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ARD-Doku über Lindner und die FDP: Es ist besser zu regieren, als nicht zu regieren

Sie haben es geschafft: 2017 wurde die FDP wieder in den Bundestag gewählt. Die Kräfte dahinter waren Wolfgang Kubicki (rechts) und Christian Lindner. Foto: NDR
Sie haben es geschafft: 2017 wurde die FDP wieder in den Bundestag gewählt. Die Kräfte dahinter waren Wolfgang Kubicki (rechts) und Christian Lindner. Foto: NDR

Schon zwei Monate bevor die FDP wieder in den Bundestag gewählt wurde und lange bevor Jamaika platzte, hatten sich die Journalisten Reinhold Beckmann und Ulrich Stein vorgenommen, ihre Doku über Lindner zu machen. Ein Jahr begleiteten sie den den jungen Politiker mit langer Karriere und zeichneten so ein Bild, das erklärt, warum die FDP unter ihm nicht zu Höherem berufen ist.

Auf den Austritt der FDP aus den Jamaika-Verhandlungen im Herbst 2017 haben die Menschen unterschiedlich reagiert. Manche empörten sich darüber, dass Christian Lindner mit seiner Partei einen Rückzieher macht, wenn es Ernst wird. Andere zeigten sich begeistert über so viel zur Schau gestellte Glaubhaftigkeit. “Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren”, sagte Lindner damals vor der Presse.

Doch mittlerweile, ein Jahr später, scheint es, als hätte sich Lindners Haltung wandeln müssen. Wäre er ganz ehrlich zu sich selbst, könnte er zugeben: Es ist besser, zu regieren, als nicht zu regieren. In der ARD-Dokumentation “Lindner und die FDP – Aufbruch ins Abseits” erzählen Reinhold Beckmann und Ulrich Stein, warum Christian Lindner seit seiner Absage an die GroKo immer mehr in eben jenes politische Abseits gerät und warum seine Partei auch nach der Neuaufstellung immer noch nicht wählbar für die Massen ist.

Eine steile Karriere

Lindner ist 34 Jahre alt, als er Parteivorsitzender wird. Zuvor hat er eine steile Karriere hingelegt. Schon vor dem Abitur gründete er, gemeinsam mit einem Freund, eine Werbeagentur und plante Marketingstrategien für Männer, die Firmen besaßen und mindestens doppelt so alt waren wie er. Ins Abitur steckte er nicht viel Mühe, er wollte lediglich den Schein in der Tasche haben. Dafür war er umso mehr an der Philosophie AG interessiert. Sein damaliger Lehrer Andreas Kramp erinnert sich, dass Lindner einmal zum Direktor sagte: “Geh mir aus der Sonne” und damit den Philosophen Diogenes zitierte, der das einst zu Alexander dem Großen gesagt haben soll. “Er hat ein bisschen kokettiert mit seiner philosophischen Bildung, wollte zeigen, dass er vor dem Direktor nicht kuscht”, erklärt Kramp.

Trotz seiner altklugen Haltung: Mit 18 Jahren verdiente Lindner sein eigenes Geld. Mit 19 Jahren kaufte er sich den ersten eigenen Porsche. “Ich konnte ihn mir zwar kaufen, hatte aber nicht immer das Geld, ihn vollzutanken”, erzählt er heute. Porscheliebhaber ist er geblieben und passt damit in den alten Dreiklang: Yuppi, Porsche, FDP.

Moderner Wahlkampf mit ungewöhnlichen Mitteln

Trotzdem hat er für den Wahlkampf 2017 ein ganz neues Programm gefahren, eine Kampagne, die perfekt auf ihn als Person zugeschnitten war. Die Werbefirma “Heimat” zeigt Christian Lindner nicht nur als jungen dynamischen Politiker, sondern auch als einen, der mal müde ist, ausgebrannt und fertig. Alles Attribute, die sich Politiker nur ungern zuschreiben. Dazu setzen sie auf eine junge und trendige Farbe: Magenta.

Lindner im Gespräch mit Reinhold Beckmann. Foto: NDR
Lindner im Gespräch mit Reinhold Beckmann. Foto: NDR

Doch die neue Marke kommt nicht so an, wie sie soll. “Brigitte”-Chefredakteurin Brigitte Huber findet es sei eine “eher kühle, erfolgsorientierte Ego-Marke”. Die Lebenswirklichkeit der Frauen findet sich darin kaum wieder. Ebenso wenig wie in den Themen. Von 18 Präsidiumsmitgliedern sind nur drei Frauen. Die FDP ist gegen eine Quote, weil sie die Frauen auf ihr Geschlecht reduziere und leistungsfeindlich sei. Deswegen wirbt nun FDPlerin Nicola Beer bei Veranstaltungen wie dem Treffen der “Liberalen Frauen Schwaben” dafür, dass sich mehr Frauen aus der Basis um höhere Posten bewerben.

In der Opposition geht er unter

Lindner hat derweil ein anderes Problem. Seit er der Regierung abgesagt hat, wird ihm von den Kollegen jedes Recht verweigert, Kritik an der Großen Koalition zu üben. Eigentlich albern. Trotzdem: Die anderen Politiker wollen ihr Spiel nicht von jemandem beurteilen lassen, der eigentlich hätte mitspielen sollen, nun aber am Rand steht und Kommentare reinbrüllt. Lindner geht unter. Besonders da seine Partei neben der medienwirksameren AfD sitzt.

Noch dazu kommt, dass Lindner zwar ein toller Redner ist, es jedoch nicht versteht, Nähe zu Bürgern aufzubauen oder die politischen Egos seiner Feinde zu füttern. So zumindest formuliert es der ehemalige FDP-Vorsitzender Klaus Kinkel. “Man muss in der Politik in der Lage sein, diejenigen zu streicheln, die einen selber nicht unterstützen.”

Das Image des aufplusternden Porschefahrers wird er nicht los

Die Doku zeigt eindrücklich, dass Lindner ein Mann ist, der anpackt, der vieles bewegen will und sich im Leben immer schon große Ziele gesteckt hat. Weiterhin scheint es, dass er tatsächlich einer von jenen ist, die nicht über die eigenen psychischen, physischen und vielleicht sogar moralischen Grenzen hinaus zur Macht streben will. Das hat er nicht nur in seiner Absage an Jamaika deutlich gemacht, sondern auch als er sich einige Jahre zuvor wegen interner Differenzen als Generalsekretär hinter Philipp Rösler zurückzog.

Nun ist er wieder da, er zeigt Haltung. Allerdings: Er wird das Image des sich aufplusternden Porschefahrers einfach nicht los. Würde er mehr Stimmen erzielen, wenn er sagt, er fahre lieber Golf? Vielleicht, weil dann die Identifikation mit der Masse größer wird. Doch ist er dann noch glaubwürdig und wahr? Nein. Trotzdem scheint Lindners unterkühlte und leistungsgerichtete One-Man-Show auch nicht das richtige Konzept für die Partei zu sein. Es bleibt dabei: Die FDP sucht noch nach ihrem Rezept für Anklang bei der Mehrheit.