Baerbock geht vor Frau im Rollstuhl in die Hocke und löst Diskussion aus: War die Geste richtig?

Annalena Baerbock ging zur Beantwortung der Frage einer Rollstuhlfahrerin in die Hocke (Bild: Screenshot/ARD)
Annalena Baerbock ging zur Beantwortung der Frage einer Rollstuhlfahrerin in die Hocke (Bild: Screenshot/ARD)

Diese Geste von Annalena Baerbock in der “ARD-Wahlarena” ließ einige aufmerken: Zur Beantwortung der Frage einer Zuschauerin, die im Rollstuhl saß, ging die Kanzlerkandidatin der Grünen in die Hocke.

Auf Twitter wurde die Aktion zunächst gefeiert, unter anderem von Baerbocks Parteifreundin Alexandra Geese aus dem EU-Parlament. “Ich liebe es, wie Annalena Baerbock automatisch auf Augenhöhe geht. Menschlich, nahbar und respektvoll”, schrieb diese. “Baerbock scheint zu kapieren, wie man auf Augenhöhe kommuniziert”, twitterte ein anderer User.

Für beide Postings gab es viel Zustimmung, aber schnell auch Widerspruch: Baerbocks Hocke sei herablassend, befanden einige Nutzer. Vertreter beider Ansichten beriefen sich teils auf Erfahrungen aus der Pflege oder dem Zivildienst. Doch wie äußern sich Menschen, die selbst einen Rollstuhl nutzen? Das Meinungsbild ist auch hier differenziert.

"ALLE in der Arena sitzen! Es gibt keinen Grund sich vor die Rollstuhlfahrerin zu hocken, als wäre diese ein Kleinkind. Wer hier von Respekt & Augenhöhe redet: Respekt & Augenhöhe wäre die Situation zu sehen wie sie ist: alle sitzen, also hocke ich mich vor alle oder niemanden, nicht nur vor den Krüppel, um diesen damit zu infantilisieren", kritisiert etwa Autorin Debora Antmann Baerbocks Geste.

"Für mich persönlich hängt die Frage nach Hocken oder Stehen sehr von der Situation ab. Sich nur für die Person im Rollstuhl hinzuhocken, wenn auch alle anderen sitzen, ist eine übergriffige Sonderbehandlung und ergibt wahrscheinlich in kaum einem Szenario Sinn", schreibt Bloggerin Melly Maeh. "In der Kommunikation mit mir kann es aber durchaus Situationen geben, wo uns Hocken einiges erleichtert. Zum Beispiel in lauterer Umgebung. Ich rede leise und kann auch nicht 'in die Höhe schreien'. Idealerweise finden wir einen Sitzplatz, denn hocken wird schnell verkrampft."

"Zu Baerbocks hinknien: lets be fair, es ist die Sicherheitsvariante, um gut dazustehen (hahaha) und es ist fair enough in dieser Situation finde ich. Im Alltag: wann immer sich jemand hinkniet, weiß ich dass es kein langes Gespräch wird, weil Menschen das nicht lange durchhalten", schreibt die Autorin und Aktivistin Tanja Kollodzieyski. "Wenn ihr mir also Ruhe und Sicherheit geben wollt und langanhaltendes Interesse signalisieren wollt, setzt euch hin. Stuhl, Boden, Geländer, irgendwo wo ihr es 10+min aushalten könntet."

Aktivist Ash B. verweist darauf, dass man in den meisten Situationen nachfragen sollte: "Nicht irgendwas vermuten und einfach machen, sondern fragen, was der Person, die den Rollstuhl nutzt, lieber ist." Baerbocks Hocke ordnet er allerdings anders ein: "Was aber auch weiterhin ignoriert wird: Dieser Tipp und der, sich auf Augenhöhe zu begeben, beziehen sich auf Situationen, in denen alle anderen stehen. Das war aber nicht die Situation im Studio der Wahlarena. Alle saßen und Baerbock ging nur im Gespräch mit der Person im Rollstuhl in die Hocke. Das ist ableistisches Othering."

In diesem Zusammenhang verurteilt er auch den Umgang mit entsprechender Kritik in einigen der Online-Diskussionen: "Es ist ableistisch, die Kritik von behinderten Menschen mit Aussagen wie 'Ihr mögt Baerbock eben nicht', 'Man kann es nicht richtig machen' und Ähnlichem zu relativieren."

Auch andere stören sich eher am Verlauf der Debatte, als an der Geste selbst: "Als Rollstuhlfahrer 'liebe' ich es wie Annalena Baerbock für diese Aktion hier auf Twitter 'abgefeiert' wird", kommentierte User Marcel Hoeppner den Tweet der Grünen Geese. "Ob es respektvoll ist oder nicht können nichtbehinderte nicht beurteilen. Ihre Aktion war sicher gut gemeint, sollte aber nicht im Wahlkampf instrumentalisiert werden."

Video: Studie - Fake News treffen vor allem Annalena Baerbock