Autokrise - Im November droht bei Volkswagen der Mega-Streik

Ein Schlitten und ein Koffer sind auf das Dach dieses rostigen Volkswagen Golfs gespannt. Die Chance auf weiße Weihnachten schätzen Meteorologen dieses Jahr aber eher gering ein.<span class="copyright">dpa/Ole Spata/dpa</span>
Ein Schlitten und ein Koffer sind auf das Dach dieses rostigen Volkswagen Golfs gespannt. Die Chance auf weiße Weihnachten schätzen Meteorologen dieses Jahr aber eher gering ein.dpa/Ole Spata/dpa

Zu hohe Produktionskosten, verlustreiche E-Autos und ein nicht konkurrenzfähiger Standort Deutschland: Insider berichten, wie schlecht die Stimmung in Wolfsburg ist und was jetzt auf der Kippe steht.

Wer meint, dass die Probleme im Hause Volkswagen allein mit dem Umstieg auf die Elektromobilität zusammenhängen, verkennt Realitäten, Abhängigkeiten und Seilschaften . Die Probleme des Wolfsburger Autobauers sind nicht neu, sondern existieren seit Jahrzehnten. Die Folgen der Pandemie, ein schwerer Wettbewerb in China und die aktuelle Kaufzurückhaltung beim Thema Elektrofahrzeuge brachten die allseits bekannten Probleme jedoch deutlich zutage.

VW-Probleme: E-Autos nur kleiner Teil des Dilemmas

Die Konzernspitze spricht davon, dass aktuell rund 500.000 verkaufte Fahrzeuge pro Jahr fehlen - die Produktionskapazität von zwei Werken. Das weiß auch der Betriebsrat, der zusammen mit der allgegenwärtigen IG Metall in Wolfsburg noch einflussreicher ist als bei den anderen Autobauern. Während in den Kassen Milliardensummen fehlen, fordert der Betriebsrat unter Daniela Cavallo bei den in der kommenden Woche beginnenden Tarifverhandlungen sieben Prozent mehr Lohn für die Volkswagen-Mitarbeiter. Autobauer in der Krise - VW-Mitarbeiter kritisieren Konzern-Manager scharf: „Wir müssen alles ausbaden“

Realitätsverlust im Betriebsrat

Einen ähnlichen Realitätsverlust hatte es vor Jahren zuletzt bei Opel gegeben, damals noch Teil des amerikanischen Konzerns General Motors. Über Jahrzehnte waren dringend nötige Effizienzmaßnahmen und eine nennenswerte Verschlankung der Belegschaft - insbesondere in den Werken Rüsselsheim und Bochum - hinausgezögert worden. Viel zu spät wurde der marode Standort im Ruhrgebiet geschlossen und auch Rüsselsheim ist unter Stellantis-Führung eher ein Schatten seiner selbst.

Ex-VW-Chef Herbert Diess Mitte Januar in Braunschweig (Archivbild)<span class="copyright">RONNY HARTMANN / AFP</span>
Ex-VW-Chef Herbert Diess Mitte Januar in Braunschweig (Archivbild)RONNY HARTMANN / AFP


Ganz ähnlich, nur mit deutlich größerem Ausmaß, sieht die Situation bei Volkswagen aus. VW-Finanzvorstand Dr. Arno Antlitz, als kühler Rechner im Unternehmen geschätzt, verwies zuletzt auf ein fehlendes Produktionsvolumen von aktuell zwei Werken, während die Arbeitnehmerschaft bei den vorgezogenen Tarifverhandlungen auf mehr Geld pocht und mit der Aufhebung der Beschäftigungsgarantie zum Jahresende 2024 konfrontiert ist. Heißt: Nach der sechsmonatigen Übergangsfrist kann es zum 30. Juni 2025 erste Kündigungen geben. Ein Horror-Szenario auch für die Ampel kurz vor den Bundestagswahlen 2025. Denn nicht wenige bei Volkswagen geben der deutschen Politik mit ihrem Zwangs-Kurs zum Elektroauto , den hohen Energiepreisen und den dirigistischen Vorgaben in jedem Detail eine Mitschuld an den Problemen der Autoindustrie. Im November könnte es angesichts des Stellenabbaus zu einem Mega-Streik bei Volkswagen kommen. Die Werkstätten könnten dann stillstehen.

Betriebsbedingte Kündigungen bei VW ab 2025 möglich

Herbert Diess, Vorgänger des aktuellen Konzernlenkers Oliver Blume, hatte
bereits vor Jahren darauf hingewiesen, dass die Belegschaft bei Volkswagen deutlich zu groß und zu unflexibel sei, Entwicklungsprozesse zu teuer und langsam - und das der Einfluss des Landes Niedersachsen das Unternehmen lähme. Auf Diess' Konto gehen allerdings auch der vermurkste Start des ID3 und parallel diverse Probleme beim Bestseller Golf.

