ARD-Doku zur Pressefreiheit: Wie Journalisten in der Türkei unterdrückt werden

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan verspricht, dass die Gerichte nach seiner Wiederwahl am 24. Juni „noch unabhängiger arbeiten“ werden. Doch wie ist es um den Rechtsstaat Türkei wirklich bestellt? (Bild: AP Photo)
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan verspricht, dass die Gerichte nach seiner Wiederwahl am 24. Juni „noch unabhängiger arbeiten“ werden. Doch wie ist es um den Rechtsstaat Türkei wirklich bestellt? (Bild: AP Photo)

Die Rechtstaatlichkeit in der Türkei ist nach Ansicht vieler Beobachter spätestens seit dem Putschversuch im Juli 2016 in Gefahr. Tausende Menschen wurden verhaftet, zehntausende haben ihren Arbeitsplatz verloren. Ihnen wird Terrorunterstützung vorgeworfen. Auch Journalisten stehen massiv unter Druck. Eine ARD-Dokumentation widmet sich diesem Thema.

Am Dienstagabend strahlte die ARD in ihrer Reihe „Weltspiegel Extra“ den 30-minütigen Dokumentarfilm „Angeklagt in der Türkei“ aus, der sich mit dem Schicksal regierungskritischer Journalisten befasst. Der Hauptfokus lag dabei auf dem Fall der deutschen Staatsbürgerin Meşale Tolu.

Die Journalistin aus Ulm wurde im April 2017 festgenommen – mit ihrem zweijährigen Sohn. Ihr wird Terrorpropaganda und Mitgliedschaft einer Terrororganisation vorgeworfen. Sie streitet das ab. „Ich wurde damit bedroht, dass sie mir meinen Sohn wegnehmen, in eine Jugendanstalt geben”, erzählt die 33-Jährige dem Filmteam. Man habe ihr damit gedroht, dass ihr Sohn zu einer Sondereinsatzkommandokraft erzogen werde, die dann „gegen Terroristen“ kämpfen würde.

Die deutsche Journalistin Meşale Tolu saß mit ihrem kleinen Sohn acht Monate lang in türkischer Untersuchungshaft. Sie darf das Land noch immer nicht verlassen. (Screenshot: ARD)
Die deutsche Journalistin Meşale Tolu saß mit ihrem kleinen Sohn acht Monate lang in türkischer Untersuchungshaft. Sie darf das Land noch immer nicht verlassen. (Screenshot: ARD)

Acht Monate lang sitzt sie in Untersuchungshaft. Mittlerweile ist sie wieder frei, doch das Land verlassen darf sie nicht, denn ihr Prozess läuft weiter. Sie engagiert sich unbeirrt für Meinungsfreiheit und nimmt an Demonstrationen teil. Dabei würde sie stets von Polizisten in Zivil überwacht, wie es in dem Film heißt. Passanten sollten dadurch von ihrem Einfluss ferngehalten und eingeschüchtert werden.

Der Film stellt die Frage, warum die Bundesregierung im Fall des Journalisten Deniz Yücel massiven Druck auf Ankara ausgeübt hat, diese Unterstützung für Tolu aber ausbleibt. „Auf die Pauke zu hauen, ist aus meiner Sicht nicht der allein glückselig machende und zielführende Weg“, sagt dazu der Staatssekretär des Innenministeriums Stephan Mayer. Rüstungsdeals mit der Türkei seien nicht grundsätzlich in Frage zu stellen.

Die ARD-Doku beleuchtet daneben auch den Fall zweier Journalisten, der ein besonders schlechtes Licht auf die Rechtsstaatlichkeit des Landes wirft: Das türkische Verfassungsgericht urteilte im Januar 2018, dass Şahin Alpay und Mehmet Altan zu Unrecht in der U-Haft säßen und freigelassen werden müssten. Auch sie waren im Zuge der Notstandsgesetzgebung vom Sommer 2016 verhaftet worden.

Die Regierung kritisierte das Urteil, woraufhin zwei Istanbuler Strafgerichte die Entscheidung des höheren Gerichtes ignorierten. Altan sitzt nach wie vor im Gefängnis, Alpay stand bis Anfang Mai unter Hausarrest.

Doch nicht nur Journalisten stehen unter massivem Druck, wie der Fall der 18-jährigen Studentin Yarin Tuncer beweist. Sie wurde im März 2018 verhaftet, nachdem sie an einer Demonstration gegen die türkischen Militäroffensive in Syrien protestierte. Der Film zeigt ihren verzweifelten Vater: „Sie hat nichts getan, das macht alles keinen Sinn.“

Unaufgeregt und sachlich wird die Situation in dem Land aufgezeigt, das ein EU- Beitrittskandidat ist. Das Vertrauen in den Rechtsstaat Türkei unter Erdoğan wird dabei nicht gestärkt.