Asyl-Thema bei Markus Lanz: „Schon sehr lange ohne funktionsfähiges System unterwegs“

Zu Gast bei Markus Lanz (v. l.): Nicola Beer, Reporter Abdullah Khan, Dr. Anne Fleck und Robert Schmittner (Bild: Screenshot ZDF)
Zu Gast bei Markus Lanz (v. l.): Nicola Beer, Reporter Abdullah Khan, Dr. Anne Fleck und Robert Schmittner (Bild: Screenshot ZDF)

Die Asylaufnahme-Missstände rund um das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge standen im Mittelpunkt der Mittwochssendung von „Markus Lanz“. Dabei wurde ein ernüchterndes Bild gezeichnet.

Das BAMF steht im Fadenkreuz der Kritik: Seit Dienstag prüft die Staatsanwaltschaft eine mögliche Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt seitens der ehemaligen Bremer Chefin Julia Cordt. Für die FDP-Generalvorsitzende Nicola Beer ist dies nur die Spitze eines Eisbergs, schließlich werde seit Jahren über katastrophale Zustände im BAMF berichtet. „Zwischen 2013 und 2016 sollen Mitarbeiter mindestens in 1.200 Fällen zu Unrecht Asyl gewährt haben“, so Beer. Bisher stehe nur fest, dass sich Anwälte für positive Asylbescheide bezahlen ließen. „Ob die damalige Leiterin, die dann die Bescheide gestempelt hat, aus humanitären Gründen, finanziellen Gründen oder aus was auch immer gehandelt hat, ist bis dato nicht belegt“, so Beer.

Die FDP-Politikerin weiter: „Ich glaube, wir müssen jenseits dieses Teils des Problems schauen. Denn wenn so etwas überhaupt möglich war: Dass eine einzelne Person, ohne dass es aufgefallen ist, derartige Bescheide gegen Recht und Gesetz erlassen konnte, dann bedeutet das, dass es strukturelle Mängel gibt. Und diese strukturellen Mängel gibt es dann sicher nicht nur in Bremen, sondern es ist zu vermuten, dass diese strukturellen Mängel bundesweit existieren.“ Die Missstände zeigen, „dass wir sehr, sehr lange schon mit einem nicht funktionsfähigen System in diesem wichtigen Bereich unterwegs sind.“

Sowohl das BAMF als auch die Bundesregierung habe hier Stellung zu beziehen: „Ich glaube, dass sich da die politischen Verantwortlichen, die Führungspersönlichkeiten – sowohl im BAMF als auch im Innenministerium […] – fragen lassen müssen, warum dort nicht mit mehr Druck und mit mehr Engagement erstens aufgeklärt und zweitens diese Missstände abgestellt worden sind.“

Nicola Beer und Abdullah Kahn sind sich einig, dass es große Probleme im Asylverfahren gibt. (Bild: Screenshot ZDF)
Nicola Beer und Abdullah Kahn sind sich einig, dass es große Probleme im Asylverfahren gibt. (Bild: Screenshot ZDF)

Vor allem Bundeskanzlerin Merkel habe deutlich Erklärungsbedarf, findet Beer: „Wenn das Innenministerium seit 2014 wusste, dass es derartig katastrophale Zustände gibt, dann aber 2015 Kanzlerin Merkel diese einsame Entscheidung im September getroffen hat, die Grenzen offenzuhalten und damit das System komplett zur Überlastung und zum Kollabieren gebracht hat, so dass offensichtlich ab diesem Zeitpunkt weder die Identitätsprüfungen noch die Sicherheitsüberprüfung noch regulär stattgefunden haben, dann ist natürlich die Frage nach der politischen Verantwortung dafür gestellt, dass wir möglicherweise die innere Sicherheit gefährdet haben. Dann muss man Fragen, ob die Kanzlerin das bewusst in Kauf genommen hat oder ob sie es nicht gewusst hat – und, wenn sie es nicht gewusst hat, welche Rolle Herr de Maizière als Innenminister beziehungsweise Herr Altmaier als Kanzleramt gespielt haben.“

Reporter Abdullah Kahn, der vier Monate lang Undercover in einer BAMF-Außenstelle gearbeitet hatte, aber auch Zeit mit Flüchtlingen verbrachte und in Asylunterkünften schlief, berichtete über seine Erfahrungen. Die Zustände im BAMF seien „völlig chaotisch“ gewesen, die Schulung habe nur zehn Tage gedauert. Über seinen Kontakt zu Asylwerbern in Flüchtlingsunterkünften erzählt er: „Die meisten Leute, 90 bis 95 Prozent waren auf der Durchreise nach Deutschland. Wenn man die dann fragt, warum Deutschland, war vielen bewusst: Wir kriegen leichtes Asyl.“

Kahn berichtet von einigen Kniffen, um Asyl zu bekommen. „Ich habe selten jemanden getroffen, der einen Ausweis gezückt hätte und gesagt hätte ‚Ja, ich habe einen’“. Zudem gäbe es weitere Tricks, die immer wieder angewendet wurden: Wer sich Sekundenkleber auf die Fingerkuppen klebte, dessen Fingerabrücke konnten nicht abgenommen werden. Zudem wurden bewusst falsche Identitäten angegeben – meist nannten die Flüchtlinge Syrien als ihren Heimatort, auch wenn sie gar nicht daher stammten. Unter diesen Umständen ist es durchaus möglich, dass neben Schutzbedürftigen auch Straftäter und IS-Terroristen ins Land gekommen seien.

Kahns Fazit: Kontrollorgane müssten genauso wie ein zuverlässigeres Computersystem her. „Das wird uns noch eine ganze Weile beschäftigen, dieses Thema“, urteilt Lanz, und wendet sich an Beer: „Und für Sie noch eine ganze Menge parlamentarische Arbeit.“ Der Moderator zeigt sich in seinem Fazit bezüglich einer politischen Lösung optimistisch: „Könnte, wenn es gut läuft, eine Sternstunde für die Demokratie tatsächlich werden.“