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ARD-Reporter verzweifelt an der Ladesäule: "So wird es das E-Auto schwer haben"

ARD-Reporter Alexander Noodt fuhr 3.000 Kilometer mit einem Elektroauto durch Deutschland - auf der Suche nach Pro und Contra in Sachen E-Mobilität. Was waren seine Erkenntnisse?

Sie war nicht schlecht, die Reportage-Idee von Radio Bremen, den überzeugten Diesel-Campingbus-Fahrer Alexander Noodt auf eine Reportagereise durch Deutschland mit einem E-Auto zu schicken. Wie fuhr und lebte es sich mit der neuen Technik? Der praxisnahe 30-Minuten-Film dürfte bei potenziellen Käufern durchaus Skepsis ausgelöst haben.

Schließlich werden das Für und Wider der E-Mobilität wird nicht erst seit heute heiß diskutiert. Die Entwicklung weg vom Verbrenner hin zu alternativen Antriebsformen ist alternativlos. Die Frage lautet nur: Ist es jetzt schon sinnvoll, sich ein eigenes Elektroauto zu kaufen? Insofern holte die "Exklusiv im Ersten"-Reportage den Zuschauer dort ab, wo die meisten selbst stehen - nämlich vor der Frage, was der Umstieg auf ein eigenes Elektro-Auto in der Praxis bedeuten würde.

Wie lautete die Versuchsanordnung?

Radio Bremen-Reporter Alexander Noodt dachte sich vor mehr als zehn Jahren, dass die damalige Anschaffung eines Diesel-Busses seine letzte dieser Art sein würde. Elektromobilität sollte ja groß im Kommen sein. Nun stand eine neue Kaufentscheidung an - und Noodt reiste mit einem geliehenen Elektro-Auto über 3.000 Kilometer durch Deutschland, um Praxistauglichkeit und Zukunftsperspektive der Technik zu erforschen.

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Pro-Argument 1: Elektrofahren macht Spaß

Gleich auf seinem ersten Trip zu einem Hamburger Sachverständigen in Sachen Elektromobilität machte Alexander Noodt jene Erfahrung, die viele Erstnutzer von batteriebetriebenen Autos erleben: Das Fahren macht Spaß. Die Beschleunigung ist enorm. Danach sorgt das geräuschlose Gleiten für ein angenehm futuristisches Gefühl. Außerdem fährt das gute Gewissen mit, denn es werden keine Schadstoffe ausgestoßen. Selbst einige Hardcore-Petrolheads von den "Opelfreunden Ostfriesland" konnte Noodt überzeugen, indem er die durchaus Vorurteil-behafteten Tuning-Freunde ("Bei Herstellung und notwendigem Austausch von Batterien werden mehr Schadstoffe produziert, als bei einem Verbrenner in seiner gesamten Lebenszeit") einfach mal selbst fahren ließ. Dabei wandte der Reporter einen genialen Trick an. Sein geliehener, eigentlich recht unscheinbarer E-Flitzer war ein Opel.

Das Problem ... die Ladesäule

Wer in der Großstadt lebt, mag batteriebetriebene Autos durch diverse Car Sharing-Anbieter kennengelernt haben. Auf kurzen Strecken stellt sich jedoch meist nicht jenes Problem, welches der "Exklusiv im Ersten"-Film anschaulich erforschte: Alexander Noodts E-Leihwagen sollte richtig Strecke machen - und musste nach etwa 250 bis 300 Kilometern an die Ladesäule. Auf einer Strecke von Köln nach Ostfriesland sogar zweimal. Dabei traten diverse Probleme auf: Es gibt etwa 200 Stromanbieter, mit dem man einen Fahrstromvertrag machen kann, Debütant Noodt hatte nur einen ausgewählt. Die App des Anbieters zeigte dann, wo man mit diesem Vertrag laden kann - in seinem Falle fünf Kilometer entfernt vom gebuchten Hotel in Braunschweig. Viele Ladesäulen arbeiten mit mehreren Stromanbietern zusammen. Doch wenn der Anbieter nicht an der Säule vertreten ist, gibt es dort auch keinen Strom. Einfach an jeder Säule tanken geht also nicht. Die Bundesregierung wollte das unübersichtliche System bis 2017 vereinfacht haben, dies ist aber nicht passiert.

Welche Ladesäulen gibt es - und wie lange dauert das Laden?

Noch ein Anfänger-Fehler von RB-Reporter Noodt: Auf einer Fahrt von Braunschweig zu einem Termin in Köln landete er beim Zwischentanken an einer "Zapfsäule" vom Typ 2, die maximal 8 kW pro Stunde lädt. Eine Horrormeldung auf dem Display "verspricht", das Auto wäre in etwa sieben Stunden voll geladen. Noodts Kölner Termin sollte aber bereits in zwei Stunden stattfinden. Profis wissen: Man braucht eine Schnelllade-Säule, deren CCS-Stecker bis zu 50 kW pro Stunde schaffen - die reichen für etwa 300 Kilometer. Auch wenn das Netz schneller Ladesäulen kontinuierlich ausgebaut wird - der ARD-Tester machte auf seiner anschließenden Strecke von Köln zu den Opelfreunden in Ostfriesland eine durchaus frustrierende Erfahrung: Für zwei geplante und notwendige 45 Minuten-Tank-Stopps benötigte er vier Versuche. Zwei in der App angezeigte Ladesäulen funktionierten nicht, eine war durch eine Baustelle lahmgelegt und die vierte schwer zu finden. Der Reporter war genervt - und der Ostfriesland-Trip keine Werbung für die E-Mobilität.

