„Auto-Papst“ zu neuen Volkswagen-Sparplänen - „VW laufen in Deutschland die Kosten weg - und das VW-Gesetz lähmt den Konzern“
Paukenschlag bei Volkswagen: Der Konzern will noch härter sparen und erwägt erstmals, Werke in Deutschland zu schließen. Doch das ist gar nicht so überraschend, sagt Branchenkenner und „Auto-Papst“ Ferdinand Dudenhöffer im Interview mit FOCUS online. Den Konzern plagen schon seit Jahrzehnten die immer gleichen Probleme.
FOCUS online: Volkswagen erwägt erstmals Werksschließungen in Deutschland – sehen Sie das auch als Zäsur an, Herr Dudenhöffer?
Ferdinand Dudenhöffer: Das ist eine große Zäsur, aber die war zu erwarten. Wir haben seit 30 Jahren immer wieder dieselben Probleme bei Volkswagen. Dieselgate war nur eines davon. Das große Grundproblem ist: Wolfsburg und die Marke VW##chartIcon sind eine heilige Kuh, die man nicht bewegen darf. Doch heilige Kühe leben gefährlich, wenn der Wettbewerb kommt.
Warum ist VW eine heilige Kuh, wie Sie es betiteln?
Dudenhöffer: Volkswagen ist heilig, denn es ist kein normales Unternehmen, sondern im Grunde ein Staatsbetrieb. Das Land Niedersachsen besitzt 20 Prozent der stimmberechtigten Aktien, und die IG Metall darf die Hälfte der Aufsichtsratssitze besetzen. Darum ist das auch kein normaler, sondern ein politischer Aufsichtsrat – und damit und damit können Anpassungen um den Kirchturm in Wolfsburg nicht umgesetzt werden.
Wenn man Volkswagen langfristig aufstellen will, muss man die Unternehmensstruktur ändern. Genau darum kann es BMW nicht so treffen, auch Porsche nicht so treffen, und einzelne VW-Marken wie Skoda ebenso wenig. Skoda ist ein hochgesundes Unternehmen.
Sie sprachen vom Wettbewerb, der heilige Kühe bedroht – meinen Sie damit Tesla und BYD?
Dudenhöffer: Ja, die Elektroautobauer, aber auch die Stellantis-Konzerne dieser Welt. Volkswagen hat in Deutschland zu hohe Kostenstrukturen und hat sie nie anpassen können, weil politischer Widerstand solche Vorhaben aushebelt - Widerstand durch das Land Niedersachsen und die Gewerkschaft.
Die Gewerkschaft hat auch Widerstand gegen die neuen Pläne angekündigt.
Dudenhöffer: Alles andere hätte mich überrascht. Aber das löst das Problem nicht, aus diesen einzementierten Strukturen herauszukommen.
Welche Rolle spielen die immer schwierigeren Standortbedingungen in Deutschland?
Dudenhöffer: Deutschland ist ein schwieriger Produktionsstandort, aber das VW-Problem ist multiplikativ größer. Mit vernünftigen Anpassungsmöglichkeiten ist eine Produktion in Deutschland kein Problem, wie es BMW##chartIcon und Mercedes##chartIcon vormachen.
Was machen BMW und Mercedes anders?
Dudenhöffer: Die Konzerne passen sich permanent an den Markt an, mit der Größe der Fabriken beispielsweise, Anpassungen bei den Löhnen, oder auch bei den Zuliefererpreisen. Bei VW wird ja viel im eigenen Haus eingekauft.
Würde es etwas bringen, die Modellpalette nochmal zu ändern?
Dudenhöffer: Das kann man immer wieder besprechen, aber es ist nicht die Modellpalette, sondern der Fakt, dass Volkswagen eine heilige Kuh ist. Bei Skoda sind die Modelle ja ähnlich, aber preisgünstiger. Und warum? Weil Volkswagen in Deutschland die Kosten weglaufen.
Kann der Konzern dann überhaupt je aus diesem Dilemma entkommen?
Dudenhöffer: Sicher, wobei sich dabei zeigen wird, wie überlebensfähig der Vorstandsvorsitzende ist.
Sie meinen, Blume könnte mit diesem Streit den Job verlieren?
Dudenhöffer: Ja, genau. Das Land und die Gewerkschaft haben Widerstand angekündigt – und haben auch die Macht, Blume abzusetzen. Punkt.
Wie würden Sie den Konzern für die Zukunft aufstellen?
Dudenhöffer: Man kann Volkswagen reformieren, wenn man die Konstellation, die Struktur ändert. Wenn das Land seine Aktien abgibt. Anders wird es nicht gehen. Anders wird man immer wieder in die gleichen Probleme kommen. Es ist Niedersachsens „VW-Gesetz“, welches dem Konzerne politische Zwänge auferlegt. Man glaubte damals, man tue dem Konzern damit etwas Gutes. Doch das Gegenteil von „gut“ ist oft „gut gemeint“.