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Archiveinsturz: Fotos belegen laut Staatsanwaltschaft das Versagen der Kontrolleure

Der Einsturz des Kölner Stadtarchivs wäre vermeidbar gewesen.

Auf einem Foto ist das zerrissene Fugenblech zu sehen, auf einem anderen der falsch sitzende Betonkorb mit der Eisenbewehrung. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ gibt es zahlreiche Bilder und Videos aus den Jahren 2007 und 2008, auf denen die Auffälligkeiten bei Lamelle 11 zu erkennen sind. Die Unregelmäßigkeiten an jenem unterirdischen Bauabschnitt der U-Bahn-Baustelle am Waidmarkt also, die nach Ansicht der Staatsanwaltschaft letztlich zum Einsturz des Kölner Stadtarchivs geführt haben. Auch Jahre nachdem die U-Bahn-Wand fehlerhaft gebaut worden sei, hätte die Gefahr eines Einsturzes der umstehenden Gebäude demnach noch erkannt und gebannt werden können – wenn die zuständigen Kontrolleure nur ihre Arbeit gemacht hätten. So sehen es die Ermittler, die der Baustellen-Überwachung am Waidmarkt in der Anklage zum Archiveinsturz zahlreiche Fehler und Versäumnisse vorwirft. Anstatt vor allem die Seitenwand-Fugen wie vorgeschrieben auch während des Ausbaggerns der innen liegenden Baustellenfläche systematisch zu kontrollieren, seien andere Arbeitsschritte überprüft und dokumentiert worden. Die Aufnahmen von 2007 sind heute ein wichtiges Beweisstück Anders sei es nicht zu erklären, dass die Gefahr nicht erkannt wurde. Die Aufnahmen von damals aber sind heute ein wichtiges Beweismittel. Denn sie zeigen, oft ungewollt und nur im Hintergrund, auch die Probleme an Lamelle 11, die den Ermittlungen zufolge schon im März 2007 deutlich sichtbar waren. Und zwar so deutlich, dass sie einem Fachmann nach Ansicht der Fahnder „regelrecht ins Auge springen“ mussten. Zudem an einer Stelle des unterirdischen Baus, an der nahezu täglich gearbeitet wurde. Eineinhalb Jahre zuvor, bei der Herstellung der Wand im September 2005, sollen ein Polier und Baggerführer die Schäden durch Pfusch verursacht und dann vertuscht haben. Mit ihnen angeklagt sind jetzt zwei Bauüberwacher der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) sowie drei leitende Angestellte der beteiligten Bauunternehmen. Und auch die sollen auf ganzer Linie versagt haben. Viele Schwierigkeiten hätten die Kontrolleure aufhorchen lassen sollen Bereits beim Bau der Wand seien zahlreiche Hinweise auf eine potenzielle Gefahr übersehen und notwendige Kontrollen nicht durchgeführt worden. Obwohl der Polier Unterlagen gefälscht und Probleme verschwiegen habe, hätten die Kontrolleure auch schon aufgrund der vorhandenen Informationen alarmiert sein müssen. Mehrfach war man beim Ausbaggern des Wandabschnittes 11 auf Hindernisse im Untergrund gestoßen, mehrfach waren auch Zähne des Greifers abgebrochen, der daraufhin durch ein schmaleres Exemplar ausgetauscht wurde. Zudem lag eines der offenbar unüberwindbaren Hindernisse exakt in der Tiefe, in der es schon im vorherigen Wandabschnitt 10 erhebliche Probleme gegeben hatte. All dies habe im Lamellenprotokoll gestanden, betont die Staatsanwaltschaft. Und jeder einzelne dieser Punkte hätte die Verantwortlichen aufhorchen lassen müssen. Doch anstatt besonders penibel zu kontrollieren, seien sogar übliche Überprüfungen nicht durchgeführt worden. Die Eisenkörbe beispielsweise, die in die Schlitze eingelassen wurden, um sie dann mit Beton zu füllen, seien bei Lamelle 11 nicht vorschriftsmäßig gecheckt worden. Wäre dies geschehen, hätte leicht erkannt werden können, dass die Körbe manipuliert worden waren, damit sie in die falsch ausgehobenen Erdschlitze für die Wandteile passen. Eine Kontrolle durch die Bauleitung wäre dringend nötig gewesen Ebenso hätte bei einer fachmännischen Auswertung auffallen müssen, dass viel zu wenig Beton für die Lamelle verwendet wurde. Dass der Aushub nicht richtig durchgeführt wurde, hätte auch die anschließend vorgeschriebene Überprüfung der konkreten Lamellen-Größe gezeigt, vor der das Wandteil erst gar nicht erst hätte betoniert werden dürfen. Diese Messung ausfallen zu lassen und stattdessen ein gefälschtes Protokoll vorzulegen, sei nur deshalb für die Arbeiter möglich gewesen, weil die „Durchführung der Messfahrt“ von der Bauleitung nicht kontrolliert worden sei, was angesichts der vorher dokumentierten Probleme aber dringend nötig gewesen wäre. Die am Kölner U-Bahn-Bau beteiligten Firmen bestreiten den Vorwurf, durch einen Baufehler den Einsturz des Stadtarchivs verursacht zu haben. „Zum jetzigen Zeitpunkt sind die Untersuchungen vor Ort noch gar nicht abgeschlossen“, sagte ein Sprecher der Firmen-Arbeitsgemeinschaft ARGE. Eine klare Einsturzursache habe bisher nicht nachgewiesen werden können. Die KVB äußert sich im Hinblick auf das laufenden Verfahren nicht zur Anklage der Staatsanwaltschaft. So geht es weiter vor Gericht Nach dem Eingang der Anklageschrift hat das Landgericht Köln die Zuständigkeit für das Verfahren übernommen. Die Anklage sei bei der 10. Großen Strafkammer anhängig, teilte Gerichtssprecher Jan Orth mit. Die aus drei Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Laienrichtern bestehenden Kammer wird von dem Vorsitzenden Michael Greve geleitet. Der Strafprozess steht unter einem gewissen Zeitdruck. Denn am 2. März 2019 wird die zehnjährige Verjährungsfrist ablaufen. Sollte bis dahin kein Urteil erfolgt sein, bleiben mögliche Straftaten ungesühnt. Das Landgericht hat den Angeklagten sechs Wochen Zeit gegeben, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Im Anschluss werden Greve und Kollegen auf Grundlage der Stellungnahmen und des mehrere tausend Seiten umfassenden Aktenpaketes der Staatsanwalt entscheiden, ob sie die Hauptverhandlung eröffnen. Bis zum Beginn der Verhandlung kann es noch Monate dauern Strafverfahren sollen grundsätzlich so schnell wie möglich erledigt werden. Dabei gilt: Prozesse, bei denen Angeklagte in Untersuchungshaft sitzen, haben Vorrang. Das ist im Fall des Archiveinsturzes nicht der Fall. Bis zu einem ersten Verhandlungstermin wegen des Einsturzes kann es noch Monate dauern. Möglicherweise werde der Prozess erst Anfang des kommenden Jahres beginnen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt weiter gegen 89 am U-Bahn-Bau beteiligte Personen. Es wird geprüft, ob sie fehlerhaft gearbeitet und damit – unabhängig vom Einsturz des Stadtarchivs – andere Menschen in Gefahr gebracht haben. Untersucht wird etwa die Wasserhaltung auf der Baustelle. Dort wurde mit nicht genehmigten Brunnen große Mengen Grundwasser abgepumpt....Lesen Sie den ganzen Artikel bei ksta