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Babbel: "Wenn die Bayern ans Festgeldkonto rangehen..."

Markus Babbel ist zurück in Deutschland. Zwei Jahre war er Trainer des australischen Fußballvereins Western Sydney Wanderers, wurde dort im Januar dieses Jahres beurlaubt. Danach blieb der gebürtige Münchner noch bis Anfang Mai in Australien.

Jetzt besuchte SPORT1 den 47-Jährigen, der am Sonntag im CHECK24 Doppelpass (ab 11 Uhr LIVE im TV auf SPORT1) zu Gast ist, zu Hause in Weinheim und sprach mit ihm unter anderem über seine Zeit in Down Under, den FC Bayern, Tattoos - und einen neuen Job.

SPORT1: Herr Babbel, in Deutschland gibt es mittlerweile Geisterspiele und es läuft besser als gedacht. Wie denken Sie darüber?

Markus Babbel: Man muss zwei Dinge unterscheiden. Auf der einen Seite will man Zuschauer im Stadion haben und dass eine tolle Atmosphäre herrscht, aber das ist jetzt nicht möglich. Auf der anderen Seite haben viele Vereine finanzielle Probleme, wenn der Spielbetrieb nicht hätte fortgesetzt werden können. Und deswegen war das für mich mit den Geisterspielen eine logische Konsequenz, da ziehe ich den Hut vor den Verantwortlichen, die dieses Konzept auf die Beine gestellt haben und vor den Klubs, die größtenteils auch sehr diszipliniert das Ganze umgesetzt haben. Ich bin positiv überrascht vom Niveau der Spiele. Natürlich waren auch Partien dabei, in denen sich Mannschaften etwas schwerer getan haben, wieder in ihren Rhythmus zu kommen, was auch völlig normal ist.

Bayern kein Meister? "Da fehlt mir die Fantasie"

SPORT1: Glauben Sie, dass manche Spieler in dieser Geisterspiel-Atmosphäre sogar aufblühen?

Babbel: Ja. Diese Spieler, die jetzt mit weniger Druck auf den Platz gehen, gibt es. Druck ist immer da, aber eben nicht dieser ganz große Druck, weil die Zuschauer nicht da sind. Ich glaube, dass es aber auch Spieler gibt, die die Fans sehr vermissen, durch sie gepusht werden, um diese zwei, drei Prozent mehr rauszuholen. Und ganz ehrlich, diese Spieler sind mir lieber.

SPORT1: Sie hatten auch in Australien sicher die Bundesliga immer im Blick. Den Bayern dürfte die Meisterschaft nach dem Sieg beim BVB wohl nicht mehr zu nehmen sein, oder?

Babbel: Das war am Dienstag ein sehr entscheidendes Spiel für den weiteren Verlauf der Saison. Bei einem Sieg der Dortmunder wäre ich überzeugt gewesen, dass es bis zum 34. Spieltag noch mal richtig spannend geworden wäre. Jetzt ist eine Vorentscheidung gefallen. Dem BVB fehlt das Sieger-Gen. In den entscheidenden Momenten kneifen die Dortmunder. Die Bayern werden keine drei Spiele mehr verlieren. Da fehlt mir die Fantasie. Für die Spannung der Bundesliga war der Bayern-Sieg leider nicht so förderlich.

Babbel schwärmt von Flick

SPORT1: Hätten Sie gedacht, dass Hansi Flick das so souverän hin bekommt?

Babbel: Ja. Mich hat es nicht wirklich überrascht, weil Hansi ein angenehmer Mensch ist und mit den Spielern gut kann. Und darüber hinaus hat er ein großes fußballerisches Know-how, hat beim DFB neben Joachim Löw eine starke Rolle gespielt - das zeigt sich jetzt. Und es ist aber auch nicht so, dass er alleine ist. Hansi hat ein super Team um sich herum, hat die richtigen Weichen gestellt und deswegen war es für mich keine große Überraschung, dass er alle überzeugt. Eine ganz wichtige Entscheidung: Er hat die deutschen Nationalspieler wieder stark gemacht, die schlussendlich die Meinung in der Truppe machen, sie sind alle längst wieder happy.

SPORT1: Hilft Flick auch ein Oliver Kahn?

Babbel: Mit Sicherheit. Olli war ein Profi, zu dem fast jeder aufgeschaut hat, er hat alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Er war hochprofessionell in seiner Zeit, und inzwischen hat er sich auch menschlich weiterentwickelt. Olli hat über den Tellerrand hinausgeschaut, ist viel kommunikativer als früher geworden, was Hansi mit Sicherheit helfen wird, wenn er sich mit ihm austauschen kann. Ich an seiner Stelle wäre da sehr dankbar. Wie ich schon sagte, hat Hansi ein starkes Team um sich herum. Für mich ist es daher nur logisch, dass sich der Erfolg einstellt.

