Anwalt klärt auf - Hitzefrei bei der Arbeit? Das sind die Regeln für Büro, Baustelle und Homeoffice
Steigende Temperaturen stellen Arbeitnehmer und Arbeitgeber jedes Jahr aufs Neue vor Herausforderungen. Anwalt Tobias Klingelhöfer klärt auf, welche Rechte und Pflichten bei Hitze am Arbeitsplatz gelten.
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Gibt es ein gesetzliches Temperaturlimit, ab dem Arbeitnehmer das Recht auf Hitzefrei haben?
Um es vorweg zu nehmen: Hitzefrei ist ein Privileg, das leider nur Schüler genießen. Arbeitnehmer hingegen haben selbst bei größter Hitze keinen automatischen Anspruch auf Arbeitsbefreiung, Verkürzung der Arbeitszeit oder Verlängerung der Pausen. Der Arbeitgeber muss allerdings die „Technischen Regeln für Arbeitsstätten“ (ASR) beachten.
Demnach sollen bei einer Lufttemperatur in Arbeitsräumen über 26 Grad Celsius Schutzmaßnahmen gegen die Hitze ergriffen werden. Liegt die Temperatur darüber, weil es draußen noch wärmer ist, darf man aber nicht einfach nach Hause gehen und die Arbeit einstellen. Allerdings kann man bei extremer Hitze durchaus einen Gang zurückschalten. Um Stress zu vermeiden, würde ich das aber nur nach vorheriger Rücksprache mit dem Arbeitgeber, dem Betriebsrat oder einem Rechtsanwalt tun.
Welche spezifischen Maßnahmen müssen Arbeitgeber ergreifen, um die Arbeitsbedingungen bei hohen Temperaturen zu verbessern?
Insbesondere in konservativen Berufen kann und sollte der Arbeitgeber darüber nachdenken, bestehende Kleidungsvorschriften zu lockern und auf Kostüme, Anzüge und Krawatten zu verzichten. Stattdessen sollte er seinen Mitarbeitern erlauben, mit atmungsaktiver, luftdurchlässiger Kleidung und leichtem Schuhwerk die Körpertemperatur in Schach zu halten. Wenn es aber einen festen Dresscode am Arbeitsplatz gibt, müssen sich die Mitarbeiter leider auch bei hohen Temperaturen danach richten.
Wie verhält es sich mit Hitzefrei für Arbeiter auf Baustellen oder Gärtner, die im Freien arbeiten?
Deren Arbeitgeber müssen laut dem Bürgerlichen Gesetzbuch dafür sorgen, dass sie vor Gesundheitsgefahren geschützt sind. Zum Beispiel durch das Aufstellen von Ventilatoren, mehr Pausen und indem sie kostenlose Getränke bereitstellen. Eine Kürzung der täglichen Arbeitszeit oder eine Verlegung der Arbeitsstunden in kühlere Morgen- oder Abendstunden ist auch möglich – und auf dem Bau können auch Markisen, Schatten spendende Planen oder Schirme sowie UV-Schutzkleidung, Kopfbedeckungen mit Nackenschutz, Sonnenbrillen oder Sonnencreme vom Chef gestellt oder bezahlt werden. All das ist aber kein Muss für den Arbeitgeber, sondern ein Kann!
Kann ein Arbeitnehmer Hitzefrei verlangen, wenn die Temperatur in einem Arbeits- oder Sozialraum 35 Grad übersteigt?
Das ist keine gute Idee. Schon gar nicht, wenn der Arbeitgeber Schutzmaßnahmen ergriffen hat, also beispielsweise Fenster, Oberlichter oder Glaswände gegen direkte Sonneneinstrahlung schützt. Die Arbeit komplett einzustellen, wäre nur denkbar für den Fall, dass wegen der hohen Temperaturen konkrete gesundheitliche Gefahren drohen.
Arbeitnehmer müssen aber auch beweisen können, dass das wirklich der Fall war, wenn der Arbeitgeber nachfragt. Können sie das nicht, müssen sie mit einer Abmahnung oder unter Umständen sogar mit einer Kündigung rechnen.
Wie können Arbeitnehmer ihre Arbeitsbedingungen im Home-Office bei Hitze selbst verbessern?
Da gibt es einige Maßnahmen. Viele sind vor allem im Homeoffice leicht umzusetzen. Aber auch im Büro ist es möglich, für Abkühlung zu sorgen; hier sollte man aber vorher den Chef um Erlaubnis fragen. So ist eine einfache, aber effiziente Möglichkeit, die Körpertemperatur zu senken, die Füße in kaltes Wasser zu stellen. Das geht hervorragend, wenn man einer sitzenden Tätigkeit nachgeht. Zudem sollte man sich regelmäßig für etwa 30 Sekunden kaltes Wasser über die Handgelenke laufen lassen; auch das kühlt den Körper insgesamt herunter.
Auch kühle Tücher oder Gel-Packs auf der Stirn und im Nacken helfen. Wer im Homeoffice arbeitet und nicht gerade ein Videomeeting auf der Agenda hat, kann sogar nach bester FKK-Manier textilfrei arbeiten. Wärmequellen wie zum Beispiel Drucker, Lampen, Computer und andere elektrische Geräte sollten nur bei Bedarf in Betrieb sein und nach Feierabend ganz vom Netz genommen werden. Und dass man möglichst viel Wasser und ungesüßte Tees trinken sollte, versteht sich wohl von selbst.
Was ist eigentlich mit berufstätigen Eltern, die kleine Kinder betreuen müssen, wenn diese in der Schule Hitzefrei bekommen?
Bekommen Kinder der Sekundarstufe I Hitzefrei oder der Unterricht wird eher beendet, können Eltern, ähnlich wie bei Kinderkrankentagen, freigestellt werden, sofern sie keine andere Betreuung für den Nachwuchs finden. Grundsätzlich muss ein Arbeitnehmer so eine Freistellung aber nicht bezahlen – es sei denn, der Fall ist im Arbeitsvertrag als Sonderurlaub geregelt. Wer das verhindern will, kann für den Fall, dass es niemanden gibt, der kurzfristig auf den Nachwuchs aufpassen könnte, aber ja auch mal in der Chefetage nachfragen, ob man die Fehlzeit nicht eventuell nacharbeiten kann.