Antisemitismus-Talk bei Dunja Hayali: "Das Deutschland von heute ist nicht das Deutschland von damals"

Dunja Hayali spricht mit dem Holocaust-Überlebenden Natan Grossmann und dem Sohn eines NS Täters (rechts) Jens-Jürgen Ventski. Foto: Screenshot / ZDF
Dunja Hayali spricht mit dem Holocaust-Überlebenden Natan Grossmann und dem Sohn eines NS Täters (rechts) Jens-Jürgen Ventski. Foto: Screenshot / ZDF

Es ist ein altes Thema, das mittlerweile ganz neue Ausmaße annimmt: Antisemitismus in Deutschland. Dunja Hayali spricht dazu nicht nur mit einem Holocaust-Überlebenden, der Freundschaft geschlossen hat mit dem Sohn eines NS-Täters, sondern auch mit einem jungen Vater, der Anfeindungen aus der muslimischen Community zu spüren bekommt.

“Neuer alter Hass – Wie antisemitisch ist Deutschland?” fragt Moderatorin Dunja Hayali in ihrer vergangenen Sendung und zeigt einen Film über Kinder, die heutzutage mit Judenfeindlichkeit zu kämpfen haben. Nora zum Beispiel. Das junge Mädchen muss sich von ihren Klassenkameraden Witze anhören wie: “Wie groß ist der größte Jude? Zwei Meter Stichflamme”. Bevor ihre Eltern in ein oberes Geschoss gezogen sind, wurden ihnen die Fensterscheiben eingeworfen. “Geh doch rein, Judenschwein”, haben die Attentäter gerufen. Seit zwei Jahren trägt sie nun nicht mehr ihren Judenstern als Halskette. “Es fühlt sich nicht so sicher an”, sagt sie.

Auch Alon Meyers Kinder werden angefeindet. Besonders bei seinem Sohn, der in einem jüdischen Sportverein Fußball spielt, spürt der Vater es, dass sein Sohn besonders von muslimischen Kindern, muslimischen Gegenspielern antisemitische Sprüche zu hören bekommt. Bei Dunja Hayali sitzt er nun auf der Couch gemeinsam mit Sawsan Chebli. Die SPD-Politikerin ist Palästinenserin.

“Ich fühle mich nicht bedroht. Ich werde bedroht!”

“Fühlen Sie sich manchmal bedroht?”, fragt Dunja Hayali Alon Meyer. “Ich fühle mich nicht bedroht, ich werde bedroht! Wenn man an hohen jüdischen Feiertagen wie dem Jom Kippur mit seiner Kippa an der Synagoge in Frankfurt auffällt, dann wird man beschimpft, tituliert und angegriffen. Das ist leider viel zu oft heute der Fall.”

Chebli hat eine klare Meinung dazu: “Es gibt Antisemitismus unter Muslimen und wir müssen denen den Kampf ansagen. Mich beschämt das und mir blutet das Herz. Der Kampf gegen Antisemitismus muss auch der Kampf der Muslime sein. Die meisten jungen Menschen können wir erreichen. Die haben kein geschlossenes Weltbild.” Judenfeindlichkeit gefährde die Gesellschaft und die Demokratie.

Einer, der ganz besonders in letzter Zeit von sich hat Reden machen, ist der Comedian Oliver Polak. In seinem Buch “Gegen Judenhass” beschreibt er viele kleine judenfeindliche Szenen, denen er sich Zeit seines Lebens ausgesetzt sah. Unter anderem ist er mit drei weiteren Kabarettisten auf der Bühne, die sich nach seinem Auftritt die Hände desinfizieren. Schnell ist der Mediengemeinschaft klar gewesen, dass es sich hierbei um Jan Böhmermann, Serdar Somuncu und Klaas Heufer-Umlauf handelte. Die Drei wehrten sich nun und sagen: Der Sketch war gemeinsam von allen erdacht worden.

