ARD-Wahlarena: Streit über Migration und CO2-Steuer

Es wurde als Duell angekündigt, war aber größtenteils ein Duett: In der ARD-Wahlarena waren sich die überzeugten Europäer Frans Timmermans (SPE) und Manfred Weber (EVP) in vielen Punkten einig. Nur bei den Themen Klimaschutz und Migration entfachte sich eine hitzige Debatte zwischen beiden Spitzenkandidaten.

In vielen Dingen waren sich die EU-Spitzenkandidaten Manfred Weber (links)  und Frans Timmermans (rechts) einig - nur beim Thema Migration und Klimaschutz wurde hitzig debattiert. Foto: Screenshot ARD
Beim Thema Migration und Klimaschutz gingen die Meinungen der EU-Spitzenkandidaten Manfred Weber (links) und Frans Timmermans (rechts) auseinander. Foto: Screenshot ARD

Der Europawahlkampf läuft auf Hochtouren und dennoch kennt kaum ein Deutscher die Spitzenkandidaten. Zumindest ergeben das Umfragen: Lediglich ein Viertel der Deutschen weiß, wer der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP) Manfred Weber ist. Der 46-jährige Niederbayer von der CSU war früher Musiker und möchte nun der erste deutsche EU-Kommissionspräsident seit 50 Jahren werden. Seinen Konkurrenten, Frans Timmermans, kennen noch weniger der Befragten. Dabei ist der 58-jährige Niederländer bereits Vizepräsident er EU-Kommission und ringt nun für die Sozialdemokratische Partei Europas (SPE) um die Nachfolge von Jean-Claude Juncker.

Am Dienstagabend trafen beide Konkurrenten in der ARD-Wahlarena aufeinander. Eineinhalb Stunden stellten sie sich den Fragen des Publikums. 130 Menschen aus ganz Deutschland waren dafür angereist und sollten ein Abbild der deutschen Wählerschaft darstellen. Beide Duellanten zeigten vollen Körpereinsatz, gestikulierten wild – und blieben sachlich. Nur im Hinblick auf Lobbyismus kam bei Timmermans die Angriffslust durch: Er fordert eine Pflicht für Abgeordnete, sich nicht mit Lobbyisten zu treffen, die nicht in einer Liste registriert sind. „Leider will die Partei von Herrn Weber das nicht einhalten“, bemerkt er.

Das waren weitere Reibungspunkte mit klaren Positionen:

Weber gegen CO2-Steuer

EVP-Kandidat Manfred Weber spricht sich gegen eine CO2-Steuer aus. Foto: ARD Screenshot
EVP-Kandidat Manfred Weber spricht sich gegen eine CO2-Steuer aus. Foto: ARD Screenshot

In Bezug auf den Artenschutz meint Timmermans: „So können wir nicht weitermachen, wir müssen unseren Lebensstil ändern.“ Sonst gäbe es bald keine Tiere mehr in der Natur. Timmermans verspricht, die Umsetzung der Klimaziele zur Chefsache zu machen, sollte er Kommissionspräsident werden. Er plädiert für eine CO2-Steuer – die „unbedingt“ und „schnell“ eingeführt werden sollte. Zudem fordert er eine Kerosin-Steuer, um den Steuervorteil für klimaschädliche Flugreisen auszugleichen.

Auch Weber betont, die steuerliche Ungleichbehandlung von Bahn-, Auto- und Flugreisen beenden zu wollen, weist aber auf internationale Verträge über die Steuerbefreiung des Kerosins hin. Eine CO2-Steuer lehnt er ab und warnt vor Arbeitsplatzverlusten bei den Unternehmen sowie steigenden Benzin- und Heizölpreisen, was vor allem die Ärmeren hart treffen würde. Stattdessen müsse mehr in Innovation investiert werden, um nachhaltige Lösungen zu finden.

Timmermans für „massiven Marshallplan“ in Afrika

Eine Aussöhnung mit Afrika stehe vor Migrations-Gesprächen, sagt SPE-Kandidat Frans Timmermans. Foto: ARD Screenshot
Eine Aussöhnung mit Afrika stehe vor Migrations-Gesprächen, sagt SPE-Kandidat Frans Timmermans. Foto: ARD Screenshot

Das Thema Migration und Integration bewegt nach wie vor die deutsche Bevölkerung, wie sich am Publikum bemerkbar macht. Die Fragen drehen sich um Seenotrettung, Warlords in Libyen und Grenzkontrollen.

Zum Schutz der EU-Außengrenze sei laut Weber eine Stärkung von „Frontex“ notwendig. Er halte es für „indiskutabel“, dass erst im Jahr 2027 die Grenzschutzagentur mit 10.000 neuen Beamten ausgestattet werden soll. „Der Staat entscheidet, wer nach Europa kommt, und nicht die Schlepperbanden.“ Weber sieht zudem Handelspläne als zentrales Instrument, um die Zusammenarbeit mit Afrika zu fördern. „Deutschland wird keine Zukunft haben, wenn der Nachbarkontinent keine Perspektive hat“, sagt Weber. Märkte müssen geöffnet werden, es soll Partnerschaften mit Ländern geben, wo die Demokratie sich entwickelt hat, es müsse gegen Kinderarbeit vorgegangen werden.

Laut Timmermans könne Frontex das Problem allein aber nicht lösen und auch Handelspläne seien zu wenig: Um bessere Perspektiven und weniger Fluchtgründe zu geben, müsse man ein „massiven Marshallplan“ erstellen, um Wirtschaft, Bildung und Rechtsstaat zu modernisieren. Über einzelne Abkommen, bei denen Geld nach Afrika fließt und dafür Migranten zurückgenommen werden sollen, könne es nicht gelingen. Er betonte, wie wichtig Bildung sei und brachte den Vorschlag eines „Erasmus“-Programms für afrikanische Studenten ein, das ihnen ermöglichen würde, vorübergehend in Europa zu studieren. Im Hinblick auf die Flüchtlingskrise äußerte Timmermans: „2015/16 hatten wir eine tiefe Krise. Frau Merkel hat damals Europa gerettet mit ihrer Menschlichkeit, auch wenn es danach politisch schwierig geworden ist.“

Mutige Versprechungen: 50 Prozent Frauen und kostenloses Interrail-Ticket

Auch Weber machte mutige Aussagen oder vielmehr Versprechungen. Zum Beispiel äußerte der CSUler im Hinblick auf die Frauenquote: „Ich verspreche, dass die neue EU-Kommission zu 50 Prozent mit Frauen besetzt ist.“ Das bedeute, es würden künftig 14 Kommissarinnen von den 28 Mitgliedstaaten gestellt werden. Eine weitere Versprechung, die Weber kurz vor Ende einwirft: „Ein freies Interrail-Ticket für jeden 18-jährigen, damit er sehen kann, wie schön Europa ist.“ Klingt vielversprechend, wird aber wie vieles, das am Abend angesprochen wurde, schwer umzusetzen sein.

Es war ein fairer Schlagabtausch der beiden Spitzenkandidaten: Weber sowie Timmermans konnten ihre europäische Idee glaubwürdig vermitteln. Während Weber eher wie ein analytischer Denker wirkte, debattierte Timmermans sehr leidenschaftlich. Ob sie mit ihren Argumenten punkten konnten, entscheiden letztlich die Wählerinnen und Wähler bei der Europawahl am 26. Mai.