SPORT1: Mit Miroslav Klose kommt ab der nächsten Saison auch noch ein neuer Co-Trainer dazu. Hätten Sie sich auch mal insgeheim gewünscht, als Assistenz-Trainer beim FC Bayern zu arbeiten?

Babbel: Den Gedanken hatte ich nie wirklich. Ich habe schon noch zu einigen Leuten im Verein Kontakt, aber da war jetzt auch von meiner Seite nie die Intention dahinter, dort mal vorstellig zu werden. Mit Miro haben sie eine Top-Lösung gefunden, für ihn ist das ein guter nächster Schritt. Ich gehe mal schwer davon aus, dass das Ziel vom Miro sein wird, irgendwann Bundesligatrainer zu werden.

Er hatte jetzt zwei Jahre die Möglichkeit, mit jungen Spielern zu arbeiten und sich als Trainer weiterzuentwickeln, Fehler machen zu dürfen, ohne dass es jetzt den ganz großen Schaden hatte. Und jetzt kommt der nächste Step als Co-Trainer bei Bayern. Bald kann er von Hansi und Hermann Gerland lernen. Und vielleicht wird Miro nach Flick der nächste Bayern-Trainer. Ich könnte mir das sehr gut vorstellen.

"Alaba einer der weltbesten Spieler"

SPORT1: David Alaba hat bei den Bayern eine tolle Entwicklung genommen. Er hat seinen Vertrag noch nicht verlängert. Wie sehen Sie ihn?

Babbel: Über David Alaba müssen wir nicht diskutieren. Er ist seit Jahren einer der weltbesten Spieler, die es gibt, mittlerweile nicht nur als Linksverteidiger, sondern auch als Innenverteidiger. Er ist auch als Persönlichkeit, unglaublich gereift. Was mir sehr imponiert an ihm, ist, dass er nach seiner Zeit in Hoffenheim von Tag 1 Leistung gebracht hat. Und das ist keine Selbstverständlichkeit, dass du jedes Jahr auf diesem Niveau spielst und permanent immer die Leistung abrufen kannst. Er versucht jetzt, bei den Verhandlungen das beste für sich rauszuholen. Das ist ganz legitim. Nach so einem Spieler lecken sich die großen Klubs die Finger.

Schlussendlich hoffe ich natürlich, dass er sich für den FC Bayern entscheidet. Ich denke aber, das wird ähnlich ablaufen wie bei Manuel Neuer. Es wird aber noch ein bisschen dauern. Vielleicht verdient Alaba woanders ein bisschen mehr, aber ich glaube ein paar Euro mehr werden an seiner Lebensqualität nichts ändern. Außer er sagt, ich will vielleicht noch mal komplett etwas Neues sehen. Aber das wäre sehr schade für den deutschen Fußball und für den FC Bayern.

SPORT1: Wäre Leroy Sane das i-Tüpfelchen im neuen Bayern-Kader?

Babbel: Ja. Wenn er sich für den FC Bayern entscheidet, wäre es natürlich auch für die Bundesliga sensationell. Klar, für den Klub so und so, weil, das ist ein toller Spieler, der unglaublich viel Potenzial hat. Da meine ich aber nicht nur ihn. Wenn sie noch zwei, drei Spieler dazu holen können, dann bin ich davon überzeugt, dass Bayern eine sehr dominante Rolle im internationalen Geschäft spielen kann. Das ist jetzt die große Chance, denn viele Vereine haben aktuell finanzielle Probleme und können keine großen Sprünge am Transfermarkt machen. Und der FC Bayern hat ein tolles Festgeldkonto und wenn sie da mal rangehen, könnten sie wirklich etwas Großes anstellen.

"Seine Zeit beim FC Bayern ist vorbei"

SPORT1: Erlebt Jerome Boateng gerade eine Renaissance?

Babbel: Das glaube ich nicht. Jerome war außergewöhnlich, als er mit dem FC Bayern 2011 die Champions League gewonnen hat und 2014 Weltmeister geworden ist. Da war er in einer unfassbar guten Verfassung. Damals war er für mich der beste Verteidiger in der Bundesliga. Jetzt sehe ich ihn nicht mehr so gut. Seine Zeit beim FC Bayern ist vorbei. Ich glaube auch nicht, dass die Bosse ihm noch mal einen langfristigen Vertrag geben werden. Das würde mich schon sehr überraschen. Dafür macht er in meinen Augen einfach zu viele Fehler, hat ein bisschen an seiner Schnelligkeit und an seiner Beweglichkeit verloren. Und ich glaube, das haben die Verantwortlichen auch nicht übersehen. Aber nichtsdestotrotz hat er die Möglichkeit, mit den Bayern erneut Deutscher Meister zu werden und vielleicht sogar die Champions League zu gewinnen. Er wird noch mal alles versuchen, sich bestmöglich zu zeigen, um auch für andere Vereine interessant zu sein.

