Arbeitspapier fordert mehr Steuern - Keine Schlupflöcher für Hausbesitzer und Erben mehr: Das ist der Zukunfts-Plan der Grünen
Mit dem neuen Vorstand der Grünen wird sich auch inhaltlich einiges ändern. Ein Arbeitspapier schlägt Maßnahmen vor, mit denen Immobilien-Investoren und -konzerne mehr Steuern zahlen müssten. Auch reiche Erben sollen keine Ausnahmen mehr bekommen.
In rund einem Jahr wird ein neuer Bundestag gewählt. Die Grünen, in den ostdeutschen Landtagswahlen zuletzt abgestürzt, geben sich dafür nicht nur einen neuen Vorstand, sondern mit dem bisherigen Vizefraktionschef Andreas Audretsch einen neuen Wahlkampfmanager. Der macht sich diese Woche gleich einmal an die Inhalte für den Wahlkampf. In einem achtseitigen Arbeitspapier hat er Ideen veröffentlicht, über die die Grünen-Fraktion bei ihrem Zukunftskongress beraten wird. Co-Autorin des Papieres ist die finanzpolitische Sprecherin Katharina Beck.
Hauptaugenmerk der Vorschläge sind Veränderungen im Steuerrecht, mit denen vor allem reiche Immobilienbesitzer, Immobilienkonzerne und Erben mehr an den Staat zahlen müssten. Zu beachten dabei ist, dass es sich bisher um ein Arbeitspapier handelt, das noch nicht einmal innerhalb der Partei beschlossen ist. Ob also die Grünen am Ende mit all den hier ausdiskutierten Forderungen in den Bundestagswahlkampf ziehen, ist unwahrscheinlich. Es zeigt aber die Richtung, in die es gehen soll.
Spekulationssteuer auf alle Immobilienverkäufe
Wenn Sie sich innerhalb der vergangenen zehn Jahre eine Immobilie gekauft haben und diese heute wieder verkaufen, dann müssen Sie auf den Gewinn zwischen Kauf und Verkauf Steuern bezahlen. Das gleiche gilt für Grundstücke. Umgangssprachlich wird das Spekulationssteuer genannt, praktisch müssen Sie aber den Gewinn aus dem Verkauf auf Ihr Einkommen in dem betreffenden Jahr aufschlagen und zahlen entsprechend eine höhere Einkommensteuer. Deswegen lässt sich auch kein pauschaler Wert für die anfallende Steuer angeben. Als Rechenbeispiel: Verkaufen Sie ein Haus mit 50.000 Euro Gewinn und haben sonst ein zu versteuerndes Jahreseinkommen von ebenfalls 50.000 Euro, dann würde sich Ihre Einkommensteuerlast in diesem Jahr um rund 22.000 Euro inklusive Solidaritätszuschlag erhöhen. Von dem Veräußerungsgewinn müssten sie also 44 Prozent abgeben.
Von diesem Steueraufschlag gibt es bisher zwei Ausnahmen. Die erste ist, wenn Sie die verkaufte Immobilie in den letzten drei Jahren selbst bewohnt haben. Daran wollen die Grünen nicht rütteln. Die andere ist, wenn Sie die Immobilie eben mehr als zehn Jahre nach dem Kauf wieder verkaufen. Schließlich soll die Spekulationssteuer nur Spekulationen verhindern. Das wollen Audretsch und Beck ändern. Die Frist soll für alle nicht selbst genutzten Immobilien abgeschafft werden. Dann würde auf jeden Gewinn aus Immobilienverkäufen Einkommensteuer fällig. Die Autoren rechnen dabei mit Mehreinnahmen von rund 6 Milliarden Euro pro Jahr für den Staat.
Keine Ausnahmen für Immobilienunternehmen mehr
Für Unternehmen und andere Organisationen, die Immobilien besitzen, gelten steuertechnisch bis jetzt mehrere Ausnahmeregeln. Eine Immobiliengesellschaft, die ausschließlich vermögensverwaltend tätig ist, zahlt bisher etwa Körperschaftsteuer auf ihre Gewinne, aber keine Gewerbesteuer. Als solche Gesellschaften zählen Unternehmen, die Einnahmen rein aus Vermietung und eventuellen Verkäufen beziehen, aber etwa nicht selbst Immobilien oder ganze Quartiere planen und bauen.
Audretsch und Beck argumentieren, dass dies zu Ungerechtigkeiten zwischen verschiedenen Branchen und selbst innerhalb der Immobilienbranche führt. Zudem benachteiligt es die Kommunen, denen die Einnahmen aus der Gewerbesteuer zustehen. Der Vorschlag der beiden Politiker ist deswegen, die Gewerbesteuer für alle Immobiliengesellschaften gleich zu berechnen. Das würde zu Mehreinnahmen von 1,5 Milliarden Euro führen, die ausschließlich bei den Kommunen landen.
