Australiens Premier: Verständnis für Impf-Exportstopp

Anders als Biontech/Pfizer und Moderna liefert Astrazeneca der EU bisher nicht die vertraglich zugesagten Mengen Impfstoffe.
Anders als Biontech/Pfizer und Moderna liefert Astrazeneca der EU bisher nicht die vertraglich zugesagten Mengen Impfstoffe.

Wochenlang überwachte die Europäische Union Ausfuhren von Corona-Impfstoff und griff nicht ein. Bei Astrazeneca jedoch ging das Stoppschild hoch. Öffnet das eine «Büchse der Pandora»?

Brüssel/Rom (dpa) - Italien hat mit dem Exportstopp für Corona-Impfstoff des Herstellers Astrazeneca Kritik ausgelöst. Die Regierung des Empfängerlands Australien äußerte sich am Freitag enttäuscht.

Im Europaparlament gibt es Sorge, dass nun der globale Streit um Impfstoff eskaliert. Frankreich unterstützt Rom hingegen, ebenso wie die EU-Kommission. Es könne weiter Corona-Impfstoff aus der EU ausgeführt werden, sofern die Hersteller gleichzeitig ihre EU-Lieferpflichten erfüllten, sagte ein Sprecher.

Beim britisch-schwedischen Hersteller Astrazeneca ist dies aus Sicht der EU nicht der Fall. Sie hatte im August insgesamt 400 Millionen Impfstoffdosen von Astrazeneca geordert. Im ersten Quartal verringerte die Firma die Liefermenge aber überraschend von 80 auf 40 Millionen Dosen. Italien hatte deshalb die Ausfuhr von 250 000 Dosen Astrazeneca-Impfstoff an Australien verhindert.

Der australische Finanzminister Simon Birmingham äußerte sich darüber beim Sender Sky News «enttäuscht und frustriert». Premierminister Scott Morrison zeigte allerdings auch Verständnis. «In Italien sterben etwa 300 Menschen am Tag», sagte er nach Medienberichten. «Sie befinden sich in einer unkontrollierten Krisensituation. Das ist in Australien nicht der Fall.» Gleichwohl rief Australien die EU-Kommission auf, die Entscheidung zu überdenken.

Italiens Außenminister Luigi Di Maio stellte klar, dass der Exportstopp «kein feindseliger Akt Italiens gegen Australien» sei. Die Verzögerungen bei der Verteilung der Impfstoffe in der EU seien aber «nicht akzeptabel», schrieb Di Maio auf Facebook. Er erläuterte, dass man am 24. Februar den Antrag von Astrazeneca zur Lieferung nach Australien erhalten habe. Rom habe «die Bremse gezogen». In der EU herrsche Impfstoffmangel: «250.000 Dosen, das ist viel», schrieb er.

Dabei nutzte Rom die neue EU-Exportkontrolle, die Ende Januar wegen des Streits mit Astrazeneca um Liefermengen eingeführt worden war. Alle Impfstoffausfuhren müssen beantragt werden. Bis 1. März wurden nach Angaben der Kommission 174 Anträge anderer Hersteller ohne weiteres genehmigt, bis bei Astrazeneca erstmals ein Stoppsignal gesetzt wurde.

Die Exporte gingen den Angaben zufolge in 30 Länder, darunter auch Australien. Vor allem Biontech/Pfizer beliefert von Europa aus viele Länder. Aus Sicht der EU-Kommission schafft der Hersteller es trotzdem, auch die Zusagen an die EU einzuhalten.

Der SPD im Europaparlament hat trotzdem Sorge wegen des Exportstopps. Dieser «öffnet die Büchse der Pandora und könnte zu einem globalen Kampf um Impfstoffe führen», erklärten die Abgeordnten Bernd Lange und Tiemo Wölken. «Das muss unbedingt verhindert werden.» Die Lieferketten seien komplex, und auch die EU sei auf andere Länder angewiesen. «Globale Probleme können nur global gelöst werden und nicht durch Protektionismus und Nationalismus.»

Die britische Regierung äußerte sich ebenfalls kritisch. «Beschränkungen einzuführen gefährdet die globalen Bemühungen, das Virus zu bekämpfen», sagte ein Sprecher von Premierminister Boris Johnson. «Wir erwarten, dass sich die EU weiterhin an ihre Zusagen hält.» Nach EU-Angaben erlaubt Großbritannien allerdings selbst keine oder nur sehr begrenzte Impfstoffausfuhren, ebenso wie die USA.

Der französische Europa-Staatssekretär Clément Beaune begrüßte die Entscheidung Italiens. «Das zeigt, dass wir als Europäer fähig sind, nicht naiv zu sein und unsere Interessen zu verteidigen», sagte Beaune dem Sender RTL France. In Australien sei der Bedarf weniger dringend als in Europa. «Wir blockieren. Und wir behalten ihn», sagte Beaune mit Blick auf den Impfstoff.

Offen ist, wer die nicht an Australien gelieferten Dosen bekommt - sie bleiben im Besitz von Astrazeneca. Die Firma äußerte sich auf Anfrage auch am Freitag zunächst nicht. So blieb auch unklar, warum sie exportieren wollte, ohne Lieferpflichten an die EU erfüllen zu können.

Der Impfstoff von Astrazeneca gilt als preiswert und leicht handhabbar. Wegen des öffentlichen Streits mit dem Hersteller und eine auf Jüngere beschränkte Nutzung in etlichen EU-Staaten hatte das Vakzin zeitweise ein Imageproblem. Neue Daten bescheinigen ihm aber eine hohe Wirksamkeit und gute Verträglichkeit. In Deutschland soll er künftig für alle Altersgruppen genutzt werden.