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Kann man sich eine eigene "öffentliche" Ladesäule zulegen?

Wer keine Möglichkeit besitzt, auf dem eigenen Grundstück eine private Ladesäule zu installieren, ist als Dauernutzer von E-Fahrzeugen auf öffentliches Laden angewiesen - was ziemlich nervig sein kann. Das sechs Monate alte Start-Up "On Charge" verspricht seinen Kunden: "Wir bauen kostenlos eine öffentliche Ladesäule vor Deine Haustür". ARD-Mann Noodt sprach mit Gründerin Denise Neumann. Das Problem der an sich guten und nützlichen Geschäftsidee: Einige Städte und Gemeinden zeigen sich sehr kooperativ, andere wiederum nicht. Auch weil sie nicht wüssten, so die Unternehmerin, wie man einen solchen Antrag für eine Ladesäule bearbeitet. Hier braucht es offenbar noch eine klare Vorgabe von oben, wie ein solches Unterfangen zu regeln ist. Bisher hat "On Charge" - momentan noch die einzige Firma dieser Art in Deutschland - zehn Ladepunkte realisiert, über 50 befinden sich in Planung. Gründerin Neumann vermutete, innerhalb von vier Monaten nach der "Bestellung" stünde eine solche Ladesäule vor der eigenen Haustür. Garantieren konnte sie das Ganze allerdings nicht. Anders beim Vorhandensein eines privaten Parkplatzes, dann klappte das Ganze innerhalb eines Monats.

Ist E-Mobilität günstiger oder teurer als ein Verbrenner?

Dass E-Autos in der Anschaffung meist teurer sind, verschwieg Reporter Noodt ein wenig. Vielleicht auch deshalb, weil der Markt diesbezüglich - inklusive von der Politik angestoßenen Förderungsmöglichkeiten - derzeit stark in Bewegung ist. Anschaulich fiel jedoch der Berechnungsvergleich einer Strecke aus: Noodts E-Leihwagen verbrauchte durchschnittlich 17 kW Strom auf 100 Kilometern Strecke. Bei 35 bis 50 Cent an der Ladesäule bedeutete das sechs bis acht Euro Kosten auf 100 Kilometern. Das Fazit des "Exklusiv im Ersten"-Films: "Solange Strom in Deutschland recht teuer und Benzin eher billig ist, wird es das Elektroauto schwer haben. Dabei wäre es durchaus energieeffizient, denn 17 kW Strom auf 100 Kilometern entsprechen zwei Litern Superbenzin, was den Energiegehalt betrifft."

Verhindert die Politik einen schnellen Umstieg auf E-Mobilität?

Gegen Ende des Films traf Noodt CDU-Politiker Steffen Bilger, Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium. Dass sein Wahlkreis in unmittelbarer Nähe bekannter Stuttgarter Autobauer liegt, gab dem Ganzen durchaus Brisanz. Eigentlich, so lautete mal die Ankündigung der Politik, sollten mittlerweile eine Million E-Autos auf deutschen Straßen unterwegs sein. Tatsächlich sind es aber erst rund 140.000. Woran liegt der Verzug? Die Modelle wären zu spät auf den Markt gekommen, auch die Politik hätte manchmal zu lange gebraucht, gab Bilger zu. "Bremst es den Fortschritt", wollte der ARD-Reporter wissen, "dass am klassischen Verbrennungsmotor viele Arbeitsplätze hängen?" Der Politiker antwortete zwar wie ein Politiker, ließ aber durchblicken, dass das Argument nicht aus der Luft gegriffen war: "Ich glaube schon, dass wir als Autoland Deutschland eine besondere Herausforderung haben. Wir müssen schon sehr darauf achten, dass alles ausgewogen ist. Aber - die Elektromobilität wird sich so oder so immer mehr durchsetzen. Jetzt kommt es darauf an, ob wir auch mit dabei sein wollen."

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Am Ende kommt doch noch ein Tesla ...

Eigentlich gut, dass Alexander Noodt in seiner kritischen, aber durchaus wertfreien und praxisnahen Reportage nicht so viel über die E-Kultmarke Tesla erzählte. Schließlich kann sich kaum ein Ottomotor-Normalverbraucher solche Autos leisten. Am Ende seines Films begegnet der Reporter an einer Raststätte allerdings doch noch einer glücklichen Tesla-Familie. Ihr Wagen steht mit einem Preis von 90.000 Euro in der Liste. Die Autos sind schick, glänzen durch hohen Reichweiten, und ihr System kommuniziert direkt mit schnell ladenden Elektro-Zapfsäulen. "Es werden einem während der Fahrt stets viele Möglichkeiten angezeigt, wo man tanken kann", zeigt sich die Mutter begeistert. Die hochzufriedene Tesla-Familie legt nahe, dass einige Hersteller schon ein bisschen weiter sind als andere, wenn man ein entsprechendes Fahrzeug finanzieren kann oder will. Für alle anderen legte die ARD-Reportage nahe, dass Elektromobilität - auf Langstrecke und im eigenen Wagen - heute auf jeden Fall bereits möglich ist, man aber durchaus noch ein bisschen Idealismus und Planungsfreudigkeit mitbringen muss. Alexander Noodts Traum-Fazit lautete übrigens, eine leistungsfähige E-Batterie in seinen alten Camping-Bus einzubauen. Um leise durch Stadt und Land zu summen, aber "das Gefühl von Freiheit und Ferne" nicht zu verlieren.

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