SPORT1: Wie sieht es bei Lucas Hernandez aus?

Babbel: Es läuft sehr unglücklich für ihn, das muss man ganz klar sagen. Er kam mit einer Verletzung, hat gebraucht, um wieder fit zu werden, war dann gesund, aber wenn man nach so langer Verletzung wieder kommt, verletzt man sich sofort wieder. Das ist leider der Klassiker. Dann hat man natürlich, nachdem man jetzt eine gute linke Seite gefunden hat, mit Alaba halblinks und mit Davies als zusätzlichem Linksverteidiger, einen dritten Linksfuß im Kader. Ich glaube, das will man nicht. Ich glaube, man will einen Rechtsfuß als Innenverteidiger haben, um die perfekte Spieleröffnung zu haben. Deswegen muss Hernandez sich noch ein bisschen gedulden. Ich bin nach wie vor von seinen Qualitäten überzeugt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Bayern nicht mehr den Glauben an ihn haben, sonst gibt man nicht so viel Geld aus für so einen Spieler. Aber er muss hundertprozentig fit werden und dann kann ich mir sehr gut vorstellen, dass er noch die erwartete Verstärkung wird.

SPORT1: Bruno Labbadia spielte mit Ihnen bei den Bayern und trainiert jetzt Ihren Ex-Klub Hertha BSC. Er wurde oft als Feuerwehrmann gesehen. Tat man ihm da unrecht?

Babbel: Feuerwehrmann war die völlig falsche Bezeichnung für Bruno. Ich sehe ihn in Berlin genauso wie bei den Stationen davor. Er ist völlig authentisch und mit einer hohen Begeisterung bei der Sache, ist zudem sehr emotional, wie er auch immer als Spieler war. Bruno ist schon so lange im Geschäft und wenn man sich die Haltbarkeit bei Trainern anschaut, lag er immer darüber. Er knüpft bei der Hertha nahtlos an die tolle Arbeit in Wolfsburg an. Ich drücke ihm die Daumen, dass er das dauerhaft in Berlin hinbekommt.

SPORT1: Sie haben sich bei Instagram als James-Bond-Bösewicht beworben. Wie kam es dazu? Genug Tattoos haben Sie ja...

Babbel: Das war ursprünglich mehr als Spaß gedacht. Ich hatte einen Auftritt im TV und viele Leute hatten mich schon länger nicht gesehen und waren sehr überrascht von meinem Aussehen, die Australier weniger, aber die Deutschen schon. Und die Engländer haben mich jetzt auch länger nicht gesehen, und dann gab es einige Kommentare von wegen 'Der schaut ja aus wie der Bösewicht von James Bond'. Und das fand ich gar nicht so dumm, da kann ich mich vielleicht mal bewerben. Oder als Ming aus der Serie Flash Gordon. Ich habe mich natürlich ein bisschen verändert, man wird auch nicht jünger und ich war schon immer ein großer Fan von Tattoos. Schon als Kind fand ich die Jungs mit Tattoos immer saucool, nur damals waren die Typen, die ein Tattoo hatten, meistens nicht die ganz sauberen Kerle in der Gesellschaft. Deswegen habe ich mich nie getraut. Nach meiner Krankheit habe ich mir dann gesagt 'Auf was wartest du noch? Ich glaube, dass meine Schwiegermutter trotz Bart und Tattoos immer noch happy ist mit mir.

SPORT1: Letzte Frage: Wann sehen wir Sie als Trainer wieder?

Babbel: Ich weiß es noch nicht. Es muss einfach passen. Für mich gibt es nicht nur die Bundesliga, ich finde auch die 2. Liga spannend. Im Moment will ich für mich selbst herausfinden, was ich will und wo ich hin will. Vielleicht will ich auch etwas ganz Neues ausprobieren und kein Trainer mehr sein. Für diese Gedanken hilft die Coronakrise natürlich. Und deswegen bin ich da im Moment ganz entspannt, wo die Reise hingeht. Vielleicht sieht man mich ja bald als James-Bond-Bösewicht im Kino. (lacht laut)