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Außer Atem: Langeweile – Lob eines unterschätzten Gefühls

Manchmal muss man sich die Zeit für Langeweile nehmen, meint Felix Müller in seiner Berlinale-Kolumne

In der Sektion Panorama habe ich eine Dokumentation über Frank Castorf und seine Zeit als Intendant der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz gesehen. Sie hat mir sehr gut gefallen, weil ich in den Neunziger- und Nullerjahren oft in diesem Theater war und vieles wiedererkannte. Zwischendurch wurde ich schwer melancholisch. Aber darum soll es hier nicht gehen.

Der Film machte mich auf etwas anderes aufmerksam, nämlich auf die Langeweile. Langeweile ist als Thema erstaunlicherweise gar nicht langweilig, sondern etwas sehr Schillerndes. In dem Film kommen viele Veteranen der Castorf-Ära zu Wort: Martin Wuttke, Kathrin Angerer, Sophie Rois und viele mehr. Einige werden auch darauf angesprochen, dass Castorf in seinen Inszenierungen oft zur exzessiven Überschreitung durchschnittlicher Vorführungszeiten neigt. Sein "Faust" dauert bekanntlich sieben Stunden. Viele Schauspieler räumen auch freimütig ein, dass es da zwischendurch gewisse Längen gebe – aber allesamt loben sie genau dies als Teil der existenziellen Erfahrung, die das Stück dann wiederum zu etwas Besonderem mache.

Langeweile als lohnende Erfahrung, na ja, dachte ich, als ich das sah. Für meine Kinder, sieben und neun Jahre alt, ist Langeweile nichts weiter als eine schlimme, akute Krise. Sie können den Satz "Mir ist langweilig!" auf eine Weise durch die Wohnung schreien, dass man am liebsten sofort den Notarzt rufen will. Aber dann fragte ich mich, wann ich das eigentlich zum letzten Mal
empfunden habe: Langeweile. Also ein s...

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