Die Auferstehung eines Totgesagten
Wie Phönix aus der Asche: Das gilt am Freitag in Sao Paulo für Aston Martin, vor allem für Lance Stroll. Nach dem eklatanten Formabsturz der letzten Monate und einer zweiten Saisonhälfte zum Vergessen, feiert der britische Rennstall im Qualifying zum Brasilien GP Renaissance: Stroll und Teamkollege Fernando Alonso sorgen für eine starke grüne Startreihe zwei.
Ausgerechnet Stroll, von den Kritikern im Fahrerlager wegen seiner schwachen Ergebnisse und oftmals lustlos wirkenden Auftritte zuletzt schon zum zukünftigen Tennis-Profi niedergeschrieben, sorgt im Brasilien-Quali mit Platz drei für die größte Überraschung des Tages - und schlägt dabei sogar Routinier Alonso, der den Kanadier anno 2023 bisher mehr als alt aussehen ließ.
Für Teamchef Mike Krack ein Grund zum Strahlen: „Wir haben zuletzt ein paar Entwicklungsschritte gemacht, die Lance nicht zugutekamen. Jetzt ist er zurück, das freut mich für ihn“, sagt der Luxemburger nach dem Qualifying.
„Man konnte sehen, dass er gut gelaunt hier ankam und im Training sofort konkurrenzfähig war. Die Freude über das Resultat ist groß, aber er hat es ganz cool genommen. Ich denke, es ist toll für ihn und auch schön für alle Leute, die ihn ständig kritisiert haben“, kann sich Krack eine kleine Spitze gegen eben jene Kritiker nicht verkneifen.
Alonso sauer über Red-Bull-Gerüchte
Dass die Stimmung bei Aston Martin zuletzt allerdings angespannt war, zeigte in Brasilien auch schon der sonst so abgebrühte Alonso, dem in seiner Presserunde am Donnerstag der Kragen platzte.
Grund waren Gerüchte aus seiner spanischen Heimat, er wolle dem Team wegen des Formeinbruchs den Rücken kehren und Aston Martin in Richtung Red Bull verlassen.
Alonso kündigte daraufhin nicht nur Konsequenzen für die verantwortlichen Journalisten an, er bekannte sich auch unmissverständlich zu seinem Team: „Das sind nur Gerüchte, von Leuten, die sich einen Spaß erlauben und ein paar Follower gewinnen wollen. Aber ich spiele dieses Spiel nicht mit“, so der Spanier, der für eine realistischere Betrachtung der aktuellen Form Aston Martins warb.
„Wir waren dieses Jahr siebenmal auf dem Podium, haben 200 Punkte mehr als letztes Jahr, lauter solche Dinge. Natürlich sollten wir nicht zufrieden sein, aber wir können auch nicht überdramatisch sein, wenn diese Saison 2023 eine super Saison für uns war“, lautete Alonsos Plädoyer.
Allein: Die Gerüchte über einen möglichen Verkauf des Rennstalls gehen im Hintergrund dennoch munter weiter - und sind nicht ganz unbegründet, wenn man die folgenden Zahlen hört: Nach wie vor macht ein neu gegründeter saudischer Staatsfond mithilfe vom aktuellen Aston-Martin-Hauptsponsor Aramco Teambesitzer Lawrence Stroll schöne Augen, bietet 800 Millionen Euro für das Team.
Stroll will wegen des Booms der Formel 1 nach SPORT1-Informationen allerdings mindestens 1,2 Milliarden.
Stroll lobt Team: „Haben unser Glück selbst gemacht“
So gesehen kommt die Performance von Sohnemann Lance möglicherweise nicht zum schlechtesten Zeitpunkt, damit es sich sein finanzstarker Vater noch einmal überlegt und endgültig von allen Verkaufsgedanken abrückt.
Der Drittplatzierte lobt am Freitag jedenfalls demonstrativ die Arbeit des zuletzt so viel gescholtenen Teams. „Ich denke nicht, dass wir heute im Glück waren. Wir haben unser Glück selbst gemacht“, sagt Stroll Jr. nach dem Qualifying.
Die Begründung: „Wir standen ganz vorne in der Schlange (am Ende der Boxengasse, zu Beginn von Q3; d. Red.) und hatten dadurch eine gute Position auf der Strecke. Dann kam das Wetter, es war also einfach nur smart“, lobt der Kanadier seinen Kommandostand und auch die Ingenieure: „Ich habe mich gleich gut gefühlt im Auto, so einen guten Tag hatten wir schon eine ganze Weile nicht. Heute war die Balance den ganzen Tag lang gut, ich hatte viel Grip. Dann kannst du dich auch verbessern, Dinge bereinigen und es sauber halten.“
Alonso: Brauchen gutes Resultat mit beiden Autos“
Auch Alonso weiß um die Wichtigkeit des demonstrierten Aufschwungs in jener heiklen Phase. „Wir brauche hier in Brasilien ein gutes Resultat mit beiden Autos“, erklärt er vielsagend: „Um dem Team wieder Hoffnung zu geben und zu beweisen, dass wir ein paar Dinge begriffen haben.“
Vor allem den strengen Augen Lawrence Strolls. Alonso: „Das heute zeigt, dass wir wissen, was wir tun. Darüber freue ich mich.“
Hinzu kommt: Nachdem das Team laut Teamchef Krack auf technischer Seite bei den letzten beiden Rennen in Austin und Mexiko bereits einige Dinge mit Blick auf 2024 ausprobierte, wurde der Fokus für das Brasilien-Wochenende nun wieder in erster Linie auf die reine Performance gerichtet - mit dem starken Ergebnis im Zeittraining als Folge.
Offenbar hat auch der Teamchef längst begriffen, dass jetzt, wo der Rennstall dank der schwindelerregenden Saudi-Summen auf dem Prüfstand steht, nicht der beste Zeitpunkt für Experimente ist.