Böhmermanns Schmähkritik bleibt eine miese Nummer in der Geschichte der Satire

Die Mainzer Staatsanwaltschaft stellt die Ermittlungen gegen Jan Böhmermann ein. Alles paletti? Mitnichten.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Nun ist man sich plötzlich einig. Nachdem die Staatsanwaltschaft in Mainz das Ermittlungsverfahren gegen den Satiriker Jan Böhmermann eingestellt hat, heißt es bei „Zeit-Online“: „Bildungsauftrag erfüllt“, die „tz“ frohlockt „Wer zuletzt lacht“, und die „Deutsche Welle“ schreibt von einem „raffinierten Verwirrspiel“ Böhmermanns und seines Haussender ZDF.

Oha. Da komme ich nicht mit. Wahrscheinlich reicht mein Bildungshorizont nicht aus, um das „humoristische Proseminar“ zu bestehen, das Lachen blieb mir im Halse stecken und das raffinierte Verwirrspiel verharrt mir als einzige Keule in Erinnerung. Für mich ist der Kern dieser „Staatsaffäre Böhmermann“ ein Versagen des Satirikers.

Lesen Sie auch: Böhmermann rechnet mit der Böhmermann-Affäre ab

Was war passiert? Die Vorgeschichte in knappen Worten: Über eine gelungene Satire der TV-Sendung „extra drei“ hatte sich der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan (seine Vornamen werden meist nicht mehr geschrieben, für uns ist er mittlerweile nur „der“ Erdogan) beschwert. Im Zuge der vielen unsäglichen juristischen Drangsalierungen von Kritikern Erdogans in der Türkei machte sich Böhmermann auf, dem Erdogan mal zu erklären, was eine Satire ist – und was nicht.

Beifall von rechts

Das kündigte er hübsch vorher an, trennte immer so, dass auch ich das kapierte, und verlas dann aber zwischendurch ein sogenanntes Gedicht, mit dessen Inhalt Böhmermann nichts zu tun haben wollte, das er aber aussprach. Es waren dämliche und verletzende orientalistische Klischees. Sie trafen, und das hat Böhmermann offensichtlich bis heute nicht verstanden, in erster Linie Deutschtürken; die durften sich zur Primetime und gebührenbezahlt nochmal anhören, was genug Rassisten in diesem Land so denken, die sich im Übrigen diebisch über Böhmermanns Aktion freuten.

Das Gedicht des Satirikers war ein Rohrkrepierer. Gecheckt wurde nicht, dass ein Wort ein Wort bleibt. Eine Verletzung gerät nicht geringer, wenn der Täter meint, dass sowas nicht gemacht werden solle – und dann doch das Messer reinbohrt. Genau so wird Böhmermanns Gedicht in Erinnerung bleiben: als misslungener Versuch einer Satire, der nach hinten losging, eine Menge Leute beleidigte, die sich noch nicht mal groß beleidigt zeigen dürfen, weil dann die deutschen Großmeister des Humors sagen: Ochnee, ist doch nur Satire.

Lesen Sie auch: Die Böhmermann-Affäre im Überblick

Womöglich ist das Wohlwollen nun gegenüber dem Künstler größer, weil „der Erdogan“ sich in der Zwischenzeit als noch mieser erwiesen hat, da gab es einen Putsch und das große Aufräumen. Nur hat das mit dem Gedicht nichts zu tun.

Ob dies nun eine staatsanwaltlich dekretierte Satire war oder nicht, ist mir schnurz. Dass man Böhmermann nicht den Vorsatz einer Beleidigung nachweisen konnte, überzeugt. Sehr glaubhaft ist, dass der Mann, der so oft für tolle Satire steht, tatsächlich nicht beleidigen wollte. Eine Persönlichkeitsspaltung bliebe es dennoch. Und Böhmermann muss sich überlegen, ob er weitermachen will als neuer Harald Schmidt. Der konnte am Ende auch nur noch gegen Minderheiten.

Bild: dpa

Sehen Sie auch: Böhmermann-Anwalt attackiert Merkel