Anwohner leiden unter Lärm und Erbrochenem - „Anstrengend, Stau, Stress“: Oktoberfest wird für Münchner zur Belastungsprobe
Wenn Hunderttausende auf die Wiesn strömen, hinterlässt das in den angrenzenden Wohngebieten Spuren. Anwohner stören sich an Verkehrschaos und unliebsamen Hinterlassenschaften. Ein Postbote nimmt sogar Urlaub, um dem Oktoberfest-Stress in München zu entfliehen.
So lässt sich das Treiben auf dem Oktoberfest entspannt beobachten. Sülo sitzt am Sonntagmittag im Außenbereich einer Bäckerei, auf dem Tisch steht ein Kaffee.
„Das ist schön zum Zuschauen“, findet er. Doch er kennt auch die Schattenseiten der Wiesn-Zeit. Denn Postbote Sülo wohnt seit mehr als 50 Jahren in der Nähe der Theresienwiese. Wegen des Oktoberfests hat er sich extra zwei Wochen Urlaub genommen, erzählt er im Gespräch mit FOCUS online. „Ich möchte den Stress nicht.“
Wegen der Sperrung des Bavariarings müssen Autofahrer Umwege in Kauf nehmen. Viele weichen deshalb auf die angrenzenden Wohngebiete aus, zumal die Wiesn-Besucher teilweise wild parken.
„Anstrengend, Stau, Stress“, fasst Sülo die Kulisse für die Betroffenen zusammen. Für Postboten wie ihn bedeutet das: „Es ist ganz schwer, durchzukommen.“ Mit den freien Tagen umgeht er die Probleme und genießt stattdessen die Sonnenstunden im Freien.
Wenn sich Wiesn-Besucher auf den Heimweg machen, können Kinder kaum schlafen
Bereits in den Vorjahren hatten sich Anwohner der Schießstättstraße über die Zustände während der Wiesn beklagt. „Am Samstagabend war es schon extrem“, findet Anwohnerin Daniela.
Ab 20 Uhr werde es richtig laut und dann auch noch einmal ab 23 Uhr, wenn sich die Wiesn-Besucher auf den Heimweg Richtung Hackerbrücke machen – wer die Hauptstraße meiden will, gelangt auch über die Schießstättstraße zur S-Bahn-Station. Insbesondere für kleine Kinder sei es so schwierig, in Ruhe zu schlafen.
In den Vorjahren störten sich Daniela und ihr Partner Ronald vor allem an der Verkehrssituation vor ihrer Haustür. Mit der Kamera dokumentierte Ronald unter anderem laute Hupkonzerte: „Das war absurd.“ Zumindest das habe sich in diesem Jahr deutlich gebessert.
„Jetzt ist es eine Einbahnstraße“, lobt er die Stadt für das vorübergehende Eingreifen. Zudem sind einige Anwohner-Parkplätze in den 16 Oktoberfest-Tagen einem Taxistand mit absolutem Halteverbot gewichen. Dadurch entspanne sich die Situation spürbar.
Während der Wiesn: „Die Parkplatzsuche ist eine Katastrophe“
„Die letzten Jahre waren deutlich schlimmer“, sagt Daniela. Und betont, dass die Stadtreinigung bei Bedarf sofort zur Stelle sei. Auf das Paar wirkt es so, als sei in diesem Jahr auf dem Oktoberfest weniger los – obwohl die Veranstalter zur Halbzeit mehr Besucher zählten als im Vorjahr.
Den zwischenzeitlichen Stau am Sonntagmittag nehmen viele Autofahrer gelassen hin. Zwei Abschleppwagen entfernen abgestellte Wagen aus den Parkverboten. An einigen Windschutzscheiben klemmen Strafzettel unter den Scheibenwischern.
„Die Parkplatzsuche ist eine Katastrophe“, ärgern sich Anwohner wie Patrick über die vollgestellten Flächen. Für ihn sind jedes Jahr vor allem die ersten beiden Oktoberfest-Tage stressig. Dann gewöhnt er sich langsam ans Wiesn-Klima, sagt er.
„Die Wiesn war vor mir da, da darf man sich nicht so wichtig nehmen“
„Man lässt sich von der guten Laune anstecken, das gehört dazu.“ Für die Anwohner gibt es seiner Meinung nach viel zu sehen: „Im Großen und Ganzen ist das eine gute Geschichte. Die Wiesn war vor mir da, da darf man sich nicht so wichtig nehmen.“
Klar seien Urin oder Erbrochenes auf den Wegen oder an den Eingängen nicht sonderlich angenehm, doch das gebe es gelegentlich auch ohne die Wiesn. Andere Anwohner sehen es ähnlich.
„Man muss schon aufpassen, dass man die Tore schließt, damit niemand reingeht oder an das Auto pinkelt“, sagt zum Beispiel Lisa, die ebenfalls in Oktoberfest-Nähe wohnt. Während der Wiesn sei es zwar lauter als sonst, aber auch schön.
Manche Anwohner freuen sich über die autofreie Zone
Die Vorzüge des Oktoberfests überwiegen auch für Benedikt und Anna-Lena. „Man kann herrlich mit dem Rad um die Theresienwiese fahren“, freut sich Anna-Lena über die autofreie Zone.
Anwohner wie sie und Benedikt können der Wiesn außerdem spontan einen Kurzbesuch abstatten oder an Regentagen entspannt warten, bis das Wetter besser wird. Das Oktoberfest nervt viele Anlieger also nur begrenzt. „Die Raser und hupenden Autos im restlichen Jahr stören mehr“, sagt Benedikt.
Für rund zwei Wochen lässt sich der Trubel aushalten, sind sich die meisten Anwohner einig. Und wer sich dem damit verbundenen Stress nicht unmittelbar aussetzen will, nimmt wie Sülo Urlaub.
„Es ist ja nur einmal im Jahr“, sagt er und schiebt hinterher: „Ich bin froh, dass es nur zwei Wochen sind.“ Danach sind die Anwohner erleichtert, wenn rund um die Theresienwiese wieder Normalität einkehrt.