VW-Betriebsratschefin Daniela Cavallo stemmt sich gegen mögliche Werkschließungen und will notfalls sogar zum Streik aufrufen. (Archivbild)<span class="copyright">Moritz Frankenberg/dpa</span>
VW-Betriebsratschefin Daniela Cavallo stemmt sich gegen mögliche Werkschließungen und will notfalls sogar zum Streik aufrufen. (Archivbild)Moritz Frankenberg/dpa

Dass es nicht nur im weltweiten Konzernverbund mit seinen mehr als hundert Werken, sondern auch im Stammland zu viele Beschäftige und zu viele Fertigungsstätten gibt, ist allgemein bekannt. Eine Reduzierung der Belegschaft wäre mit natürlicher Fluktuation und einem Verzicht auf Leiharbeiter wohl allein nicht machbar.

Kann sich die VW-Chefetage gegen die Gewerkschaften durchsetzen?

So bleibt die Frage, ob die Volkswagen-Führung stark genug ist, die
notwendigen Maßnahmen durchzusetzen oder ob das „Alles bleibt, wie es ist“ des Betriebsrats Volkswagen in noch größere Probleme treibt. PUSH - Klickdown VW ID Buzz - In einem Punkt kann der elektrische Bulli seinem Diesel-Vorgänger nicht das Wasser reichen

Sollten Fertigungsstätten geschlossen werden, wird es in erster Linie um kleinere Produktionen im Ausland gehen. Doch was ist mit Standorten wie in Osnabrück, wo bis zuletzt das VW T-Roc Cabrio, sowie die kleinen Porsche-Sportwagen 718 Cayman und Boxster gefertigt wurden? Diese Modelle haben mit Verbrenner keine Zukunft, doch die aktuell nur knapp 1000 Mitarbeiter dürften zu wenig sein, um ausreichend Kosten zu sparen.

Welche Werke es treffen könnte

Laut „Bild“ sind in Deutschland vor allem folgende Standorte in Gefahr:

  • Wolfsburg: Im Stammwerk will der Konzern rund 20 Prozent Kosteneinsparungen in der Verwaltung (dort arbeiten 40.000 Menschen) vornehmen. Zudem wurde die Planung für ein weiteres Werk auf Eis gelegt. Eine Schließung sei indes ausgeschlossen.

  • Emden und Osnabrück: In Emden (8000 Mitarbeiter) und Osnabrück (2800 Mitarbeiter) werden E-Modelle produziert. Beide Standorte sollen wegen der geringen Auslastung auf der Streichliste ganz oben stehen.

  • Braunschweig, Kassel und Salzgitter: Alle drei sind Komponentenwerke, eines davon soll gestrichen werden. In Baunatal südlich von Kassel sind 16.000, in Braunschweig 7000 Mitarbeiter beschäftigt. Da VW in Salzgitter (7500 Mitarbeiter) in eine Batterie-Fabrik Milliarden investierte, ist eine Schließung des Werkes eher ausgeschlossen.

  • Zwickau: Das Werk in Zwickau (10.000 Beschäftigte) soll zu den drei am meisten gefährdeten Standorten gehören. Hier sei indes eher ein Stellenabbau denkbar, heißt es.

    Am Vortag noch bei der kriselnden Meyer Werft, nun besucht Wirtschaftsminister Habeck das VW-Werk in Emden.<span class="copyright">Hauke-Christian Dittrich/dpa</span>
    Am Vortag noch bei der kriselnden Meyer Werft, nun besucht Wirtschaftsminister Habeck das VW-Werk in Emden.Hauke-Christian Dittrich/dpa

Der Stammsitz in Wolfsburg dürfte letzlich ebenso wenig zur Disposition stehen wie die Fertigungen in Emden und Zwickau, die aufwendig fit für die neuen Elektromodelle der ID-Familie gemacht worden sind.

Und was ist mit der einstigen Gläsernen Manufaktur in Dresden, wo der längst eingestellte VW Phaeton und zwischenzeitlich Bentley-Modelle entstanden sind? Mittlerweile gibt es hier eine Eventlocation mit Fahrzeugauslieferung und Führungen durch die elektrische ID-Welt. Das wäre im Zweifel wohl ebenso verzichtbar wie die Kleinserienfertigung im ehemaligen Karmann-Werk in Osnabrück.