Auch ein anderes, kurioses Steuerschlupfloch wollen die Grünen schließen. Kaufen Sie als Privatperson eine Immobilie, müssen Sie darauf je nach Bundesland zwischen 3,5 und 6,5 Prozent Grunderwerbsteuer bezahlen. Kaufen Sie aber nur Anteile der Immobilie, entfällt diese Steuerpflicht. Das Bizarre: Sie können bis zu 89,9 Prozent einer Immobilie auf diese Weise steuerfrei aufkaufen. Für Privatpersonen spielt das keine große Rolle, Immobilienunternehmen nutzen das aber aus, um vom Portfolio anderer Unternehmen eben maximal 89,9 Prozent aufzukaufen. Das gibt ihnen praktisch die Verfügungsgewalt über diese Immobilien, technisch müssen sie bei solchen „Shared Deals“ aber keine Grunderwerbsteuer bezahlen.
Audretsch und Beck schlagen vor, stattdessen ein Modell einzuführen, das in den Niederlanden bereits Usus ist. Dabei wird die Grunderwerbsteuer anteilig gezahlt. Kaufen Sie also etwa 25 Prozent an einer Immobilie auf, zahlen Sie 25 Prozent der Grunderwerbsteuer auf den Wert der Immobilie. Das soll verhindern, dass Immobilienunternehmen gegenüber Privatpersonen steuerlich bevorteilt werden. Für den Staat würde es Mehreinnahmen von rund einer Milliarde Euro pro Jahr bedeuten.
Keine Ausnahmen mehr bei der Erbschaftsteuer
Auch bei der Erbschaftsteuer sollen bisherige Schlupflöcher für besonders hohe Erbschaften gestrichen werden. Aktuell ist es so, dass bei Erbschaften von mehr als 26 Millionen Euro eine Verschonungsbedarfsprüfung durchgeführt wird. Dabei wird überprüft, ob der Erbe die eigentlich fällige Erbschaft- oder Schenkungsteuer aus seinem Privatvermögen bezahlen kann. Ist das nicht der Fall, kann er sich als „bedürftig“ bezeichnen und die Steuer wird erlassen.
Hintergrund dieser kuriosen Ausnahme ist, dass Vermögen in dieser Höhe selten in Form von Bargeld, sondern als Anteile an Unternehmen, Betriebsvermögen oder Grundbesitz vererbt und verschenkt wird. Da der Wert des Erbes hier eben in einem Unternehmen, Immobilien- oder Grundbesitz gebunden ist, müsste der Erbe selbiges verkaufen, um die Erbschaft- oder Schenkungsteuer bezahlen zu können. 2023 wurde 26 Erben und Beschenkten auf diese Weise Steuern in Höhe von 2,1 Milliarden Euro erlassen. Im Juni diesen Jahres nutzte die BMW-Erbin Susanne Klatten die Verschonungsbedarfsprüfung, um Teile ihres Unternehmensbesitzes an ihre drei Kinder zu übertragen. Ebenfalls steuerfrei sind Erbschaften von Wohnungsunternehmen mit mindestens 300 Wohneinheiten.
Audretsch und Beck finden diese Ausnahmen unfair, weil sie eben sehr reiche Menschen bevorteilen, während Normalverdiener ganz normale Erbschaft- und Schenkungssteuern bezahlen müssen und Erben geringer Vermögen durch Freibeträge davon befreit sind. „Es sind Ungerechtigkeiten wie diese, die wir künftig dringend abbauen sollten“, sagt Beck gegenüber dem Spiegel .
Was sagen Experten zu den Vorschlägen?
„Aus ökonomischer und sozialer Perspektive, kluge Vorschläge der Grünen“, urteilt Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), auf LinkedIn. Er lobt, dass die Ideen keine Steuererhöhungen enthalten, sondern durch Schließung von Schlupflöchern mehr Einnahmen generieren.
Der Chef des Münchner Ifo-Institutes, Clemens Fuest, verweist darauf, dass ein Haus ähnliche Vorschläge schon Ende 2021 in einem Artikel machte. „Die Immobilienbesteuerung in Deutschland weist erhebliche Lücken auf“, schreiben die drei Autoren, darunter Fuest selbst, darin. „Die Folge ist eine unfaire Verteilung der Steuerlast zu Gunsten von Steuerzahlern mit hohen Einkommen.“ Das Ifo-Institut schlägt deswegen auch eine Abschaffung der Frist bei der Spekulationssteuer und eine Gewerbesteuerpflicht für alle Immobiliengesellschaften vor. Was Fuest im Papier der Grünen allerdings fehlt, ist, was mit den Mehreinnahmen geschehen soll. Der Ökonom würde sie am liebsten dafür eingesetzt sehen, die Baukrise in Deutschland zu bekämpfen. Das könnte etwa durch eine Senkung der Grunderwerbsteuer passieren.