Aurora und Martin erzählen - Ein Paar, seit sie 10 sind: „Jeder will dir einreden, dass etwas nicht stimmt“
Aurora ist zehn Jahre alt, als Martin in ihre Parallelklasse kommt. Die beiden werden ein Paar. Inzwischen snd beide 22 Jahre alt – doch ihre „Kinderliebe“ irritiert ihr Umfeld, doch sie lassen sich nicht beirren. In diesem Jahr haben sie geheiratet.
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Eure Liebesgeschichte klingt so besonders, dass sie erzählt werden muss. Ihr habt euch also wirklich als Kinder kennen gelernt?
Aurora: Ja, mit zehn. Martin ging in meine Parallelklasse.
Martin: Aber in Reli waren wir zusammen. Sie hatte so rote Strähnchen in den Haaren …
A: Wie viele Mädchen damals, das war „in“. Ihm hat das gar nicht gefallen.
M: Stimmt, ich fand das bescheuert.
A: Und zwar so sehr, dass er mir immer an den Haaren gezogen hat.
Was sich liebt …?
M: Ganz ehrlich, ich glaube nicht, dass ich irgendwelche Hintergedanken hatte. Es war einfach ein Spiel. Was sonst, in dem Alter?
A: Moment, es hätte durchaus anders sein können. Ich wusste, wie sich das anfühlt: Schmetterlinge im Bauch, hatte davor eine Zeit lang für einen Jungen geschwärmt.. Vielleicht sind Mädchen reifer? Das bei Martin war jedenfalls was anderes, keine Schmetterlinge … zunächst.
Aber was war es dann?
A: Ich weiß noch, dass ich seinen Dialekt süß fand.
M: Ich war zugezogen, komme aus Zwickau.
A: Das Ziepen an meinen Haaren nervte zwar, aber irgendwas an ihm war trotzdem nett. Und dann kam das mit den Handys auf …
M: Stimmt, die ersten Smartphones damals. Jemand aus der Klasse hat mir ein WhatsApp-Konto eingerichtet, mir und anderen. Wer hat wie die meisten Kontakte? Ist am besten vernetzt? Das war das Thema.
A: Eine Freundin gab mir Martins Nummer. Und dann begann so ein Getuschel: Pass auf, morgen sind die zusammen. Ich fand das albern, aber vielleicht hat es mich insgeheim auch angetrieben.
Um was zu tun?
A: Am Nachmittag schrieb ich ihm diese Nachricht: „Liebst du mich?“
M: Darauf ich: „Joh.“
War das denn so?
M: Nein, das ging eher in die Richtung: wenn ich schon mal die Gelegenheit habe …
A: Bei dem „joh“ blieb es, weiter kam nichts von ihm. Also legte ich nach: „Das wäre doch die Chance für dich zu schreiben: Wollen wir zusammen sein?“
M: Meine Reaktion war erneut kurz – und wieder positiv. Es war komisch, sich dann am nächsten Tag in der Schule zu sehen.
A: Allerdings. Jetzt waren wir also ein Paar. Aber eins ohne Händchenhalten oder sowas. Nur für uns, die anderen wussten erst mal nichts.
M: Wir wurden die besten Freunde.
A: Sind nach der Schule zusammen zu McDonald’s oder mit seinem BMX über den Friedhof. Er fuhr, ich war hinten drauf.
M: Wir haben irre viel telefoniert. Oft mehrere Stunden, auch nachts.
A: Das war neu für mich: über alles reden wirklich alles. Sowas kannte ich nicht mal von besten Freundinnen.
M: Meiner Mama sagte ich: ich habe eine Kumpeline. Ich glaube, sie wusste gleich, was gemeint war.
A: Als ich meine Mama einweihte, wusste sie schon von Martins Mama Bescheid, Schuleltern eben. Für Mama war das okay. Aber Papa …
M: Das habe ich leider komplett verbockt. Während wir wieder Mal marathonmäßig telefonierten nahm er Aurora den Hörer ab: „Wer bist du?“ Ich hatte keine Ahnung, wen ich dran hatte, fand die Art unmöglich. Weil ein paar Kumpels um mich rumstanden, fing ich an, auf dicke Hose zu machen. Es fielen üble Schimpfwörter.
A: Papa hat mir daraufhin den Kontakt mit Martin verboten. Zur Sicherheit holte er mich jetzt jeden Mittag mit dem Auto von der Schule ab …
M: Wir wurden 13, wir wurden 14, trafen uns heimlich …
A: … mit allen Schikanen, bis hin zum Kleiderschrank, in dem ich Martin mal versteckt habe, weil Papa früher als erwartet heimkam. Es ging gerade noch mal gut.
