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Bald weniger befristete Arbeitsverträge? So realistisch ist die Umsetzung der Schulz-Pläne

Schulz.
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Es war ein Paukenschlag: SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz verkündete in dieser Woche vor Genossen in Krefeld: Wer jahrzehntelang Sozialbeiträge gezahlt habe und oft unverschuldet arbeitslos werde, verdiene mehr Unterstützung. Auch gegenüber der „Bild“-Zeitung deutete Schulz eine Verlängerung des Arbeitslosengeldes I an – Details solle Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) in den kommenden Wochen ausarbeiten.

Konkreter wurde er bei befristeten Arbeitsverträgen, die vor allem für viele junge Arbeitnehmer nach dem Einstieg in das Arbeitsleben oftmals Standard sind: Diese sollten nur noch bei sachlichen Gründen wie etwa einer Elternzeit-Vertretung möglich sein.

Doch wie realistisch ist es, dass Schulz seine Pläne nach den Wahlen auch umsetzen kann? Klar ist: In einer möglichen Großen Koalition egal ob mit einem Kanzler Schulz oder einer Kanzlerin Angela Merkel — dürfte der Hoffnungsträger der Sozialdemokratie seine geplante teilweise Abkehr von Schröders Agenda 2010 wohl nur zu einem kleinen Teil durchbekommen.

CSU-Mann Straubinger: „Wir sind eine soziale Partei. In sozialen Fragen sind wir immer verhandlungsbereit“

Zwar gibt man sich beim christsozialen Koalitionspartner durchaus verhandlungsbereit: Max Straubinger, Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, sagt im Gespräch mit dem Business Insider: „Wir sind eine soziale Partei. In sozialen Fragen sind wir immer verhandlungsbereit.“

Doch die Möglichkeit für Arbeitgeber, Stellen zu befristen, sei „sinnvoll“. Das hätten auch Arbeitsforscher bestätigt. Wenn es im Einzelfall Missbrauch gebe, sei die CSU aber offen für Gespräche darüber, wie man diesen verhindern könne.

Zur Frage nach einem längeren Bezug von Arbeitslosengeld I sagte Straubinger: „Da ist mir Schulz noch zu unkonkret geblieben.“ Prinzipiell sei die Verkürzung des Arbeitslosenanspruchs ein Erfolg gewesen, die den „dauerhaften Aufschwung“ mit ermöglicht habe. „Und wir haben ja bereits bei älteren Arbeitslosen nachgebessert.“

Es gelte zudem: „Desto länger jemand arbeitslos ist, desto schwieriger wird dessen Eingliederung.“ Aber auch hier sei man zu Gesprächen über Details bereit, so Straubinger.

Doch selbst wenn die CSU zumindest in Einzelfragen auf die Genossen zugehen sollte, dürfte der SPD-Kanzlerkandidat mit seinen Kernanliegen innerhalb einer Großen Koalition scheitern: „Wir haben die Arbeitslosigkeit seit 2005 halbiert. Was Kandidat Schulz fordert, gefährdet diesen Erfolg“, sagte CDU-Generalsekretär Peter Tauber dem „Handelsblatt“. Nötig sei dafür Flexibilität am Arbeitsmarkt, nicht eine längere Bezugszeit von Arbeitslosengeld.

Leichter könnte er seine sozialpolitischen Vorstellungen mit einer rot-rot-grünen Regierung umsetzen. „Das Arbeitslosengeld I zu verlängern, ist eine alte Forderung unserer Partei. Hierbei werden wir Herrn Schulz gerne unterstützen“, sagt Klaus Ernst, stellvertretender Vorsitzender der Linken-Fraktion im Bundestag, auf Anfrage.

Seine Fraktion werde schon bald einen Antrag im Parlament einbringen, der vorsieht, den ALG-I-Anspruch zu verlängern. Die Linke wolle für jedes Jahr, das ein Angestellter gearbeitet hat, den Arbeitslosengeld-Anspruch um einen Monat verlängern. Dieser Anspruch solle zu dem bereits nach 24 Monate andauernden Arbeitsverhältnissen bereits heute bestehenden Arbeitslosengeldanspruch von einem Jahr hinzukommen. Derzeit haben lediglich über 50-Jährige einen erhöhten Anspruch, doch auch die meisten von ihnen würden dann mehr Geld bekommen, so Ernst.

SPD-Politiker Barthel offen für Rot-Rot-Grün

„Der Antrag wird zeigen, ob die SPD hinter ihrem Kanzlerkandidaten Schulz steht.“ Die Linke unterstütze auch die Forderung, Befristungen ohne Sachgrund zu untersagen. Anders als mit der Union könne Schulz seine sozialpolitischen Vorstellungen mit Rot-Rot-Grün realisieren, warb Ernst für ein solches Bündnis.

Zumindest Klaus Barthel, Vorsitzender der einflussreichen Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen in der SPD, kann sich eine solche Regierung durchaus vorstellen: „Man muss sehen, mit wem nach dem 27. September seine inhaltlichen Ziele am besten verwirklichen kann. Rot-Rot-Grün ist genauso gut möglich wie andere Koalitionen“, sagt der Bundestagsabgeordnete dem Business Insider.

Barthel hofft, dass es am Ende vielleicht sogar für Rot-Grün reicht. Der Genosse begrüßt den sozialpolitischen Kurswechsel von Schulz. „Es ist auch gut, dass beim Thema Befristung endlich Bewegung kommt.“ Dass das Arbeitgeberlager auch gegen eine Reform des Arbeitslosengelds ausspreche, könne er nicht nachvollziehen. „Schließlich stellen sie noch immer viel zu wenige Ältere ein.“

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Man müsse nun mit dem bestehenden Koalitionspartner reden. Während der laufenden Legislaturperiode einem Antrag der Linken zum Arbeitslosengeld zuzustimmen, lehnte er jedoch ab. „Es gilt der Koalitionsvertrag.“

Weite Teile der Wirtschaft und viele Ökonomen dürften sich darüber freuen. Sie fürchten um das zuletzt gute Wirtschaftswachstum, wenn Teile der Agenda 2010 gestrichen werden sollten.

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