„Fließt viel Geld“ - Prämiensparern winken Tausende Euro Nachzahlung – aber Sie müssen schnell sein
Seit Jahren schon ringen Banken und Kunden um sogenannte Prämiensparverträge. Der Vorwurf der Sparer: Die Banken haben viel zu niedrige Zinsen gezahlt. Nach einem Urteil des BGH sagt nun der Bafin-Chef höchstpersönlich, dass er mit hohen Nachzahlungen rechnet. Das müssen Betroffene dazu wissen.
Wer einen Prämiensparvertrag besitzt, darf sich wohl bald über eine üppige Nachzahlung freuen. Damit rechnet Mark Branson, Chef der Bankenaufsicht Bafin. Dem „ Handelsblatt “ sagte Branson: „Ich bin überzeugt, dass am Ende viel Geld an die Kundinnen und Kunden zurückfließen wird – auch weil wir uns bei dem Thema frühzeitig positioniert haben.“
Worum geht es?
In den 1990ern und frühen 2000ern boten viele Sparkassen Prämiensparverträge an – und trafen damit den Geschmack vieler Bundesbürger. Kunden erhielten dabei einen Basiszins, wie bei einem Sparbuch, sowie sogenannte Prämienzinsen auf jede Einzahlung. Dieser „Bonus“ erhöhte sich meist jährlich. Wer also lange spart, hat am Ende viel davon.
Das Problem dieser Angebote: Der Basiszins ist variabel, und die Banken dürfen diesen einseitig heben und senken. Die Kredithäuser korrigierten diese Zinsen in der Niedrig- und Nullzinsphase der Notenbanken kräftig nach unten, laut Verbraucherzentrale teilweise auf mikroskopische Werte von 0,01 oder sogar 0,001 Prozent.
Warum müssen die Banken nachzahlen?
Seit Jahrzehnten streiten sich deshalb Kunden und Banken darüber, wie hoch die Zinsen bei langfristigen Verträgen sein dürfen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dazu bereits mehrfach Urteile gefällt.
Wie die Verbraucherexperten von „Finanztip“ berichten, gab es das erste Urteil dazu bereits 2004. Damals erklärten die Richter Zinsänderungen für unzulässig, weil Kunden ein „unkalkulierbares Zinsänderungsrisiko“ nicht zugemutet werden könne. Nachvollziehbare Regeln seien nötig.
Im Jahr 2021 urteilte der Bundesgerichtshof erneut, dass Zinsanpassungen bei bestimmten Verträgen unwirksam seien. Das Problem: Die Richter nannten keinen Referenzzinssatz, an dem sich die Banken orientieren sollten.
Dieses Versäumnis holte der BGH schließlich im Juli dieses Jahres nach: Im Rahmen einer Musterklage der Verbraucherzentrale Sachsen und des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV) gegen die Sparkasse Dresden und die Saalesparkasse in Halle legten die Richter einen Zinssatz fest. Als Orientierung diente die Umlaufrendite von Bundeswertpapieren mit einer Restlaufzeit von acht bis 15 Jahren, dem ehemaligen Bundesbank-Referenzzins „WU9554“.
Dieser Zins wird mittlerweile von der Bundesbank unter einem anderen Schlüssel gelistet - nämlich „ BBSIS.M.I.UMR.RD.EUR.S1311.B.A604.R0815.R.A.A._Z._Z. A “. Ein Blick auf den Verlauf dieses Zinses zeigt schnell: Die Zinsen sanken zwar im Zeitraum der Verträge deutlich, hielten sich aber bis in die Nullzinsphase der EZB hinein sogar noch positiv, ehe sie in den negativen Bereich drehten.
Was sagt die Bafin nun dazu?
Die Bankenaufsicht Bafin überwacht nicht nur Banken, Versicherer und Akteure am Kapitalmarkt, sondern übernimmt auch Verbraucherschutzaufgaben, allerdings nur kollektiver Natur. Daher hatte die Bafin im Streit um die Prämiensparverträge bereits 2021 eine sogenannte Allgemeinverfügung abgegeben. Darin forderte die Aufsicht die Banken zu Zinsnachzahlungen an ihre Kunden auf.
Allerdings taktieren die Banken weiter, fürchten Verbraucherschützer, und spielen auf Zeit. Denn die Geldhäuser haben viele Prämiensparverträge bereits gekündigt – und spekulieren wohl auf Verjährung.
„Durch eine Allgemeinverfügung der Bafin wird die Verjährung nicht gestoppt“, merkte hierzu Bafin-Chef Branson gegenüber dem „Handelsblatt“ an. Sein klarer Rat für die Betroffenen: „Wir empfehlen Verbraucherinnen und Verbrauchern, ihre Prämiensparverträge rasch zu überprüfen und ihre Bank oder Sparkasse darauf anzusprechen.“
Was müssen Kunden wissen?
Wurde der Vertrag im Jahr 2021 gekündigt, ist Eile angesagt – denn dann verjähren die Ansprüche Ende 2024. Die „Finanztip“-Verbraucherexperten raten zu diversen Maßnahmen für betroffene Kunden.
Zunächst sollte einer Kündigung widersprochen und der Vertrag wie gehabt weitergeführt werden – Sparraten werden weiter eingezahlt, und das Guthaben wird nicht angerührt.
Dann sollte von der Bank eine Neuberechnung der Zinsen erbeten werden. Dabei können sich Verbraucher auch auf die BGH-Urteile beziehen. Eine Neuberechnung kann auch angefragt werden, wenn der Vertrag bereits beendet ist. Die Verbraucherschützer haben dazu einen Musterbrief erstellt, der auch die Frage nach der Art der Zinsberechnung enthält. Zusätzlich können Sparer eine Vergleichsberechnung bei einer Verbraucherzentrale einholen.
Stellt sich die Bank quer oder weicht die Berechnung stark von der Vergleichsrechnung einer Verbraucherzentrale ab, können Betroffene zuletzt auch eine Schlichtungsstelle einschalten. Gut zu wissen: Damit wird auch eine drohende Verjährung abgewendet, denn der Eingang eines Antrags bei der Schlichtungsstelle stoppt die Verjährung.
Zuletzt können Bankkunden auch selber klagen oder sich einer der laufenden Musterfeststellungsklagen anschließen. Allerdings sind diese teilweise bereits beendet. Die Argumente einer erfolgreichen Musterfeststellungsklage können jedoch bei einer privaten Klage verwendet werden, so „Finanztip“.
Mit welchen Nachzahlungen dürfen Kunden rechnen?
Verbraucher sollten beim Thema Prämiensparverträge unbedingt auf ihr Recht pochen. Denn am Ende winken üppige Nachzahlungen. Im Schnitt, sagt die Verbraucherzentrale Sachsen, dürfte die Festlegung des Referenzzinses durch den BGH nun zu Nachzahlungen von 1300 Euro je Vertrag führen. In Einzelfällen können es sogar mehr als 10.000 Euro sein.
Im Fall der Klagen gegen die Dresdner Sparkasse und der Saalesparkasse bekommen die Kläger in jedem Fall Gelder nachgezahlt. Das heißt nicht zwangsläufig, dass alle Banken Zinsen nachzahlen.
Manche Geldhäuser, wie etwa die Kreissparkasse Köln, wollen von sich aus auf die Prämiensparer zugehen, und in einem Schreiben zu einem Gespräch laden – „einschließlich der Möglichkeit einer Zinsnachberechnung“. Nicht alle Banken dürften nach der BGH-Rechtssprechung derart vorgehen. Von daher gilt: Wer noch bis 2021 einen solchen Prämiensparvertrag hatte, sollte selbst aktiv werden.