A: So richtig offiziell mit uns wurde es erst an meinem 16. Geburtstag.
M: Ich durfte kommen, ab da hat ihr Papa angefangen „Hallo“ zu mir zu sagen. Heute haben wir ein super Verhältnis.
A: Eltern wollen das Beste für ihre Kinder. Meine Eltern waren selbst 16, als sie zusammengekommen sind. Die junge Liebe hat in unserer Familie fast Tradition. Meine Oma war 14, als sie meinen damals 17-jährigen Opa kennen gelernt hat.
M: Bei mir ähnlich: Meine Oma war 17, mein Opa drei Jahre älter. Aurora und ich, wir laufen heute ja gern als Exoten. Warum eigentlich? Die Angst der Menschen, etwas zu verpassen, scheint groß.
A: Wollt ihr euch nicht ausprobieren? So mit 15 oder 16 ging es los, dass die anderen fragten. Einige prophezeiten, wir seien sowieso nicht mehr lange zusammen. Ich war damals nicht besonders selbstbewusst. Ich habe viel darüber nachgedacht, ob das stimmt, was andere sagen.
M: Zudem haben wir uns nicht gerade wenig gestritten. Aurora ist nun mal ein Hingucker. Oft hat es schon gereicht, wenn sich ein Typ nach ihr umgedreht hat. Mich hat das fuchsig gemacht und ich gab ihr die Schuld.
A: Bei mir ähnlich. Martin musste einem Mädchen nur einen Blick zuwerfen, und ich war eingeschnappt. In dieser Zeit fielen eine Menge Vorwürfe.
M: Aber ich glaube, daran sind wir ein Stück weit auch gewachsen. Meint sie wirklich mich? Wo sie doch so viele andere haben könnte? Wer sich sowas immer wieder fragt, findet sich.
A: Eifersuchtsattacken können, bei einem konstruktiven Umgang, auch ihr Gutes haben. Doch, ich bin gemeint – nicht die andere. Über die Jahre habe ich gelernt, meinen Gefühlen zu trauen. Das hat mich selbstbewusster gemacht. Was andere sagten oder prophezeiten, spielte immer weniger eine Rolle.
M: Und dann waren wir 16 und die Schule war vorbei. Die Vorstellung, Aurora bald seltener zu sehen, war quälend.
A: Ging mir genauso. Ich hatte einen Ausbildungsplatz in einem Karosseriebetrieb, hatte mich direkt gekümmert. Er nicht…
M: Ich brachte es einfach nicht übers Herz, mich von ihr weg zu bewegen. Ist bei dir nicht noch eine Stelle frei? Erst fragte ich das eher so aus Spaß…
A: … aber dann war es tatsächlich genauso: wir lernten im selben Betrieb. Er als Karosseriebauer, ich im Büro.
M: Jeden Morgen habe ich sie abgeholt, dann sind wir zusammen zur Arbeit.
A: Nach Feierabend dasselbe retour. Wie ein junges Ehepaar, meinte unser Chef.
M: Die Kollegen waren alle älter, um 40, 50. Das kann doch nicht alles gewesen sein, meinten sie. Immer wieder schlugen sie vor, ich solle nach Feierabend mit ihnen mitkommen. Nach dem Motto: da wartet so viel mehr auf dich, da draußen …
A: Jeder will dir einreden: Da stimmt was nicht in deinem Leben, so läuft das nicht. Mit der Zeit bestärkt einen das nur noch mehr, weiterzumachen wie gehabt.
M: Und diese Stärke brauchten wir auch, denn nach der Ausbildung sind wir zum ersten Mal getrennte Wege gegangen.
A: Ich habe eine zweite Ausbildung gemacht, Martin wollte erst mal Geld verdienen, jobbte in einer Pizzeria. Er fehlte mir. Die Lösung: Ein Mini-Job, an zwei Abenden pro Woche. So konnte ich ihm nah sein.
M: Und ich ihr. Aber es war eine andere Nähe als früher.
A: Richtig, es ging nicht um Kontrolle. Ich habe mich einfach wohl gefühlt in Martins Nähe. Das Zusammensein war wie Krafttanken.
M: Eine Kraft, die man mitnimmt. Mag sein, dass wir als Teenies ein bisschen wie Kletten waren…
A: … mittlerweile hat jeder eigene Hobbys, eigene Freunde. Man schwärmt aus – und kommt zurück. Immer wieder.
