 2008 hatte das gefordert. Diese Forderung ist nie umgesetzt worden, weil sich in der „internationalen Gemeinschaft“ niemand fand, der diese Anordnung des Sicherheitsrates umsetzen wollte bzw. konnte.

Die Regierung Israels hat in den vergangenen Monaten über die USA und arabische Regierungen Druck auf die iranische Regierung ausgeübt, um die Erfüllung der Resolution auf diplomatischem Weg zu erreichen – ohne Erfolg. Es kann daher sehr wohl sein, dass Israel in einer Landoperation bis zum Litani-Fluss vorstößt, um die Hisbollah zu vertreiben. Auch da wäre die Störung der internen Kommunikationslinien der Hisbollah eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Militäroperation. Aber auch hier dürften explodierende Pager und Funksprechgeräte nicht ausreichen.

Wie bedenklich sind Produkte, Technik und Software aus China?

Wir werden in den kommenden Tagen erleben, was die Israelis tatsächlich umsetzen werden. Eines wird aber nach den Explosionen der Pager und anderer Kommunikationseinrichtungen im Libanon auch bei uns für Gesprächsstoff sorgen: wie groß sind die Risiken im Bereich der sicherheitsrelevanten Infrastruktur, die durch Wertschöpfungsketten entstehen, bei denen Komponenten und Endprodukte zur Verwendung kommen, die aus Ländern stammen, deren Regierungen uns feindselig gegenüberstehen? Das betrifft in erster Linie Komponenten oder Produkte, Technologien und Software, die aus China stammen.

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