“Zigeunerwitze sind Stand-up-Comedy, alles andere ist Antisemitismus”

Oliver Polak besucht nun die Sendung von Dunja Hayali. Eingeladen, so betont die Moderatorin, war er schon vor der hochkochenden Diskussion. Er sagt: “Ich habe bewusst keine Namen genannt, weil ich nicht wollte, dass über Einzelne gesprochen wird.” Hayali klärt auf, dass der Sketch so präzise beschrieben war, dass jedem klar sein konnte, wer gemeint war. “Das ist einfach nicht mein Thema”, gibt Polak zurück. “Wussten Sie, dass es passieren wird oder nicht? Es hieß ja, es gab Absprachen”, fragt Hayali nach der Planung des Sketches. “Es heißt es gab Absprachen, das würde ich an deren Stelle jetzt auch sagen. Das ist einfach nicht mein Thema”, wiederholt Polak und sagt, er sei gekommen, um über sein Buch zu sprechen.

“Warum kommen Sie mit dieser Geschichte erst jetzt? Warum veröffentlichen Sie die nach acht Jahren?”, fragt Hayali. “Fragt man das auch ein Vergewaltigungsopfer?”, gibt der Comedian zurück. “Wollen Sie das jetzt wirklich vergleichen?” “Nein, ich will gar nichts vergleichen, aber ich habe das nach meiner Erinnerung, nach meinem besten Wissen und Gewissen aufgeschrieben”, erwidert Polak. Doch Hayali lässt nicht so leicht locker: “Sie machen ja auch Witze über Minderheiten. Sie haben mal gesagt: Ich ficke grad eine Zigeunerin, beim Petting weißt du nie, ob sie dich und deine Wertsachen abtastet.” Wenig nachvollziehbar antwortet Polak darauf: “Das eine ist Stand-Up-Comedy und das andere ist Antisemitismus. Und ich habe über Antisemitismus geschrieben.”

Was genau beim Sketch nun passiert ist und wer was geplant hat, bleibt unklar. Klar ist, dass Oliver Polak sich ein ungünstiges Szenario herausgesucht hat, um seinen Punkt zu machen, der da lautete: Schon seit Kindesbeinen an, muss er sich mit Antisemitismus auseinandersetzen.

Holocaust-Überlebender liefert Lichtblick in schwieriger Diskussion

In der zweiten Runde der Gäste spricht Dunja Hayali nun über die alte Form des Judenhasses – den, der NS-Zeit. Dazu hat sie Natan Grossmann eingeladen. Er wurde erst in Łódź ghettoisiert und dann nach Auschwitz deportiert. Er ist der einzige seiner Familie, der den Holocaust überlebt hat. Seine Mutter ist – um ihm genügend zu Essen zur Verfügung zu stellen – verhungert. Mittlerweile besucht er als einer der wenigen verbliebenen Zeitzeugen Schulklassen – gemeinsam mit dem Sohn eines Kriegsverbrechers. Jens-Jürgen Ventskies Vater war Bürgermeister von Łódź und damit Vorsteher des Ghettos.

Die beiden lernten sich über die gemeinsame Teilnahme an der Produktion eines Dokumentarfilms kennen. “Erst war ich skeptisch”, sagt Grossmann. “Aber auch neugierig wie der Sohn aussieht.” Ventskie selbst hat die Kriegsverbrechen seines Vaters publik gemacht. Er sagt: “Mein Vater war ein sehr liebevoller Vater. Auf der anderen Seite habe ich ihn als Kriegsverbrecher entlarvt und muss nun mit beiden Vätern zurecht kommen.”

Einen Lichtblick in dieser neu aufflammenden Judenfeindlichkeit scheint es aber zu geben und den liefert ausgerechnet Holocaust-Überlebender Grossmann. Er sagt: “Das Deutschland von heute hat mit dem von damals nichts zu tun. Diese Demagogen haben das Deutsche Reich in die Irre geführt und das deutsche Nest beschmutzt und jetzt ist es sauber und wir müssen es sauber halten, alle zusammen.”