M: Tatsächlich waren wir in all den Jahren kein einziges Mal getrennt. Im letzten Jahr sind wir dann schließlich zusammengezogen.
A: Unsere Beziehung sorgt noch immer – oder vielleicht auch jetzt erst recht – für Verwunderung. Allerdings eher im positiven Sinn inzwischen.
M: Manchmal werden wir gefragt: Was ist das Geheimnis?
Und?
A: Martin kann mich gut glücklich machen.
Zugegeben: Das klingt etwas einseitig.
A: Ich weiß, das höre ich immer wieder. Hier widerspreche ich. Martin weiß schließlich: Wenn ich glücklich bin, ist er es auch. Ich glaube, genau das ist der Kern unserer Liebe.
M: Ein Geben und Nehmen. Klingt abgedroschen, aber genauso ist es. Das Problem ist, die Leute denken in der Regel andersrum.
Was meinst du?
M: Naja, sie überlegen: Was will ich? Das hat zumindest unterschwellig was Forderndes. Frust ist programmiert. Wenn ich gebe, wirkt das erst mal selbstlos. Aber auf die lange Sicht ist es das eigentlich gar nicht. Ich werde beschenkt.
Jetzt mal Klartext: Wie kann man sich das Geben in eurer Beziehung vorstellen?
A: Zum Beispiel, wenn wir streiten. Wir reden noch immer sehr viel, genau wie damals mit 11 oder 12. Ich glaube, dieses ständige, intensive Miteinander-Kommunizieren ist von Vorteil. Manches erscheint mir wie einstudiert, wie wieder und wieder geübt. Diese Frage etwa: Was habe ich zu dieser Auseinandersetzung beigetragen?
M: Das kenne ich, so frage ich auch. Und eben nicht: Was hast du nur wieder gemacht … Vorwürfe bringen nicht weiter. Man beißt sich fest.
A: Siehe unsere damaligen Eifersuchts-Tiraden, die zum Glück Geschichte sind. Wir sind miteinander gewachsen, als zwei Lernende sozusagen. Klar fliegen auch heute manchmal noch die Fetzen bei uns. Aber vielleicht macht es einen Unterschied, dass wir uns im Krisen-Modus nicht als fertige Individuen mit vorgefasster Meinung begegnen. Eher durchlässig, irgendwie.
M: Aufmerksam, auch das ist es, glaube ich. Stichwort Beziehungsalltag.
A: Gerade da bewirken Kleinigkeiten oft ganz viel. Martin wäscht zum Beispiel gern mal mein Auto. Oder stellt mir Blumen hin.
M: Aurora bringt mir morgens den Kaffee ans Bett. Oder kocht – ganz die Halbitalienerin – nach Feierabend ohne Vorankündigung deftige Spaghetti für mich. Aglio Olio zum Beispiel.
A: Ich glaube, wir sind beide ziemlich gut darin, den anderen zu lesen.
M: Sie fragt nicht, ob ich was trinken will, stellt mir einfach was hin. Nicht selten fällt mir dann auf: Stimmt ja, ich habe Durst.
A: Wie gesagt, wir haben einige Jahre Übung im Scannen von Bedürfnissen des Gegenübers. Generell glaube ich, all diese Aspekt werden gern unterschätzt. Wie wertvoll es ist, einen Vertrauten und – ja, auch – ein Korrektiv an der Seite zu haben. Jemanden, der dich spiegelt, dir Feedback gibt. Wenn mir Freiheit das Wichtigste ist, muss ich darauf wohl ein Stück weit verzichten.
M: Aber macht das nicht was mit der Gesellschaft? Ganz ehrlich, ich sehe so viele unglückliche Paare. So viele Leute, die verzweifelt auf der Suche sind. Und gleichzeitig sagen sie: So richtig binden will ich mich nicht, nicht vor 30 zumindest. Irgendwas passt da für mich nicht zusammen.
A: Ich bin verheiratet – für mich ist das ein Statement.
M: Es war toll, diesen Tag mit unseren Familien und den Freunden zu feiern. Unsere Hochzeit, im Frühjahr.
A: Ein Tag wie ein Innehalten. Wahnsinn, was für hinter uns liegt. Ein ordentliches Stück Weg.
M: Wir hatten die Chance zusammenzuwachsen, ganz einfach, weil wir zusammengeblieben sind.
A: Und genauso sage ich das, wenn jetzt gehäuft Fragen nach unserer Zukunftsplanung kommen. Das wird schon. Vertraut uns einfach. Wir tun das auch.
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